Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 185

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noch lange nicht. Es gibt Länder auf dieser Welt, die von uns als "Entwicklungsländer" bezeichnet werden, wie zum Beispiel Peru in Südamerika. Dort wurde es nach der Frauenkonferenz von Peking vor fünf Jahren so eingeführt, dass in den Parteien immer mindestens 30 Prozent Frauen sein müssen. Vielleicht sollten Sie sich daran ein Beispiel nehmen!

Ich frage Sie beide – in diesem Fall frage ich aber auch die SPÖ –: Warum haben Sie denn unserem Antrag, den wir schon des Öfteren eingebracht haben – dass die Parteienförderung nach der Höhe des Frauenanteils beziehungsweise auf das Verhältnis von Frauen- und Männeranteil abgestimmt wird, und nach den realen Mandaten; dass Sie, wenn Sie weniger als 50 Prozent Frauenanteil an den realen Mandaten haben, deswegen auch weniger an Parteiförderung bekommen, und dies in die Förderung von Frauen gesteckt wird –, nicht zugestimmt? Dann wäre es heute vielleicht nicht mehr so besonders, dass es eine erste Vizekanzlerin gibt, dann müssten wir das vielleicht nicht mehr so herausstreichen.

Frau Kollegin Zierler! Sie haben gesagt, Sie wollen die Frauenpolitik nicht ins Ghetto abschieben. Na ja, mit den bisherigen Maßnahmen haben Sie innerhalb Ihrer Partei diese Gleichrangigkeit, von der Sie sprechen, nicht geschaffen. Das Frauenministerium, sagen Sie, haben Sie nicht abgeschafft, sondern Sie haben es integriert. Die Erfahrung zeigt in vielen Teilen der Welt: Wenn man etwas woanders hinein integriert, ohne es ganz genau zu bezeichnen, ohne genau zu sagen, was man da drinnen will, ohne genau Personal und Ressourcen dafür zur Verfügung zu stellen, dann geht es unter, dann bleibt nichts übrig. Dann ist es nicht nur integriert, sondern dann ist es weg. Und das wird passieren!

Wenn das nicht so sein wird, würden wir uns freuen! Ich befürchte aber, dass es so sein wird. Wir werden uns das sehr genau ansehen.

Ein anderer Punkt der Offenheit und der Toleranz: Finanzminister Grasser hat auch gesagt, Sie wollen den Reformstau auflösen. Das ist etwas, dem wir auch zustimmen würden. Wir haben in den letzten Jahren auch sehr oft gesagt, dass es Reformen in diesem Land bedarf. Das ist mit einer der Gründe, aus denen Ihre Partei, die FPÖ, so stark geworden ist, dass sich hier in den letzten Jahren nichts weiterbewegt hat. Aber von einem Reformstau, den es seit Jahren gibt, steht nichts in Ihrer Regierungserklärung drin, und es steht auch nichts davon in Ihrer Koalitionsvereinbarung.

Das müssen Sie mir zuerst noch einmal erklären, warum von einer Menschenrechtsverletzung, für die Österreich vom Europa-Parlament, vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof schon des Öfteren verurteilt wurde und bei der es Schlusslicht in der Europäischen Union ist, nichts drinsteht. Bei der ÖVP weiß ich es ja: § 209 Strafrechtsgesetz dient Ihnen zum Hochhalten der Ideologie, wonach Sie angeblich Jugendliche schützen wollen. Es geht um das unterschiedliche Alter für schwule Männer gegenüber Heterosexuellen – das wollen Sie nicht abschaffen. Die FPÖ hat jedoch vor ein paar Jahren den Antrag eingebracht, es auf 16 Jahre zu verringern. Warum haben Sie das jetzt nicht getan, wenn Sie damals dafür eingetreten sind? – Da haben Sie gegenüber der ÖVP anscheinend Angst vor Ihrer eigenen Courage bekommen.

Ein Antidiskriminierungsgesetz gibt es auch nicht. Nicht nur für Lesben und Schwule, auch für andere Bevölkerungsgruppen in diesem Land wäre es höchste Zeit, dass es so etwas gibt. Kein Wort davon drinnen! (Beifall bei den Grünen.)

Noch ein Punkt: Das Land freier und offener machen, wurde gesagt. Klingt ja nicht schlecht! "Starke Demokratie" steht drinnen – klingt auch nicht schlecht, da haben wir überhaupt nichts dagegen! Aber wenn unter dem Kapitel "Starke Demokratie" in der Koalitionsvereinbarung nur die Rede ist vom freien Individuum – das unterstreiche ich – und von der Ehrenamtlichkeit – die finde ich auch wichtig, gerade bei uns arbeiten sehr viele Leute ehrenamtlich mit –, aber kein Wort von der so genannten Zivilgesellschaft und kein Wort von den Nicht-Regierungsorganisationen, die in diesem Land sehr viel Arbeit leisten, die der Staat weder bisher geleistet hat noch in Zukunft leisten wird, dann, muss ich sagen, ist das nicht die freie und offene Gesellschaft, die wir brauchen.


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