Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 76

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da muss man sich auch nicht komisch, selbstironisch über das "Wir" lustig machen. Die Partner, die den Vertrag unterschrieben haben, sind das "Wir"! Es ist schon relativ wortklauberisch, wenn Sie sagen: Ich will auch fixiert haben, dass die Lehrer nicht wie Santa Claus über den Rauchfang einsteigen, sondern auch durch die Haupteingangstür die Schule betreten.

Irgendwie kommt mir das so vor: Wenn Sie schon gar nichts mehr finden, dann üben Sie eben ein bisschen Sprachkritik. Einverstanden – aber dann bleiben wir bei der Sprachkritik! (Abg. Öllinger: Nein, nein, Ideologiekritik! Das ist reine Ideologie!)

Ich sage Ihnen auch etwas aus der Position und aus der Perspektive der Erziehungswissenschaft: Ja, es stimmt, die Schulpartner sind nicht in allen Belangen, in allen Relationen, in allen prinzipiellen Kooperationen gleichberechtigt. (Abg. Öllinger: Erzählen Sie uns lieber etwas über die Peer-Group! Sie lügen sich ja selbst in die Tasche!) Gleichberechtigt sind sie nicht, weil etwa das Lehrer/Schüler-Verhältnis ein Verhältnis ist zwischen zwei Personen, von denen der eine, der Lehrer, in vielen Belangen einen Vorsprung gegenüber dem Schüler hat. Der Schüler wiederum ist geschützt durch den Jugendschutz und andere pädagogische Prinzipien und hat so einen besonderen Spielraum.

Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, denn sonst müsste ich Sie fragen, ob die von Ihnen zitierte schwarze Pädagogik das Ergebnis der 68er-Pädagogik ist! Das, glaube ich, wäre ein schlechter Erfolg. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch zu wissen, worin das Problem liegt, das Kollege Antoni mit den Erziehungsverträgen und mit dem neuen Aushandeln hat: Eine grundsätzlich zentralistische Ideologie hat Angst vor dem, was vielleicht am Ort als individuelle Qualität entsteht. Aber ich glaube, hinter diese Qualität, hinter diese Autonomie können wir nicht mehr zurück. (Abg. Dr. Antoni: Nicht wir, sondern Sie verhindern diese Mitbestimmung!) Und noch ein Problem hat er damit. Ich habe dir genau zugehört, lieber Dieter, du hast gesagt, es ginge um Konfliktvermeidung. Und darin liegt ein Missverständnis. Ich kann Konflikten nicht davonlaufen, ich kann vor Konflikten nicht die Augen verschließen. Viele schulpolitische Fehlentscheidungen sind entstanden – ich erwähne nur das große Stichwort "Integration", Ausländer-Zuzug vor 15, 20 Jahren in Wien –, indem man Konflikte, mögliche Konflikte nicht gesehen hat, Konflikte nicht antizipiert hat und sie vermeiden wollte, statt sie zu lösen. Der springende Punkt ist: Konfliktlösung statt Konfliktvermeidung im Sinne von Davonlaufen.

Wenn Sie, geschätzte Damen und Herren, die Unterrichtsqualitätsstudie gelesen haben, dann haben Sie auch gemerkt, wie wichtig diese neuen Räume zur Erziehungsvereinbarung sind, weil in diesem ungeregelten, grundsätzlich definierten, offenen Bereich – ihm wurde bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet – die Arbeitsbelastung der Lehrer gesehen wird. Die Lehrer sagen nämlich nicht, im Volumen, in der Zeit, in der Fülle der Belastung liege die besondere Erschwernis, sondern in der Kompensation gesellschaftlicher Missstände und im Umgang mit schwierigen und verhaltensauffälligen Kindern und darin, für die Bewältigung keine Instrumente, keine Möglichkeiten, keine Grundlagen zu haben; das belaste sie ganz besonders.

Ich meine abschließend, dass das Aushandeln, das Verhandeln zur vom Kollegen Schweitzer zitierten Entfaltungsethik gehört, als Äquivalent gewissermaßen. Entfaltungsethik braucht keine zentralistischen Vorgaben, sondern Orientierungen und den Modus des Aushandelns. Darin ist die Grundlage für das Aushandeln zu sehen, und ich meine, dass darin so etwas wie eine Schlüsselqualifikation der Zukunft liegt.

Dem Herrn Kollegen Öllinger schlage ich vor, in seinen erziehungswissenschaftlichen Mußestunden "Neue Mythen in der Pädagogik" zu lesen, denn da wird aufgeräumt mit dem, wonach er Sehnsucht hat.

Ich meine, dass wir mit diesen Erziehungsverträgen eine Grundlage schaffen, dass wir wie bei jeder guten Politik die Entwicklung, die Praxis auch evaluieren müssen, aber damit eher der Sache dienen werden, als wenn wir die Augen davor verschließen. Die Schule ist der Ort für Unterricht und Erziehung, und dafür wird nun eine neue Grundlage geschaffen. Wir haben das


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