Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 76. Sitzung / Seite 64

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nicht zu, dass sie sich selbstverständlich als Teil der ArbeiterInnenbewegung verstehen und Funktionen in der Selbstverwaltung ausüben, während Sie sich mit der größten Selbstverständlichkeit in der Lage sehen, Ihre verschiedenen Funktionen "unparteiisch, objektiv, frei und über jeden Zweifel erhaben" auszuüben?

Ein Pharmaindustrieller in der Regierung? – No problem! Ein Papierindustrieller da oben am Präsidium und in der Industriellenvereinigung? – No problem! All das scheint für Sie zu gehen. Das sind aber keine Zwerge, die sich da vielleicht in ihren kleinen Köpfen verirren und verwirren könnten, wen und was sie denn da vertreten. Die scheinen das zu können, bei denen ist klar: Sie haben ihren Hintergrund, sie haben ihren Beruf, und diesen bringen sie auch in ihre politische Funktion ein. (Abg. Dr. Pumberger: Wollen Sie ein Berufsverbot?)

Auf der anderen Seite jedoch ist das für Sie ganz suspekt! – Und dieses unterschiedliche Maß und die Tatsache, dass ein und dasselbe Regierungsmitglied die Gesetzesaufsicht für beide Bereiche hat, nämlich ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, reicht an Willkür und Verfassungswidrigkeit heran. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Wirtschaftsminister, hinsichtlich der zahlenmäßigen Repräsentanz sagten Sie vorhin: Die ArbeitgeberInnen zahlen ja ihre Beiträge! – Ja, zahlen sie, klar, aber es gibt ein Prinzip im Bereich des Wahlrechts, und zwar in Österreich seit dem Jahre 1907, und das heißt: gleiches Wahlrecht. Das war ein langer, ein mühsamer Prozess, und dieser reicht zurück bis in die frühen Demokratien, bis in die Antike hinein, als dieses Wahlrecht nicht gleich war, als man gesagt hat: Na ja, mitreden sollen sie schon alle irgendwie können, die Zwerge und die mit dem großen Kopf, aber: Gleich soll das nicht sein!

In der Antike war es so, dass die Berittenen, die Schwerbewaffneten mehr zu sagen hatten als das Fußvolk, das mit Pfeil, Bogen oder Speer dahergekommen ist. Und wenn die ersten Gremien abgestimmt haben – die ersten Kurien also –, dann war das Votum der Kleinen, war das Votum der Zwerge Wurscht (Abg. Jung: Sie täuschen sich!), denn das Wahlrecht der Großen da oben hatte mehr Gewicht – und die anderen haben sich auf den Kopf stellen können, denn die Entscheidung war eben schon gefällt.

In Österreich hatten wir ein solches Kurien-Wahlrecht bis 1907, bei dem es eben auf die Höhe der Steuerleistung ankam: Wenn einmal die Großgrundbesitzer, wenn die Industriellen, wenn die mit dem vielen Geld abgestimmt haben, dann haben die Millionen anderer ruhig kommen können, denn das war ja dann Wurscht; deren Zahl war unwesentlich. (Abg. Dr. Krüger: Klassenkampf ist das!) – Dieses gleiche Wahlrecht wird in einem Zwischenruf als "Klassenkampf" bezeichnet. Ich danke für diese Klarstellung Ihres Demokratieverständnisses! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Mertel  – in Richtung des Abg. Dr. Krüger –: Der Jaguar-Fahrer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich danke für diese Klarstellung! Genau das ist Ihr Demokratieverständnis! Wer den Industriebetrieb, wer das große Geld hinter sich hat, braucht auch mehr Einfluss, das ist doch klar! – Das lehnen wir ab, ebenso jene zahlreichen Menschen, die gestern auf der Ringstraße beziehungsweise auf dem Ballhausplatz waren. Es werden immer mehr werden, und sie werden Ihnen sagen, dass sie sehr wohl auch etwas mitzureden, dass sie sehr wohl auch mitzubestimmen haben, auch wenn sie keine dicken Geldbeutel haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Achatz: Sie betreiben Klassenkampf!)

Das, was Sie beschließen werden, soll eine Stärkung der Versicherten sein? – Das ist eine Abstufung der Bedeutung nach den Gremien, nach den "Kurien". Und so steht es auch drinnen, ist schwarz auf weiß nachzulesen. Es kommt nämlich nicht auf die Zahl der Versicherten an – noch so viele "Zwerge" können da nichts ausmachen –, sondern es kommt auf den Querschnitt der Gruppen an.

Das heißt also, der Mensch zählt nicht mehr als solcher, sondern es zählen die Gruppen. Und dort ergibt sich, dass in einem Gremium von 14 Mitgliedern "natürlich" und ganz "zufällig" die ÖVP, die nicht einmal die Hälfte des Staatsvolkes, nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung oder


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