Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 180

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gramm – das primär eine Ideensammlung ist; und Sie wollen sich ja an den Taten messen lassen! – weder den Grundsätzen der ÖVP noch den Prinzipien der christlichen Soziallehre entspricht und unsozial ist, dann stellen sich für mich zwei Fragen.

Erstens: Hat für Sie die christliche Soziallehre überhaupt noch Bedeutung? Ist diese noch eine Leitlinie für Ihre Regierungspolitik?

Zweitens: Wie stellen sich die so genannten Vertreter des kleinen Mannes und der kleinen Frau, nämlich die Freiheitlichen in der Regierung, dazu, dass sie, kaum dass sie in der Regierung sind, die Interessen des von ihnen so bezeichneten kleinen Mannes und der kleinen Frau vergessen, schlicht und einfach vergessen? Sie werden eines Tages aufwachen, Minister Strasser wird die Polizei wieder rund ums Parlament postieren müssen, dann werden es aber nicht linke Demonstranten, sondern freiheitliche Wähler sein, die Transparente tragen, auf denen steht: Verrat! Verrat! Verrat! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen daher: Es wird Zeit, dass es einen Wechsel an der Spitze der Schutzgemeinschaft freiheitlicher Wähler gibt! Ich werde jetzt dafür kandidieren. Ich werde die Interessen dieser Wähler wahrnehmen müssen, denn Sie nehmen diese Interessen nicht mehr wahr! Sie sind jetzt in der Regierung, und Ihre freiheitlichen Wähler muss man in Wirklichkeit vor Ihnen selbst schützen, denn Sie haben keine Lust mehr, deren Interessen zu vertreten!

Aber ich sage zugleich: Da klafft natürlich ein Unterschied zwischen dem, was in Wahlkämpfen versprochen wird, und dem, was hier bereits angesagt ist: wahrscheinlich der erste Zähmungsakt der FPÖ. Haben Sie das sehr ernst genommen, was der damalige Vizekanzler Schüssel im "Kurier" vom 29. Jänner gesagt hat: Wir werden nicht danach beurteilt, was in irgendwelchen Wahlkämpfen vor zehn oder fünf Jahren oder vor einem Jahr gesagt wurde, sondern am gemeinsamen Wollen.

Daher schlage ich Ihnen vor: Affichieren Sie ab jetzt in den nächsten Wahlkämpfen Plakate, auf denen Sie oben die Forderungen erheben und unten hinschreiben: Stimmt eh nicht, ist eh Wurscht, machen wir sowieso nicht! Die Hauptsache ist: Wählt uns – am besten mit einer Binde vor den Augen! Schreiben Sie drauf: Wir wollen nur in die Regierung, der Rest ist völlig egal! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Cap betreibt Wählerbeschimpfung! – Weitere Zwischenrufe.)

Da können Sie von der FPÖ dann auch gleich mitmachen, denn Ihnen sind Ihre freiheitlichen Wähler mittlerweile auch längst egal! (Abg. Mag. Kukacka: Cap betreibt Wählerbeschimpfung!)

Jetzt komme ich zum nächsten Punkt. (Abg. Windholz: Ihnen sind die Wähler aufgesessen, über Jahre!) Sie gehen davon aus – das scheint Ihr Denkansatz zu sein, diese ganze Konstruktion der Regierung; Abgeordneter Kukacka zum Beispiel ist ja einer, der schon seit Jahren sehnsüchtig auf diesen Augenblick gewartet hat, wie auch einige andere mehr, er war vielleicht sogar der Architekt –, Sie gehen davon aus, dass es möglich ist, diese blaue Truppe auf Ihre Art zu "domestizieren"; nennen wir es einmal so. Das ist ja Ihre Ansage gewesen – und zudem natürlich, dass Schüssel Bundeskanzler werden wollte. Die Verlockung war natürlich groß, zuzusagen, als sich Haider aus Kärnten gleich nach der Wahl gemeldet hatte, quasi auf Zuruf: Gut, okay, ich verleihe Schüssel den Bundeskanzler-Titel; wenn er will, kann er es werden, dann wird er von uns unterstützt werden.

Schüssel geht also von der These aus, dass er diese blaue Truppe zähmen kann. Na ja, die letzten Tage und Wochen waren nicht gerade ein Beweis dafür, dass er das tatsächlich kann. Denn nach diesen Äußerungen, nach diesen Provokationen, die die Europäische Union in ihren Reaktionen erst so richtig auf den Siedepunkt gebracht haben, gab es ja auch eine Schlussäußerung, die lautete: Wenn der Fuchs erst einmal in den europäischen Hühnerstall kommt, dann wird es anders. Das ist ja noch gar nichts; jetzt herrscht dort schon wilde Angst, wildes Treiben. – Einmal abgesehen davon, bin ich neugierig, wann der Fuchs in den Regierungs-Hühnerstall kommt; um in dieser Diktion zu sprechen.


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