Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 39

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Es hat sich gezeigt, dass es für Frieden und Stabilität politische, wirtschaftliche und soziale Grundvoraussetzungen geben muss, und es gibt wahrscheinlich keinen Teil der Erde, in dem so nachhaltig diese Voraussetzungen geschaffen wurden wie in Europa seit 1945. Und wenn nun die seit 1989 offen stehende Chance, dass wir diese Friedenserfahrung auf Mittel- und Osteuropa erweitern können, wahrgenommen wird, dann, glaube ich, leisten wir tatsächlich einen Beitrag, den geographischen und regionalen Spielraum für Aktivitäten der Destabilisierung einzugrenzen. Daher ist die Erweiterung der Europäischen Union auch ein Beitrag dazu, den Manövrierraum für subnationale, für terroristische und für nationalistische Kräfte einzuschränken, und daher ist auch vom Sicherheitsaspekt her die Erweiterung von ganz entscheidender Bedeutung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir diese institutionellen Voraussetzungen schaffen, sollten wir gleichzeitig nicht leugnen, dass es eine Reihe noch ungelöster Probleme in den Verhandlungen gibt, eine Reihe ungelöster Probleme, die bis zum Verhandlungsabschluss befriedigend gelöst werden müssen.

In diesem Zusammenhang ist natürlich für die österreichische Bevölkerung von ganz erheblicher Bedeutung, wie die Zukunft des Kernkraftwerks Temelin aussieht und ob die österreichische Bundesregierung imstande war oder ist, über den Melker Prozess all jene Bedingungen zu erfüllen, die der österreichische Nationalrat in einem gemeinsamen Entschließungsantrag festgelegt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in dieser Frage sind wir Sozialdemokraten dafür, dass nicht mit gezinkten Karten gespielt wird, sondern dass das österreichische Parlament und die österreichische Bevölkerung ein uneingeschränktes Recht darauf haben, zu wissen: Gibt es verbindliche Vereinbarungen mit Tschechien in Bezug auf Temelin? Gibt es einen Abschluss des Melker Prozesses? Und: Sind die Sicherheitsvoraussetzungen, die die österreichische Bevölkerung will, in Bezug auf das Kernkraftwerk Temelin erfüllt?

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute die Möglichkeit, das Hohe Haus über Ihre Verhandlungsergebnisse zu informieren, denn die österreichische Bevölkerung möchte Sicherheit in dieser Frage haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Zuge der Verhandlungen nach dem 11. September auch darauf geeinigt, einen Nationalen Sicherheitsrat einzusetzen, einen Nationalen Sicherheitsrat, der dazu dienen soll, dass die Koordination zwischen den einzelnen Teilen der Regierung und dem Parlament verbessert wird und ein höchstmögliches Ausmaß erreicht. Wir haben uns zu diesem Nationalen Sicherheitsrat entschlossen, weil er eine Plattform dafür bieten soll, Fragen von außenpolitischem und sicherheitspolitischem Interesse gemeinsam zu diskutieren und zu erarbeiten.

Ich halte eine solche gemeinsame Plattform über die Parteigrenzen hinweg für eine sehr, sehr wichtige Einrichtung, aber ich bin der Auffassung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass das, wenn wir uns zur Einrichtung eines solchen Sicherheitsrates entschließen, auch wirksam werden soll. Und wenn wir im Zuge der Debatte über den 11. September darüber gesprochen haben, dass wir eine außenpolitische Strategie in Bezug auf den Nahen und Mittleren Osten brauchen, ich bei der letzten Plenardebatte darauf hingewiesen habe, dass jetzt eine ähnliche Chance wie nach 1945 besteht, so etwas wie einen Powell-Plan für den Nahen Osten zu inszenieren, wenn der Herr Bundeskanzler von einem Marshall-Plan für die Region gesprochen hat, dann, glaube ich, ist es doch das Mindeste, wenn man sich zu dieser Gemeinsamkeit entschließt, dass es im Rahmen der vielfältigen Reisen, die jetzt in diese Region unternommen werden – sei es von der Außenministerin, vom Bundeskanzler, vom Bundespräsidenten, vom Verteidigungsminister oder von anderen Regierungsmitgliedern –, ein gemeinsames außenpolitisches Konzept für den Nahen und Mittleren Osten gibt und dass nicht der Herr Bundespräsident über die Aktivitäten der Bundesregierung aus den Zeitungen erfahren muss. Meine Damen und Herren! Ein solches Konzept wäre dringend notwendig gewesen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite