Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 92

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grüne Fraktion unterstützt den Antrag, heute das Verfassungspaket auf die Tagesord­nung zu nehmen, um es zuerst einmal diskutieren und dann in den Ausschuss rückver­weisen zu können. Wir begründen das damit, dass es, glaube ich, einzigartig in der Geschichte dieses Hauses ist, dass mit einer Verfassungsnovelle dermaßen schäbig umgegangen worden ist. Mit „schäbig“ meine ich: gegenüber dem Parlament, gegen­über den betroffenen Gruppen und gegenüber der Bundesverfassung. – Eine einzig­artige Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen.)

Es gab einmal eine Partei in der Opposition, die hatte, glaube ich, 36 Prozent, und der Klubobmann und der Parteichef dieser Partei haben immer betont: Wir haben gelernt in der Opposition! Es ist wichtig, dass die von Gesetzen und von der Verfassung Betroffe­nen die Möglichkeit haben, ihre Meinung abzugeben, eine Stellungnahme abzugeben, dass sie in den Gesetzwerdungsprozess auch eingebunden werden! – Das war einmal. Das war einmal fast märchenhaft. Mittlerweile hat diese Oppositionspartei das verges­sen und ist in der Regierung und macht es ärger als jemals zuvor! Das ist so, wie wenn sich Max und Moritz gemeinsam über die Bundesverfassung hermachen: Max, die ÖVP, und Moritz, die SPÖ.

Im Sommer geht ein großes Paket für acht Wochen in Begutachtung. Die Bundeslän­der, die Höchstgerichte, alle betroffenen Stellen schreiben Stellungnahmen, schauen sich das genau an, diskutieren, bringen sich ein. – Dieses Paket verschwindet, ver­schwindet irgendwohin – ich weiß nicht, wohin. Stattdessen wird überfallsartig in einem Ministerrat etwas völlig Neues vorgelegt, das selbst die Minister nur 24 Stunden vorher gesehen haben und das massiv in die rechtsstaatlichen Prinzipien der österreichischen Bundesverfassung eingreift.

Dann kommt der Ausschuss. Am Freitag in der Nacht kommt ein großes Paket noch zusätzlich in den Ausschuss, das die vierfache Menge der ursprünglichen Novelle um­fasst. Ich betone: die vierfache Menge! Glauben Sie tatsächlich, dass das dem demo­kratischen Prinzip, nämlich dass die Abgeordneten in diesem Haus überhaupt wissen, worüber sie abstimmen, noch in irgendeiner Weise gerecht wird? – geschweige denn, dass die Betroffenen auch nur die geringste Chance haben, zu sagen: Entschuldigung, auf diesen Punkt wurde vergessen, das ist nicht ausgewogen, das ist aus bestimmten Gesichtspunkten falsch!

Nein, das Kalkül ist klar: Mit dieser überfallsartigen Novellierung der Bundesverfas­sung, wie Sie sie jetzt offensichtlich durch die Bank vorhaben, haben Sie ein ganz of­fensichtliches Kalkül, nämlich die Kritik der betroffenen Öffentlichkeit, die Kritik der Menschen, die damit dann arbeiten müssen, im Keim zu ersticken, ihr gar keine Chan­ce zu geben, in irgendeiner Form Öffentlichkeit zu erlangen. Und dass dieser Weg ge­wählt wird, beschreibt einmal mehr, wie schludrig, wie schlampig und wie verantwor­tungslos Sie mit den wichtigsten Spielregeln, nämlich mit unserer Bundesverfassung, umgehen. Und ich denke, der einzig gangbare Weg ist es, heute dieses Verfassungs­paket erstmals zu diskutieren und dann an den Ausschuss zurückzuverweisen.

Doch es kommt noch ärger, Sie haben heute noch Weiteres vor: Sie wollen jetzt über­haupt ohne Ausschüsse Gesetze beschließen. Sie wollen heute einen Fristsetzungsan­trag zum Sicherheitspolizeigesetz, auch eine sehr sensible Materie, einbringen – ohne Ausschuss, weil es Max und Moritz, die beiden, die sich über die Bundesverfassung hermachen, seit Jänner nicht geschafft haben, einen Ausschusstermin zustande zu bringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Unglaublich! Unfassbar ist das! – Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Es gab einen Ausschusstermin, dann haben Sie sich wieder so ge­stritten, und der Termin wurde wieder gecancelt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Parnigoni), und jetzt wollen Sie ohne Befassung im Ausschuss ein Gesetz einfach durch diesen Nationalrat peitschen.

 


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