Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 59

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ort" mit dem schönen Titel "Das Land soll leben" nimmt dieser Sektor, der gerade noch 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes darstellt, wirklich mit großem Abstand den meisten Raum ein.

Alle anderen Maßnahmen, die ich übrigens auch nicht gerade als Kernfragen der Standortpolitik anführen würde, kommen im Gegensatz dazu nur in Form von sehr allgemein gehaltenen Überschriften vor. Diese Einschätzung spiegelt sich natürlich auch im Budget wider. Wie üblich ist die Landwirtschaft die einzige Gruppe, die dem radikalen Sparstift der Regierung völlig unbeschadet entkommen ist.

Abgesehen von der Agrarpolitik ist uns ursprünglich ja auch noch die Senkung der Lohnnebenkosten als wichtigstes Instrument der Standortpolitik angekündigt worden. Diese Maßnahme musste in der Zwischenzeit dem alles überstrahlenden Ziel des Nulldefizits geopfert werden. Ich will damit gar nicht sagen, dass ich dieser Maßnahme jetzt besonders nachweine, denn entscheidend für die Produktivität einer Wirtschaft und damit für die Wettbewerbsfähigkeit ist bekanntlich nicht die Höhe der Lohnnebenkosten, sondern die Lohnstückkosten. Und diesbezüglich liegen wir, wie Sie, Herr Minister Bartenstein, schon in Ihrer Presseaussendung ausgeführt haben, ohnehin absolut im internationalen Spitzenfeld.

Das heißt, es bleibt neben der Agrarpolitik auch noch die Privatisierungsoffensive als Instrument der Standortpolitik zu bewerten. In diesem Zusammenhang, Herr Minister Bartenstein, können Sie mir vielleicht noch einmal erklären, welche industriepolitische Strategie wirklich dahinter steckt, wenn man die Aktien eines Unternehmens unter schlechtesten Bedingungen auf den Markt wirft.

Insbesondere nach den wenig erfreulichen Erfahrungen der letzten Privatisierungsrunde in der vergangenen Woche gebe ich jedenfalls die Hoffnung nicht auf, dass wir das Konzept der Sozialdemokraten, nämlich das Konzept, strategisches Eigentum als industriepolitisches Instrument zu fördern, vorurteilsfrei auch mit Ihnen, Herr Minister Bartenstein, als zuständigen Minister für Industriepolitik noch diskutieren können. Es würde uns jedenfalls sehr freuen.

Leider ist mit den zusammenschmelzenden Privatisierungserlösen auch die letzte Chance auf eine echte Technologieoffensive dahin, denn wo die vielen Milliarden Schilling, die notwendig sein werden, um das sehr ambitionierte und vollmundig angekündigte Ziel einer Verdoppelung der F&E-Quote bis zum Jahre 2005 zu erreichen, herkommen sollen, das hat uns bisher jedenfalls niemand beantworten können.

Die bisherigen Leistungen in der Technologiepolitik lassen sich jedenfalls schon sehr plakativ an der nicht gestiegenen, sondern leider mittlerweile bereits gesunkenen F&E-Quote ablesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Argumentation der Regierung richtig verstanden habe, dann ist ohnehin die eigentlich wirklich zentrale Maßnahme für den Wirtschaftsstandort Österreich die Erreichung des Nulldefizits. Damit soll offenbar automatisch der Wirtschaftsstandort gefördert, Beschäftigung geschaffen und die Zukunft gesichert werden. Bisher hat uns diese Strategie leider eine Erhöhung der Inflationsrate gebracht, ein Rekordergebnis bei der Abgabenquote und eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Unter offensiver Standortpolitik, Herr Minister Bartenstein, verstehe ich tatsächlich etwas anderes. Wir erleben gerade eine sehr dynamische Umbruchphase in der Wirtschaft und damit auch in der Gesellschaft. Der Hauptfaktor, auf den diese Entwicklung setzt, ist das Humankapital. Das heißt, die Investitionsentscheidungen einer modernen Standortpolitik müssten lauten: Ausbildungsoffensive, Investitionen in Universitäten und Forschung, keine virtuelle, sondern eine wirkliche Technologieoffensive und insbesondere – das ist mir ein besonderes Anliegen – eine aktive und offensive Europapolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt also, Ziel einer nachhaltigen und modernen Standortpolitik muss es sein, ein stabiles offenes Land mit hoher Lebensqualität, hohem Ausbildungsniveau und hoher internationaler Reputation zu schaffen. Und gemessen an diesen Herausforderungen, Herr Minister Barten


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