Aber auch in der Sache selbst mangelt es durchaus an Klarheit, vor allem wenn es um die Auseinandersetzung mit dem neuen Koalitionspartner geht. Deshalb ist es so wichtig, dass man die Glaubwürdigkeit auch an dem diagnostiziert, wie das vergangene Verhalten war.
Wie ist es denn jetzt mit der EU-Osterweiterung? – Wir können uns darauf verständigen, dass, wenn das, was der Gewerkschaftsbund fordert, eingehalten wird, die Osterweiterung lange dauern wird. Das ist einfach ein praktischer Befund der ökonomischen Daten. Wenn das zur Bedingung erhoben wird, dann würde ich Ihnen durchaus Recht geben. Aber das ist nicht mein Problem, sondern es ist Ihr Problem, weil Sie einen Koalitionspartner haben, der in dieser Frage ein ganz anderes Spiel spielt.
Sie wissen ganz genau, was die freiheitliche Fraktion in Fragen der EU-Osterweiterung treibt. Dazu finden Sie kein Wort. Da zeigen Sie lieber mit dem Finger auf die linke Seite dieses Hauses, und das finde ich ein bisschen eigen. Sie sollten endlich, da Sie jetzt den Anspruch erheben, der Erste in dieser Regierungsmannschaft zu sein oder sein zu wollen, auch entsprechend vorgehen. In der alten Regierung haben Sie sich hinstellen und sagen können: Wir sind die Zweiten, hin und wieder muss man aus der Koalition austreten und Neuwahlen ansetzen, wenn gerade die Umfragen passen. Es ist halt einmal schief gegangen, und das zweite Mal ist mit einem falschen Wahlversprechen sozusagen der Hintereingang in die Regierung gefunden worden. Ich will aber nicht das behaupten, was Gusenbauer gesagt hat, das mache ich selbstverständlich nicht. Ich bin auch nicht seiner Meinung. Aber dass Sie unter dem mehrfachen Bruch von Wahlversprechen in diese Regierung geklettert sind, das ist auch evident, ist aber in einer Demokratie legitim. Die Wähler und Wählerinnen sollen sich ihren Teil denken. (Beifall bei den Grünen.)
Aber was ist jetzt mit der Osterweiterung? – Wir können es mit einem weiteren Beispiel dafür belegen, dass Sie sich von den Freiheitlichen in die Enge zwingen lassen, Herr Minister, und zwar ist das in der Frage der sehr beschränkten zusätzlichen Beschäftigung von qualifizierten ausländischen Fachkräften. Wir wissen ganz genau, welche Positionen Sie und der Wirtschaftsbund dazu vertreten haben. Wer aber setzt sich durch? – Das ist mit freiem Auge erkennbar: Ohne großen Aufwand, nur mit dem üblichen Gegröle, das eine besondere Allianz von Wirtschaftsfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit ausweist, schaffte es: die freiheitliche Fraktion!
Dieser Politik beugen Sie sich in dieser Koalition. Und angesichts dessen stellen Sie sich her und reden von Deregulierung, von der Osterweiterung und den schönen Werten, die in Ihre Philosophie passen? – Das ist unglaubwürdig! (Beifall bei den Grünen.)
Zu einem anderen Bereich würde ich noch gerne – wir haben uns heute auf sehr knappe Redezeiten beschränkt, das wird Sie wahrscheinlich freuen – eine Grundsatzfrage aufwerfen, Herr Minister, die Sie hoffentlich auch noch beantworten werden. Wir waren in letzter Zeit mehrmals gemeinsam bei diversen Privatisierungsdebatten – unter anderem steht auch die Änderung der Ladenöffnungszeiten Ihrer Meinung nach an.
Sie haben es nicht nur einmal, aber einmal ganz klar mit folgender Formulierung auf Ihren Punkt gebracht: Deregulierung ist ein Wert per se. – Es stimmt mich nachdenklich, dass man das schon losgelöst von allem Möglichen in den Raum stellt: Deregulierung ist ein Wert per se. Dazu passt Kollege Stummvoll mit seiner gebetsmühlenartigen Aufzählung von Werten, die offensichtlich von der ÖVP im Bereich der Wirtschaftspolitik vertreten werden sollen.
Ich behaupte, das ist ein völliger Unsinn. Abgekoppelt von irgendetwas ist nichts ein Wert per se, und vor allem gerade in diesem Bereich nicht. (Abg. Dr. Fekter: Bildung schon!) Es gibt viele Bereiche der Wirtschaftspolitik, die in der heutigen Zeit Probleme machen. Ich spreche den Umweltbereich, aber auch den Energiebereich und die Konzentrationstendenzen in diversen Branchen an: Da gibt es ein eklatantes Marktversagen. Sie kennen das. Wir brauchen uns diesbezüglich nicht gegenseitig die Wirtschaftslehrbücher vorzutragen. Aber in diesem Fall wäre selbst für einen gestandenen Marktwirtschaftler die logische Konsequenz, dass es in eben diesen Bereichen allein schon deshalb einen starken Staat braucht, weil sonst die Marktwirtschaft gar nicht in der ihr angedichteten Effizienz arbeiten könnte.