Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 55

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Viele Lehrerkollegen klagen über die Kontaktarmut zwischen Elternhaus und Schule. Oft wird das Kind abgegeben. Der einzige Kontakt wird am Elternsprechtag nolens volens gepflogen. Aber Schule lebt davon, dass Eltern und Lehrer miteinander in Kontakt bleiben und auch über die Befindlichkeit im Elternhaus sprechen. Ich wünsche mir, dass die Lehrer ihre Freiräume im pädagogischen und erzieherischen Wirken noch mehr nützen als bisher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die Politik Vorschriften gemacht, die Schule hat sie umgesetzt, und die Aufsichtsbehörde hat kontrolliert. Es ist ein anderes Denken eingekehrt.

Frau Bundesministerin! Gestern hat Dr. Van der Bellen hier die Schwarte der europäi­schen Verfassung gezeigt. Das ist die Schwarte des Schulunterrichtsgesetzes (der Redner zeigt sie), worin wir den inneren Schulbetrieb in Österreich regeln. Wir haben zugegebenermaßen die Detailverliebtheit überbordet. Vieles davon unterliegt jetzt nicht mehr der Zweidrittelmehrheit, und ich wundere mich, dass Kollege Brosz so locker über die Rechtsstaatlichkeit und die Aufbauprinzipien unserer Verfassung hinweggeht. Wollen Sie denn wirklich hier im Hohen Haus auch Lehrplaninhalte diskutieren? Das ist wohl Sache der Verordnung und einer langen Diskussion von ExpertInnen und Schul­praktikerInnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin, ich rege an, dass du eine Arbeitsgruppe einrichtest, die versucht, neben dem Wegfall der Zweidrittelmehrheit und der vielen Hemmnisse, all das mit frischem Wind zu durchfluten, damit nämlich unserer Schule im inneren Betrieb nicht der Atem ausgeht. Wir brauchen diesen pädagogischen Freiraum, und ich denke, dass von Vertretern aller Parteien, aller wissenschaftlichen Kreise und auch von Schul­praktikern da gerne Hand angelegt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin genötigt, zu den Äußerungen des Kollegen Gusenbauer etwas zu sagen, weil es auch etwas mit politischer Bildung insgesamt zu tun hat. Ich bedanke mich natürlich für die Werbung dafür, dass der Herr Bundeskanzler am Vorabend des Nationalfeiertages auftreten wird. Ich glaube, dass es ein wichtiger und richtiger Anlass ist, den Spitzen­repräsentanten der Bundesregierung sich an die Bevölkerung wenden zu lassen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Sie werden ihm hoffentlich nicht verbieten wollen, dass er das nächste Mal in einer „Pressestunde“ auftritt.

Aber ich darf Sie daran erinnern – es dürfte Ihnen ein Herr Kalina nicht ganz unbekannt sein –, dass es noch im Jahre 1999 den „Politkrieg um die ,ZiB 1‘“ gegeben hat, wo Herr Kalina massiv interveniert hat, dass kanzlerkritische Passagen entfernt werden. Das ist auch eine Frage der politischen Bildung, wie ich auch der Ansicht bin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf eines noch hin­weisen zu dürfen, nämlich auf den Paragraphen, den ich voll unterstütze, den Zielpara­graphen:

„Jeder Jugendliche soll seiner Entwicklung und seinem Bildungsweg entsprechend zu selbstständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt werden, dem politischen, religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein ...“

Erinnern Sie sich an Ihre 1. Mai-Reden! Dem politischen Denken anderer aufgeschlos­sen sein – das wäre ein Beitrag von Erwachsenen und gerade von Politikern zur politi­schen Bildung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Er hat nicht einmal gewusst, wann der Nationalfeiertag ist, und jetzt redet er über poli­tische Bildung!)

11.22

 


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