Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / Seite 27

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wieder absehen. Das geht so nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Frau Bundesministerin Haubner, Sie werden mir nicht böse sein ob meines Verlangens nach Weglassen des Begriffs „Zukunft“ in Ihrem Parteinamen, wenn ich mich jetzt ausschließlich mit den Beiträgen der ÖVP auseinander setze. Nach dieser vorigen Bierzeltrede muss man wieder einmal wissen, worum es jetzt eigentlich geht.

Herr Mitterlehner von der ÖVP und der Wirtschaftskammer hat gesagt, dass die Globalisierung von den Menschen nicht als Chance begriffen wird, sondern nur als Problem gesehen wird, und hat das bedauert. – Das mag man bedauern, vor allem aus Ihrer Sicht. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Bitte schön, Herr Kollege Scheibner! Jedenfalls dürfen Sie sich nicht wundern, dass es so ist. Sie dürfen sich aber deshalb nicht wundern, weil Sie selbst ja schon Opfer Ihrer eigenen Parolen werden. Sie sagten nämlich gleich anschließend: Sozial sei – und da braucht man wirklich den Konjunktiv, dass man das über die Lippen bringt (Abg. Mag. Regler: Was Arbeit schafft!) –, nicht nur was Arbeit schafft, sondern Sie versteigen sich jetzt schon dazu zu sagen, aus­schließlich sei sozial, was Arbeit schafft. Und das ist einfach ein Unsinn in dieser Form. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir wissen doch ganz genau, wie die Entwicklung in den letzten Jahren verlaufen ist. Wir haben das in den Achtzigern, Neunzigern schon in dem von Ihnen offensichtlich zum Vorbild erhobenen amerikanischen Wirtschaftsmodell gesehen: dass wir zwar in der Job-Statistik plötzlich irgendwo erkennen, dass die Arbeitslosigkeit wegbricht, aber gleichzeitig zur Kenntnis nehmen müssen, dass immer mehr Leute, anstatt ins Kran­kenhaus zu kommen, im Straßengraben übernachten müssen, wenn sie ein Problem haben, weil nämlich die Löhne nicht mehr ausreichen, dass sich die Leute die sozialen Mindeststandards leisten können.

Das kann doch nicht sein (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), dass alles sozial ist, was auf Grund einer Deregulierungsorgie dann gerade noch ein Job wird. Das ist doch der völlig falsche Weg, jedenfalls für Europa. Und dann wundern Sie sich, dass die Leute – berechtigt, wie wir meinen – Sorge haben vor dieser Entwicklung.

Jetzt gebe ich Ihnen natürlich Recht – nur verstehe ich nicht ganz, wieso es hier einen Anlauf zum Aufklärungsunterricht gebraucht hat –, dass nur das verteilt werden kann, was vorher erwirtschaftet worden ist. Da haben Sie vollkommen Recht, da gibt es keine Diskrepanz, weil das logisch, in sich richtig ist!

Jetzt kann man aber auch der Meinung sein – offensichtlich ist es diese Hälfte des Hauses (in Richtung SPÖ und Grüne), jedenfalls aber die Grünen –, dass soziale Mindeststandards oder überhaupt gerade in Zentraleuropa oder in Nordeuropa, wie sich herausgestellt hat, auch bestimmte soziale Niveaus auf besserer Ebene nicht bloß schön sind, weil es den Leuten besser geht, sondern auch eine Voraussetzung sind für bessere Produktionsbedingungen, dass bestimmte ökologische Mindeststandards nicht nur irgendwie ein Nutzen für die zukünftige Generation sind, sondern auch eine Voraussetzung für ein bestimmtes Wirtschaftsmodell, das etwas erreichen, erzeugen kann, was man nachher verteilt.

Das ist, glaube ich, nach wie vor das, was am europäischen Wirtschafts- und Sozial­modell verteidigenswert wäre oder ist – da muss ich wieder den Konjunktiv ver­wenden –, weil sich natürlich schon längst viele als Verkleidungskünstler betätigen, sich in Wahrheit in ihrer wirklichen Politik den „Pyjama der Deregulierung“ angezogen haben, überall dort, wo sie können, an den Hebeln drehen und am Vormittag – so wie jetzt, manche in Bierzeltstimmung, manche meinen es offensichtlich ernst – herum­gehen und im schönen Anzug verkünden: diese Linie, diese soziale Sicherung! – Das ist doch alles unglaubwürdig!

 


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