Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 117. Sitzung / Seite 52

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Nachprüfung zu lernen, durchkommen werden. Dann schaffen wir das doch einfach ab, lassen wir sie aufsteigen! (Beifall bei den Grünen.)

Das Problem mit der Betreuung von Schulkindern gibt es nicht nur jetzt in den Ferien, das gibt es im ganzen Land immer wieder am Nachmittag. Daher ist diese von Ihnen so genannte Tagesbetreuung – ich nenne es die Nachmittagsbetreuung – heute auch ein Thema. Sie haben in diesem Zusammenhang einen ganz merkwürdigen Begriff verwendet und einen Unterschied zwischen freiwilliger und verpflichtender Betreuung gemacht. Sie sind für eine freiwillige Nachmittagsbetreuung im Unterschied zur ver­pflichtenden. Ich weiß nicht, ob Sie etwas falsch verstanden haben oder ich. (Abg. Scheibner: Im Zweifelsfall Sie!) Ich meine jedenfalls nicht, dass die Gemeinden freiwil­lig eine Nachmittagsbetreuung anbieten sollen, sondern ich bin der Meinung, dass die Gemeinden und die Schulen verpflichtend, und zwar mit einem Rechtsanspruch für die Eltern, eine Nachmittagsbetreuung offerieren sollen und dass Sie sie seitens des Bun­des entsprechend zu unterstützen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir aber nicht gemeint haben, ist, dass jedes Kind verpflichtend in der Nachmit­tagsbetreuung sein soll. Das soll sehr wohl eine freiwillige Möglichkeit sein, die Schul­kinder, die Eltern in Anspruch nehmen können, aber sie müssen eine garantierte Mög­lichkeit dafür haben und können nicht von irgendwelchen Bedarfserhebungen abhängig sein.

Lassen Sie mich ein Beispiel zu dem Thema Bedarfserhebung bringen, weil wir das aus der Kinderbetreuung für jüngere Kinder schon hinreichend kennen. Bei Ihren Bedarfserhebungen kommt dann immer heraus, dass es entweder österreichweit oder in der kleinsten Gemeinde angeblich keinen Bedarf gibt. Nehmen wir die Gemeinde Wulkaprodersdorf in Burgenland, die ich kenne. Dort sollte ein Kinderhort errichtet werden, und es gab vorher eine Bedarfserhebung. Das ergab natürlich das übliche Problem. Die Leute, die Kinder in dem Alter hatten, haben sich bereits organisieren müssen, also ergab die Bedarfserhebung, dass es zwei Kinder gibt, die einen Bedarf hätten. Man hat es aber trotzdem gemacht.

Zwei Jahre später, als der Hort fertig war, stellte sich heraus, dass 20 Kinder Bedarf hatten und er seither immer voll ist. – So viel zum Thema Bedarfserhebungen.

Drücken Sie sich nicht vor der Verantwortung, schieben Sie nicht Kinder in irgend­welche Familien ab, in denen sie angeblich mitbetreut werden, aber keine ordentliche, pädagogisch wertvolle Betreuung haben, und zum Mittagessen ins Gasthaus ab! Stel­len Sie eine qualitativ hochwertige Betreuung flächendeckend in Österreich zur Verfü­gung! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie meinen, es reicht für die österreichischen Kinder und Jugendlichen, wenn man irgendeine provisorische Lösung vorschlägt, die die Gemeinden vielleicht nicht umset­zen. Sollen sie in das Wirtshaus Mittag essen gehen, sollen sie, wenn es in der Schule keine Nachmittagsbetreuung gibt, irgendwohin gehen, wo nicht einmal gewährleistet ist, dass sie in Ruhe ihre Hausaufgaben machen können! – Das stelle ich mir nicht unter österreichischer Bildungspolitik vor. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein letzter Punkt, der mir gerade deswegen auf der Seele liegt, weil wir jetzt Ferien haben, in denen einige Schüler und Schülerinnen für Nachprüfungen lernen müssen, und weil es auch während des Schuljahres immer ein leidiges Thema ist: die Nachhilfe. In Wirklichkeit bauen Sie mit Ihrer Bildungspolitik ein System, bei dem Sie sich darauf verlassen, dass die Eltern – im Regelfall die Mütter – zu Hause mit den Kinder lernen und das ganze Jahr hindurch zusätzlich noch privat teure Nachhilfestunden zahlen, weil Sie nicht gewillt sind, den Schülerinnen und Schülern in der Schule die notwendige Förderung zukommen zu lassen. Geben Sie den Schulen in Österreich endlich die


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