Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 143

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Begriff oder die Definition des Immunitätsrechts und -anspruchs neu zu überdenken und neu zu hinterfragen, und zwar im Hinblick auf zivilrechtliche Belange. Einige der Vorfälle in den letzten Monaten machen diese Diskussion durchaus notwendig, auch im Hinblick auf eine Streitwertbegrenzung, denn Abgeordnete sind im Regelfall wirtschaftlich nicht in der Lage, einer finanziell potenten Gruppe gegenüber kritisch aufzutreten, wenn diese es nicht will. Daher finde ich es für notwendig und gut, dass wir uns damit beschäftigen, aber auch mit der Definition des politischen Zusammenhangs unser aller Tätigkeit, denn auch darüber hat es in den letzten Monaten Diskussionen gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können dabei auch auf die exzellenten Ergebnisse einer Veranstaltung, die der damalige Zweite Präsident des Nationalrates, Dr. Heinrich Neisser, hier im Hohen Haus durchgeführt hat, zurückgreifen. Ich bin überzeugt davon, dass einige dieser Ergebnisse durchaus in die zukünftigen Überlegungen Eingang finden und eingearbeitet werden.

Neben den bereits angesprochenen Dingen darf ich noch auf zwei oder drei weitere Punkte hinweisen.

In diesem Verfahren zum vorliegenden Auslieferungsbegehren des Kollegen Pilz, aber auch in einigen anderen Fällen ist es in den letzten Monaten dazu gekommen, dass Gerichte mit Verfahren bereits begonnen hatten, ohne abzuwarten, wie der Nationalrat das jeweilige Auslieferungsbegehren behandelt, ja dass sie noch nicht einmal Begehren abgegeben hatten und die Verfahren trotzdem bereits eingeleitet wurden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, dort fehlt ein wenig die Sensibilität im Umgang mit derartigen Verfahren. Auch das wird ein Punkt sein, den wir zu behandeln haben werden. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Khol.  – Abg. Dr. Mertel  – in Richtung des Redners –: Lass dich nicht beeinflussen! Rede, so lange ...!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt auch noch einen anderen Fall aus den letzten Monaten, der in dieser Neudimensionierung oder Neudefinition des Begriffes "Immunität" und in der Handhabung im Immunitätsausschuss zu bedenken sein wird. Dies ist beispielsweise der Fall des Kollegen Keppelmüller, der in einer Pressekonferenz Auszüge aus dem Stenographischen Protokoll – nämlich seine Rede – zur Verteilung gebracht hatte, woraufhin der Oberste Gerichtshof plötzlich feststellte: Es handelt sich hiebei um keine Berichterstattung, denn zur eigenen Person kann man eigentlich nicht berichten.

Als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich mir gedacht: Das gibt es eigentlich nicht! Jetzt, nach längerem Nachdenken und nach der Feststellung, dass es das tatsächlich gibt, fällt mir eigentlich nur ein Wort ein, das die Italiener in einem solchen Fall verwenden. Sie würden dazu "stupido" sagen. – Ich glaube, im österreichischen Parlament darf ich dieses Wort durchaus verwenden. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns mit Immunitätsfällen beschäftigen, so ist eben gewisse Sensibilität erforderlich, habe ich vorhin gemeint. Diese Sensibilität ist aber meiner Ansicht nach nicht nur für die Abgeordneten dieses Hauses notwendig und zu berücksichtigen, sondern sie geht weit darüber hinaus. Diese Sensibilität geht mir – auch angesichts der Debatte am gestrigen Nachmittag – durchaus auch von dieser Regierung für solche Themen ab.

Gerade vor diesem Hintergrund und gerade in Zeiten wie diesen ist es, glaube ich, notwendig, Schutzmechanismen und Schutzfaktoren nicht nur für Abgeordnete und nicht nur für Journalisten zur Verfügung zu haben, sondern auch Schutzfaktoren und -mechanismen insgesamt für die Demokratie in Österreich.

Daher darf ich auch im Zusammenhang mit der heutigen Debatte das Ersuchen, nein, die Aufforderung an den Herrn Justizminister richten, diese Sensibilität auch bei der Novellierung der strafrechtlichen Vorverfahren an den Tag zu legen. Diese Sensibilität ist nicht nur für dieses Kollegialorgan notwendig, sondern auch für alle Berufsgruppen, die in solche Situationen kommen können. Es soll ja in dieser Republik in Zukunft nicht so sein, dass Abgeordnete dieses Hauses – nach dem Wunsch des Kärntner Landeshauptmannes, mit vorerst geäußerter Zustim


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