Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung / Seite 82

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

so abscheulich und unglaublich, dass es bis vor kurzem für die Menschen in Österreich und offensichtlich auch für die Menschen rund um die Familie F. nahezu unvorstellbar war.

Es fällt mir schwer, ja es ist mir nahezu unmöglich, in diesem Zusammenhang das Wort „Familie“ zu gebrauchen. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.) Familie als der Ort, wo Kinder zu Hause sind, wo Kinder Liebe und Geborgenheit erfahren und erlernen sollen, Familie als der Ort, wo Elisabeth F. und ihre Kinder Gewalt, Terror, Missbrauch, entsetzliches Leid erfahren mussten, der Ort, wo Elisabeth F.s Mutter, die Ehefrau von Josef F., offensichtlich von Druck und Terror des autoritären Patriarchen so einge­schüchtert war, dass sie 24 Jahre lange das Doppelleben ihres Mannes, das er in unmittelbarer Nähe führte, nach bisherigem Wissen offensichtlich nicht durchschaute, dass sie weder Bauarbeiten noch Nahrungsversorgung der Gefangenen bemerkte oder hinterfragte, ja dass ihr auch der sexuelle Missbrauch, den Josef F. ab dem 11. Lebensjahr seiner Tochter an Elisabeth beging, verborgen blieb.

Die Schwester der Ehefrau hat es in einem Interview in einem einzigen Satz zusam­mengefasst: Alle haben sich vor ihm gefürchtet.

Wenn zu hoffen bleibt, dass die Dimension dieses abscheulichen Verbrechens tat­sächlich ein Einzelfall ist, so ist doch Gewalt, psychischer Terror, Missbrauch in viel zu vielen österreichischen Familien leider immer noch anzutreffen – in manchen gelegent­lich, in anderen oft täglich. Viel zu oft gibt es Beobachter oder gar Mitwisser, die dazu schweigen.

Gewalt – in welcher Form auch immer – ist und darf kein Kavaliersdelikt sein und werden. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Gewalt ist und darf nicht Privatsache der Betroffenen bleiben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Toleranz von Gewalt – in welcher Form auch immer – ist Wegbereiterin für derartige Verbrechen wie dem in Amstetten. Daher kann unser Ziel nur sein: Null Toleranz gegenüber Gewalt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das heißt aber auch, dass wir alle nicht wegschauen dürfen, in der eigenen Familie ebenso wenig wie im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, im Kindergarten und in der Schule. 95 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen und Kinder, die unseren Schutz und unsere Hilfe brauchen, die unsere Stimme brauchen, weil sie selbst verstummt sind, weil sie hilflos und wehrlos sind, die unsere Hilfe brauchen in der Stärkung der eigenen Persönlichkeit und für den Weg aus einem gewalttätigen Umfeld.

Die Interventionsstellen gegen Gewalt, die seit 1999 vom Frauenministerium und vom Innenministerium finanziert werden, leisten dabei wichtige Arbeit sowohl in der direkten Hilfe für Betroffene, wie zum Beispiel durch einen Rechtsbeistand, psychologische Betreuung oder Hilfe beim Aufbau einer eigenständigen neuen Existenz, als auch bei der Weiterentwicklung von Gesetzen und Gewaltschutzmaßnahmen.

Ich bin sehr dankbar für die gesetzlichen Maßnahmen, die der Ministerrat heute beschlossen hat. Die Notwendigkeit einer Sexualstraftäterdatei, wie sie Bundesminister Platter schon vor einiger Zeit vorgeschlagen hat, wurde durch den Fall F. auf drama­tische Weise bestätigt. Er hat auf furchtbare Weise gezeigt, wie unauffällig für seine gesamte Umgebung, ja sogar für kontrollierende Behörden ein Vergewaltiger seine Verbrechen fortsetzen kann. Wir brauchen eine derartige Datei zum Schutz potentieller Opfer. Wir brauchen die Verlängerung der Tilgungsfristen und keine Tilgung bei schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Wir brauchen – wie auch Klubobmann Schüssel gesagt hat – eine Verlängerung der Verjährungsfristen, weil Opfer oft viele Jahre sprachlos bleiben.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite