Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 68

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Temelin ist eine Frage der demokratiepolitischen Standards und auch eine Frage der guten Nachbarschaft, denn wenn wir etwa den Tschechen – ich stehe dazu, ich bekenne mich dazu – Mitspracherechte auf unserer Seite der Grenze für eine Mülldeponie oder irgendetwas anderes einräumen, dann fordern wir, wie ich glaube, zu Recht – das ist nicht unbillig –, dass auch die Tschechische Republik das einhält, wozu sie sich in der Beitrittspartnerschaft zur Europäischen Union verpflichtet hat, nämlich die internationale Übereinkunft über die Abhaltung von Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht nur zu unterschreiben, sondern auch vom Parlament ratifizieren zu lassen. Und das, was hier gemacht wird, ist nicht richtig! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Tschechische Republik hat zwar unterschrieben, aber offensichtlich wartet man im tschechischen Parlament darauf, bis Temelin in Betrieb ist, und ratifiziert erst dann. Und dazu sage ich ganz offen, liebe Österreicherinnen und Österreicher, die auch der heutigen Sitzung via Fernsehen zuhören, das ist kein österreichisches Hobby, sondern da geht es um die Einhaltung guter Nachbarschaftsspielregeln und um die Einhaltung der internationalen Glaubwürdigkeit eines Landes. Und diesbezüglich werden wir nicht weich werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Temelin ist auch eine Frage der Wettbewerbsstandards. Daher möchte ich zu Ihrem Vorschlag, Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen, sehr offen etwas sagen: Der Vorschlag, zahlen wir den Tschechen oder anderen quasi ein Ersatzkraftwerk, ist nicht neu. Diesen Vorschlag haben Franz Vranitzky und ich schon einmal gemacht, und zwar der damaligen Tschechoslowakischen Republik. Der Vorschlag ist abgelehnt worden, man bestand auf Temelin. Heute – ich sage das auch sehr deutlich dazu – macht dieser Vorschlag deswegen keinen Sinn mehr, weil jeder Energiepolitiker Ihnen bestätigen wird, dass wahrscheinlich ein Großteil des in Temelin erzeugten Stroms gar nicht für den tschechischen Markt, sondern für den Export bestimmt ist. Und da, muss ich ganz ehrlich sagen, fehlt mir das Verständnis und fehlt sicher auch der Bevölkerung das Verständnis dafür, Milliarden dafür zu zahlen, dass dann zu Dumpingpreisen Strom in die Europäische Union exportiert werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wäre auch eine sehr bemerkenswerte Meinungsänderung der grünen Fraktion, die immer sehr kritisch diesem damaligen Vorschlag gegenübergestanden ist, quasi kalorische Kraftwerke – ein Gaskraftwerk ist ein kalorisches Kraftwerk – mit womöglich internationalem, aber auch österreichischem Geld zu bauen. Klüger wäre es doch, in Energiesparmaßnahmen zu investieren. Das ist ein Punkt, über den man jederzeit reden kann, da sind wir bereit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke daher sehr für die Unterstützung des Hohen Hauses für diese klare Linie Österreichs gegenüber der Europäischen Union, denn ich habe das Thema Temelin und die Wettbewerbsstandards bei meinem Besuch bei der Europäischen Kommission gegenüber dem Präsidenten Romano Prodi thematisiert und auch vom zuständigen Kommissar Verständnis dafür bekommen. Wir haben die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere Bundeskanzler Schröder und Umweltminister Trittin, eingeschaltet, wir haben auf bilateraler Ebene Ministerpräsidenten Zeman, Außenminister Kavan und Umweltminister Kuzvart angeschrieben und angesprochen, und Bundespräsident Klestil hat auch den Tschechischen Präsidenten Havel eingeschaltet.

Ich möchte hier ganz deutlich sagen, wir wollen nicht, dass Temelin ohne eine ordentliche, international abgeklärte Umweltverträglichkeitsprüfung in den Probebetrieb und ans Netz geht und dass dann möglicherweise der Strom ohne Rücksicht auf die Wettbewerbsregeln exportiert wird. Wir wollen die höchstmöglichen Standards nicht nur für uns, sondern für ganz Mitteleuropa und für die Bevölkerung haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein letzter Satz zu diesem Thema: Ich versuche gerade gegenüber den Nachbarstaaten immer die Sprachwahl sehr ruhig und nicht emotional zu halten, aber eines möchte ich mit großer Entschiedenheit zurückweisen, nämlich den Vorwurf, die Österreicher oder die Oberösterreichische Landesregierung oder die österreichischen Bundespolitiker seien hysterisch. – Meine Damen und Herren! Uns treibt Sorge, manche sogar Angst, aber sicher nicht Hysterie. Ich möchte gegenüber dem Nachbarn etwas mehr Respekt vor den Sorgen der Menschen einfordern. Ich


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