Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 44

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Da kann es dann auch noch verschiedene Auffassungen geben, da werden Wissenschafterinnen und Wissenschafter ein Wort mitzureden haben, aber Sie müssten zumindest erklären, von welchen Annahmen Sie ausgehen. Sie müssen die Fragen beantworten: Welche Gruppen sind die betroffenen, und wie wirkt es sich bei ihnen aus? Wie wirkt es sich aus auf eine Familie mit drei Kindern, die studieren, wenn jetzt pro Kind und Semester 5 000 S an Studiengebühren anfallen? Wie wirkt es sich aus auf Leute, die eine Unfallrente beziehen, wenn diese Rente besteuert wird? – Sie können zu dem Schluss kommen, dass es vielleicht verkraftet werden kann, aber es wird im Rahmen einer Sozialverträglichkeitsprüfung auch herauskommen, dass es einige – nicht die Reichsten in dieser Gesellschaft – wahrscheinlich überproportional trifft. Daher ist diese Sozialverträglichkeitsprüfung meiner Meinung nach viel wichtiger als die Maastricht-Kriterien. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Punkt im Text des Volksbegehrens hat mich besonders beeindruckt, nämlich dass bei der Sozialverträglichkeitsprüfung ein besonderer Passus vorkommt, und zwar ein Passus betreffend die Auswirkungen auf Frauen und Männer. Es stimmt – und ich stehe nicht an, das zu sagen, und deswegen gibt es ja das Volksbegehren –, dass es in Österreich noch besser ist als in etlichen anderen Staaten. In Großbritannien ist im sozialen Bereich eine Kaputtspar-Politik betrieben worden. Es müssen mittlerweile Menschen aus Großbritannien, die dringend Operationen brauchen, in andere europäische Länder kommen – auch nach Österreich, und ich bedanke mich dafür, dass das möglich ist –, um sich lebensrettenden Operationen zu unterziehen. – Also das sollte kein Vorbild sein: die Nichtabsicherung sozialer Rechte in Großbritannien! (Abg. Dr. Krüger: Dort sind die Sozialdemokraten in der Regierung!)

Meine Frage ist: Wie wirkt es zum Beispiel auf Frauen? – Das ist ein Punkt, an dem sich diese Bundesregierung trotz einer bestehenden Verpflichtung auf europäischer Ebene immer wieder vorbeischwindelt. Es gab zwar schon zweimal eine Beschlussfassung im Ministerrat, dass es das Gender Mainstreaming zu passieren hat, hätte, sollte, nur geschieht es nicht. Ich lese immer wieder die Vorblätter zu den Gesetzesvorhaben, aber da steht nichts darüber, ob es sich auf Frauen und Männer unterschiedlich auswirkt und wie. Durchschnittswerte sagen nichts darüber aus, wie es einer Alleinerzieherin geht, wie sich diese vielleicht "durchwurstelt" und wie diese ganz anders von einer bestimmten Maßnahme getroffen wird als vielleicht jemand, der satte Rücklagen bilden konnte. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Letztes zur öffentlich-rechtlichen Sicherung der wesentlichen Punkte des Sozialstaates: Auch da hätte ich mir eine differenziertere Auseinandersetzung erwartet.

Na selbstverständlich, Herr Abgeordneter Spindelegger, soll und wird es möglich sein, auch privat Vorsorge zu treffen. Darüber reden wir nicht, sondern wir reden darüber, ob es nicht einen Kernbestand geben sollte, der eine öffentliche Aufgabe sein soll. Da erinnere ich Sie: Es gibt in Österreich keinen Mindestsockel, was den Lohn betrifft, keinen Mindestsockel, was die Arbeitslosenunterstützung und was die Notstandshilfe betrifft.

Es gibt Menschen, die beispielsweise deswegen, weil sie älter werden, weil sie nicht mehr ganz gesund sind, in eine Spirale kommen, wo sie immer tiefer sinken. Da geht es um Mindestsicherungen! Es geht auch darum, dass eine Mindestpension für alle Menschen nicht vom Dow Jones oder vom Nasdaq abhängen darf. Das darf nicht sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Von dieser Mindestpension muss Mann oder Frau auch leben können – nicht irgendwie dahinvegetieren, sondern leben können! Wir wissen, dass im Alter die Aufwendungen in der Regel eher steigen, und daher sollten wir darüber reden, ob es als ersten Schritt in Richtung einer allgemeinen Grundsicherung nicht wenigstens eine Mindestpension – eine echte Mindestpension! – geben soll und nicht nur Ausgleichszulagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen, da die Redezeit bereits abgelaufen ist.)


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