Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 89. Sitzung / Seite 143

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auch immer der Reflex auf: All das ist deshalb so, weil wir die Gesamtschule nicht ha­ben.

Der Anteil der getesteten Schüler mit nicht deutscher Muttersprache betrug vor vier Jahren in Österreich 6,7 Prozent, bei der aktuellen Untersuchung waren es schon 9 Prozent, also um fast ein Drittel mehr. In Finnland waren es konstant nur 1,8 Prozent, die nicht mit der Unterrichtssprache aufgewachsen waren. Sprachkenntnisse sind ein Erfolgsfaktor bei PISA!

Und ich denke, dass man das auch einmal ganz klar sehen muss, auch wenn es einem vielleicht nicht so gut gefällt: Die multikulturelle Schule ist gescheitert, und zwar nicht nur im Hinblick auf jene, die auf Grund ihrer mangelnden Kenntnisse der Unterrichts­sprache Bildung nicht erwerben können. Vielmehr kann in einer Schule – und diese 39 Prozent in Wien in der Gesamtschule Volksschule sind ja nur ein Durchschnitt –, in der über 90 Prozent Kinder mit nicht deutscher Muttersprache und noch dazu mit ver­schiedenen Muttersprachen sitzen, einfach nicht unterrichtet werden. Dabei leiden na­türlich nicht nur jene, die dem Unterricht nicht folgen können, sondern auch jene, die ihm folgen könnten. Niemand kann dabei etwas lernen!

Wenn PISA ein Grundwissen abgefragt und verlangt hat, dass dieses dann zu Lösun­gen verknüpft werden soll, dann sollte man das auch bei einer korrekten Analyse so halten und diese Einstellung einnehmen.

Wo hat es denn am meisten gekrankt? – Bei der Lesekompetenz. Ich betone jetzt ganz klar: Geprüft wurde der Jahrgang 1987. Dieser Jahrgang war 1993 in der ersten Klasse Volksschule und 1994 in der zweiten Klasse. Am Ende der zweiten Klasse sollte sinn­erfassendes Lesen beherrscht werden. Damals war Scholten Unterrichtsminister.

Wenn Sie jetzt den Vorwurf machen, die Frau Ministerin hätte das reparieren müssen, dann sage ich Ihnen: Ganz offenbar war in der vorigen Phase unter einer sozialdemo­kratischen Ministerschaft die Volksschule so schlecht konstituiert, dass dort Schüler aufsteigen konnten, die nicht lesen konnten.

Eine andere Grundtatsache ist: Die AHS schneiden sehr gut ab beziehungsweise lie­gen durchaus im Durchschnitt. Beschämend schlecht schneiden die polytechnischen Lehrgänge und die Berufsschulen ab. Das würde mich jetzt wirklich bekümmern! Da würde ich eine soziale Diskriminierung sehen, aber nicht in der Tatsache, dass wir kei­ne Gesamtschule haben! (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.)

Wer geht denn gerade in Wien in die polytechnischen Schulen? – Jene, die vorher das Lesen nicht erlernt haben! Und wenn ich dann in Wien eine regelrechte Flucht aus den öffentlichen Schulen feststelle, dann bekümmert mich das wirklich, und ich denke, Sie als Sozialdemokraten sollte es auch bekümmern, wenn sozusagen ein verlorener Rest, von dem wir wollen, dass er der Facharbeiter der Zukunft ist, zu 20 Prozent nicht ein­mal schriftlichen Empfehlungen folgen kann.

Ich meine, dass die Vorschläge, die von Ihnen kommen, wirklich „eingefrorene Post­horntöne“ sind. Das hören wir seit Jahrzehnten! Ich sage dazu, dass die Inhalte in der Schule ohnehin immer mehr in Ihre Richtung gehen. In meiner Schulzeit musste man wiederholen, weil es unmöglich war, mit einem Nicht genügend aufzusteigen. Das war in guten Schulen schlechterdings unmöglich, jetzt ist das aber alles möglich. Es geht also ohnehin in Ihre Richtung, und es wird eigentlich schlechter und nicht besser!

Wenn Sie, Herr Vorsitzender, sagen: Diese Schulpolitik ist von vorgestern!, dann halte ich dennoch fest: Vorgestern konnte man nach dem Besuch einer öffentlichen Schule in Österreich zumindest lesen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


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