Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 121

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einführt. Ich frage Sie aber: Müssen Patienten und Betroffene, sozusagen die Ärmsten der Armen – Krankheit ist ja nichts Lustiges, das werden Sie mir zugestehen –, für Sie Strukturen sanieren? Gäbe es nicht Möglichkeiten, die Balance zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich durch kurzfristige Investitionen in den niedergelassenen Sektor zu gewährleisten und dadurch den Zustrom zu Ambulanzen und Krankenhäusern zu reduzieren? – Das fällt Ihnen anscheinend nicht ein.

Niemand sträubt sich gegen vernünftiges Sparen. Das können Sie mir glauben. Aber da Gesundheit nicht nur Sache eines Ressorts ist, sondern letztendlich der gesamten Regierung, wären schon Maßnahmen angezeigt, die tiefer greifen als solch oberflächliche Dinge. Sie werden zugeben, das Parlament soll in etwa einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren. In dieser Debatte habe ich jedoch das Gefühl, dass auf Seiten der Regierungsfraktionen eine Phalanx von Finanz- oder Bilanzbuchhaltern sitzt, die nun meint, Sozialpolitik mit dem Rechenstift machen zu können. So wird sich das nicht ausgehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Noch etwas: Faktum ist – ich kann es Ihnen nicht ersparen, Ihnen vorzuwerfen, die Bevölkerung angeschwindelt zu haben –, Österreich liegt in den Ausgaben für Gesundheit ganz brav im europäischen Schnitt. Von Systemcrash ist keine Rede. Bis jetzt betragen die Selbstbehalte 10 Milliarden Schilling, und der Anteil privater Gesundheitskosten liegt bei kräftigen 30 Prozent und ist in den letzten 15 Jahren – oder vielleicht sind es 12 Jahre, verzeihen Sie mir die kleine Unschärfe – um 70 Prozent gestiegen. Das ist eklatant mehr als die Ausgaben für die Gesundheit, die aus dem öffentlichen Bereich kommen. Wenn Sie nun wieder Akzente setzen, die wiederum den privaten Sektor und die privaten Haushalte belasten, gebe ich Ihnen eine ganz einfache Antwort: Nicht wir schüren den Klassenkampf, sondern Sie öffnen zumindest die Gefahr einer Zwei-Klassen-Medizin. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie propagieren in Ihrem Programm auch Privatisierungen des Gesundheitswesens. Sie wissen, dass ein Gesundheitswesen, wenn es gut und fair sein soll, nie gewinnbringend sein kann. Da stimme ich Ihnen zu. Was ist dann die Privatisierung im Gesundheitsbereich? – Das sind jene Bereiche, die rentabel sind: Schönheitschirurgie, andere Sachen, Hungerkuren, das trockene Semmerl und der Kamillentee für 10 000 S am Tag.

Das nennt sich Privatisierung der Gewinne für die Betreiber. Und was bleibt dem öffentlichen Bereich? – Jene Medizin, die defizitär ist, die teuer ist und die risikobehaftet ist. Also wenn Sie ein System vertreten, in dem Gewinne privatisiert werden, das Risiko aber der öffentlichen Hand überlassen wird, sagen Sie mir, was Ihre Mär oder Ihr Märchen oder, wenn Sie eine griechische Fabel wollen, vielleicht die griechische Fabel von der Schlankheit des Staates ist!

Mich wundert es auch, wie zwei Parteien, die die Wirtschaft auf ihren Schild heben und versuchen, den kleinen Mann nebenbei zu betreuen – zwar immer schlechter und immer mäßiger –, es schaffen wollen, die Arzneimittelkosten zu senken. Auch hier ist eine Frage falsch beantwortet worden: Generika und Rezeptgebühr haben so viel miteinander zu tun wie Sonne und Mond – mit der Ausnahme, dass sie beide Gestirne sind, wenn man so will. Generika sind genauso mit 55 S Rezeptgebühr behaftet, weil für jedes Medikament – egal ob es 20 S oder 500 S kostet – 55 S zu bezahlen sind. Da werden Generika "Null-komma-Powidl" – wenn Sie diesen Ausdruck gestatten – daran ändern.

Einige kurze Bemerkungen zur Gesundheitskonferenz: Im Prinzip keine üble Idee – das gebe ich zu –, aber was sind da für Worte gefallen – nicht vom Herrn Staatssekretär, aber von seinen geladenen Gästen? – Machen wir doch eine Basis-Versicherung! – Die Basis-Grundversorgung der Kranken wird der öffentliche Bereich behalten, alles andere, was teurer, spezifischer, spezieller, risikobehafteter ist, zahlt sich der Patient in Zukunft selbst – keine Zwei-Klassen-Medizin, oder täusche ich mich?

Risikoprofile und risikoadaptierte Prämien in den Kassenversicherungen sollten geschaffen werden. Was heißt das? – Das Risiko ist Armut, das Risiko ist geringere Bildung, und – was ich kürzlich gelesen habe; von Bischöfen sehr fleißig zitiert – "mangelnder Glaube verzögert Heilungen". Wollen Sie jetzt herumschnüffeln, wer gläubig ist, wer katholisch ist, wer es nicht


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