Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 79

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Die Vertreter der europäischen Parlamente haben sich in ihrem Appell darauf konzentriert, in jenen Ländern, wo heute noch die Todesstrafe praktiziert wird und wo sie noch nicht ausgesetzt ist – und das ist eine unheimlich große Zahl –, die Abschaffung der Todesstrafe zu erreichen. Aus europäischer Sicht hat man vielleicht ein bisschen ein anderes Bild, denn wir kämpfen im Europarat sehr darum, dass in den wenigen Ländern in Europa, in denen die Todesstrafe noch nicht völlig abgeschafft ist, dies in absehbarer Zeit auch geschieht.

Ich meine, der prominenteste Fall in diesem Zusammenhang ist wohl die Türkei. In der Türkei ist die Todesstrafe weiter aufrecht. Die Türkei ist sich der Tatsache, dass jede Annäherung an die Europäische Union absolut an eine Änderung dieses Zustandes und an die Bedingung, die Todesstrafe abzuschaffen, gebunden ist, voll bewusst. Ich habe in dieser Woche in der Zeitung gelesen, dass es dort im Parlament jetzt auch eine Initiative zur Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten gibt.

Man muss nämlich wissen, dass da eine wesentliche Unterscheidung getroffen wird und dass es beispielsweise – nur ein Fall – in Griechenland, einem EU-Mitgliedstaat, zwar keine Todesstrafe für Verbrechen gibt, aber die Todesstrafe für besondere Verbrechen in Kriegszeiten noch geltendes Recht ist.

Wenn wir als Europäer uns immer als die absoluten Vorreiter der Zivilisation sehen, ist das auch nur bedingt zulässig. Nichtsdestotrotz ist die Tatsache bestürzend, dass es – im November ist die Wahl in den USA – vielleicht in ein paar Monaten, sollte George Bush jun. sich durchsetzen, dort einen Präsidenten geben wird, der die Todesstrafe befürwortet.

Erst kürzlich gab es eine Exekution in einem höchst umstrittenen Fall. Da wurde jemand hingerichtet, obwohl es nur eine einzige Belastungszeugin gab und der Hingerichtete bis zuletzt seine Unschuld beteuerte. Alle, die sich ein bisschen mit Todesstrafe beschäftigen, wissen, dass es in der Regel – und die Ausnahmen bestätigen die Regel – so ist, dass Menschen, die tatsächlich exekutiert werden, dann, wenn sie schuldig sind, ganz zuletzt diese Schuld auch einbekennen. Das ist wissenschaftlich begleitet und erforscht. Und Gary Graham hat bis zuletzt auf seiner Unschuld beharrt und diese beteuert. Ich habe das jetzt nicht mehr ganz in Erinnerung, was seine letzten Worte waren, aber sie bezogen sich darauf, dass er jetzt umgebracht wird.

George Bush jun. hat sich "swift and just" zum Leitmotiv seiner Politik bezüglich Todesstrafe gemacht. Das heißt, schnell und gerecht will er vorgehen. Und er hat wahrlich alle Rekorde, die es in den USA gibt, gebrochen. In den fünfeinhalb Jahren, seit er Gouverneur von Texas ist, hat er 135 Todesurteile zugelassen. 133 Männer und 2 Frauen sind George Bush – ich sage es ganz drastisch – zum Opfer gefallen.

Natürlich ist es nicht zulässig, jetzt das eine System mit einem anderen zu vergleichen. Ähnlich, wie es in den USA auch ein anderes Verhältnis zur Waffe gibt, gibt es dort noch immer 73 Prozent Zustimmung zur Todesstrafe. Aber diese Zustimmung bröckelt. Die bröckelt, je mehr sich internationale Organisationen, aber vor allem auch nichtstaatliche internationale Organisationen mit diesem Thema beschäftigen.

Dann gibt es auch andere Beispiele, nicht nur Texas und George Bush jun., sondern auch jene, die jetzt Moratorien ausgerufen haben, wie beispielsweise der Gouverneur von Illinois, nachdem zutage gekommen ist, dass von 22 zum Tode Verurteilten 14 wieder freigelassen werden mussten, weil sich in einem ordentlichen Verfahren – "ordentlich" in dem Sinn, dass alle Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden – herausgestellt hat, dass es ganz massive Verfahrensfehler gegeben hat.

Es trifft dort – das hat, glaube ich, Kollege Posch vorhin schon angesprochen – vor allem Minderheiten, seien es Schwarze, seien es Angehörige anderer ethnischer Minderheiten, seien es einfach Menschen, die nicht über die nötigen Mittel verfügen. Die Berichte, die es über die Rechtsanwälte und über die Verteidigung dort gibt, sind haarsträubend. Der Gouverneur von Illinois hat die Todesstrafe daher ausgesetzt, er hat einen, wenn Sie so wollen, Hinrichtungsstopp verfügt, nachdem diese Tatsachen ans Tageslicht gekommen sind.


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