Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 72

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reich, sondern auch international gerecht wird. Klassenkampf im Jahr 2000 ist sicherlich kein probates Instrument der politischen Auseinandersetzung. Kollege Öllinger hat soeben einen Missbrauch der Worte zurückgewiesen.

Kollege Öllinger! Wenn wir alle zusammen in dieser Frage sensibel sind, dann erzielen wir sicherlich Fortschritte. Uns aber gegenseitig etwas vorzuwerfen, aber selbst nicht zu reagieren, das wird uns sicherlich nicht weiterhelfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mir persönlich haben in den letzten Wochen vor allem jene Vorwürfe Kopfzerbrechen bereitet und mich nachdenklich gestimmt, die darauf abzielen, dass das neue Regierungsprogramm im Bemühen, die Budgetsanierung umzusetzen, vor allem von einer sozialen Schieflage gezeichnet ist. In diesem Zusammenhang werden sehr oft klassenkämpferische Töne angeschlagen. Meine Damen und Herren! Wenn hier Berufsgruppen unterschiedlichster innerer Strukturen, unterschiedlichster Bandbreiten in der Einkommensbildung pauschal über einen Kamm geschoren werden, so ist das einer modernen politischen Auseinandersetzung unwürdig.

Kollege Gusenbauer hat heute in seinen Vorwürfen zu dieser angeblichen sozialen Schieflage wieder einmal – ich muss sagen, auf Grund seiner Sachkenntnisse sicherlich wider besseres Wissen und gegen seinen Informationsstand – die Großbauern angesprochen. Ich habe die sozialdemokratischen Kollegen, die seit Wochen die Bauern – noch viel ärger ist es, wenn man in diesem Zusammenhang das Wort "Großbauern" in den Mund nimmt – bezichtigen, dass sie Gewinner der Budgetpolitik der neuen Bundesregierung werden, aufgefordert, irgendwelche Fakten darzulegen. Es ist wohl unbestritten, dass wir in drei Bereichen Handlungsbedarf haben, auch wenn internationale Maßstäbe an die österreichische Budgetsituation angelegt werden, nämlich in der Defizitsenkung, in der Pensionsreform und in der Reform des Krankenkassen-Finanzierungswesens. Das ist wohl unbestritten! Wie wir das machen und wie die politische Auseinandersetzung darüber geführt wird, ist aus parteipolitischer Sicht unterschiedlich zu bewerten.

Meine Damen und Herren! Was wird nun der Regierung und damit auch den Bauern als soziale Schieflage vorgeworfen? Der Bauernstand ist jene Berufsgruppe, in der ein Drittel der Pensionisten Ausgleichszulagenbezieher ist, weil die Höhe ihrer Pensionen nicht dem Existenzminimum des Ausgleichszulagenrichtsatzes entspricht. Die Bemühung, die Anrechnung eines fiktiven Abzugsbetrags zu mindern als sozial ungerechtfertigtes Geschenk zu bezeichnen, ist der sozialdemokratischen Gesinnung unwürdig, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Tatsache, dass diese Bundesregierung vorhat, im Bereich des Berufsschutzalters die Bäuerinnen und Bauern mit der höchsten Altersgrenze, nämlich 55 Jahre bei Frauen und 57 Jahre bei Männern, dem nächst erreichbaren Stand anzugleichen, womöglich in einer ganzheitlichen Reform, ist ebenfalls nicht der sozialen Situation entsprechend. Sie werden 50-, 52-, 53-jährigen, die mehrere Krebsoperationen hinter sich haben, oder einer 52-jährigen Bäuerin im Waldviertel, die einen Arm auf Grund einer Lähmung nicht mehr bewegen kann, nicht raten können, sie mögen sich doch anstelle des bäuerlichen Berufs zum Beispiel eine Stelle als Telefonistin suchen, denn auf Grund der Gesetzeslage besteht für Bauern keine Möglichkeit, wegen derartiger Erkrankungen in Pension zu gehen.

Sie werden auch das "Karenzgeld für alle" auf Dauer nicht als soziale Schieflage darstellen können. Sie haben vor allem im Bereich der sozialdemokratischen Arbeitnehmervertreter nie darum gekämpft, dass rein nach dem Versicherungsprinzip vorgegangen wird. Ich habe nie öffentlich kritisiert, auf Grund meiner sozialpartnerschaftlichen Gesinnung, dass nach der jetzt geltenden alten Karenzregelung Mütter, die keine Versicherungsleistung erbringen, sehr wohl einen Anspruch darauf haben.

Ich möchte diese Beispiele nur deshalb aufzeigen, weil offenkundig ist, dass die Weiterführung dieser Diskussion auf dieser Ebene keine Diskussion um tatsächliche Verteilungsgerechtigkeit ist, sondern ein Klassenkampf, der eigentlich überwunden sein müsste. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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