Stellungnahme einer Grundschullehrerin einer  OVS aus Wien 22;

Ich bin Volksschullehrerin mit Leib und Seele und habe schon drei Schulsysteme durchlaufen. Halbtagsschulen mit externem, naheliegendem Hort, Ganztagsschule (verschränkte Form), wo die Kinder bis 15.30 verpflichtend Unterricht haben und bis 17.30 von BetreuerInnen beschäftigt werden. Im Moment bin ich beim Konzept der offenen Volksschule angelangt, wo die Vormittagskinder zu Mittag von den Eltern abgeholt werden können, oder gegen Bezahlung den Kindern Mittagessen, Freizeitangebote und eine Lernstunde – Hausübungsstunde am Nachmittag angeboten wird.

Leider wird der Öffentlichkeit nicht der Unterschied zwischen offener Schulform und verschränkter Betreuungsform angeboten. Die meisten Eltern wissen nicht, dass es da einen Unterschied gibt. Ich habe selbst beobachtet, dass die Verhaltensauffälligkeiten von Kindern, die sich in einer offenen Betreuungsform befinden, sich nicht so aggressiv äußern, wie bei Kindern, die in der verschlossenen Ganztagesbetreuungsform untergebracht sind. Während meiner Unterrichtszeit dort musste ich mit ansehen, wie Kinder mit Scheren auf andere Kinder losgingen, Holztische zerkratzten, andere Kinder massiv bedrohten, oder verletzten. Nicht selten endete ein Wutanfall eines Kindes mit einem Rettungseinsatz, oder die Kinder mussten vor Ort (in der Schule) von der Rettung medikamentös ruhig gestellt werden. Nur mit Hilfe externer, anfangs stationärer, dann ambulanter Betreuung und mit Hilfe eines übernatürlichen Engagements der Lehrkräfte, Eltern und Ärzte konnten diese Kinder „resozialisiert“ werden.

Die eben genannten Fälle waren in einer Integrationsklasse untergebracht, an der ich unterrichtete und wurden anfänglich als Kinder eingestuft, die nach dem Volksschullehrplan unterrichtet werden sollten. Das heißt, diese Kinder, die die meisten Verhaltensauffälligkeiten zeigten, waren nicht die „Integrationskinder“, sondern mehrere anfänglich als „normal“ beschulbar geltende Kinder.

Das heißt in dieser Klasse befanden sich fünf Integrationskinder (die meisten mit Lernschwierigkeiten, ein – von Triesomie 21 betroffenes Kind, sowie ein Kind, das den Entwicklungsstatus eines Kleinkindes hatte (das zeigte auch das für 3 Jährige typische Trotzverhalten, warf sich des Öfteren auf den Boden…)

Schon das Trisomie 21 Kind forderte unsere gesamte Aufmerksamkeit. Es war sehr stur, war leicht zu frustrieren und brauchte beinahe eine Betreuungsperson für sich.

 

Sicht der Dinge der Organisation „Down Syndrom Österreich“

 Alle Recht auf inklusive Nachmittagsbetreuung in der Sekundarstufe

Das Schulpaket soll um ein gesetzlich verankertes und durchsetzbares Recht auf Nachmittags- und

Ferienbetreuung erweitert werden. Jedes Kind soll am Schulstandort auch am Nachmittag einen

Platz bekommen, der dem Grundsatz von Inklusion entspricht. Entsprechende Rahmenbedingungen

müssen bereitgestellt werden, um eine inklusive Haltung aller Beteiligten zu ermöglichen.

Lage derzeit: Selbst wenn die Inklusion am Vormittag gut gelingt, so gibt es dann am Nachmittag ein

"großes Loch". Entweder gibt es gar kein Angebot, oder Kinder werden „exkludiert“ und mit einem

Fahrtendienst weggebracht. Was würden Eltern von Kindern ohne Behinderung sagen, wenn man

deren Kinder untertags „zwangsverschiebt“?

 

Inklusion braucht mehr Ressourcen

Vor allem im städtischen Bereich gibt es derzeit enorme zusätzliche Belastungen für Lehrerinnen und

Lehrer (Stichwort: Flüchtlingskinder). Das längst beschlossene Konzept zur Inklusion kann nur

gelingen, wenn es in den Regelklassen mehr Ressourcen für die Betreuung von Kindern mit einer IB

gibt. Der Anspruch von ca. 5h Förderung /pro Kind pro Woche ist (wohl für alle nachvollziehbar) viel

zu gering. Es werden dringend mehr bezahlte Fachkräfte gebraucht!

 

Schulautonomie nicht zu Lasten der Kinder mit Behinderungen

Die organisatorische Neustrukturierung in Form von Bildungsdirektionen darf nicht dazu führen, dass

Kinder mit Behinderungen an den Rand gedrängt werden. Es muss gewährleistet sein, dass die

Bildungsdirektionen weiterhin solche Schulplätze ermöglichen, die von den Eltern - nach

entsprechender Beratung - beantragt werden. Es darf nicht der Fall eintreten, dass die Eltern künftig

als Bittsteller selber von einer autonomen Schule zur nächsten autonomen Schule weitergeschickt

werden. Die Eltern brauchen eine klardefinierte zentrale Kontaktstelle, die bei der Schulauswahl kompetent berät und danach auch den Schulplatz sicherstellen kann. (Down-Syndrom Österreich (DSÖ) Fadingerstraße 15 5020 Salzburg)

 

Erst mit zahlreicher Unterstützung vieler Organisationen gelang es uns (11/2 Klassenlehrern und der Sonderschullehrerin) die Klasse in den Griff zu bekommen und den Kindern die elementaren Werte, sowie Allgemeinwissen und die Kernkompetenzen, die ein/e  Volksschüler/In braucht, zu vermitteln. 

 

Sonderpädagogik

Zu Z 29 (II. Hauptstück Teil A Z 3 lit. c, § 27a Zentrum für Inklusiv-und Sonderpädagogik):

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen die Zentren für Inklusiv-und Sonderpädagogik aufgelöst und deren Aufgaben

unmittelbar von den Bildungsdirektionen wahrgenommen werden. Die SchulleiterInnen befürchten mit der Besetzung der Bildungsdirektion eine Verlagerung - weg von Pädagogik, hin zu juristischen, verbeamteten Entscheidungen.

Der sonderpädagogische Förderbedarf soll abgeschafft werden. Das bewährte System unter Einbindung des schulpsychologischen Dienstes und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, Kindern mit besonderen Bedürfnissen Unterstützung angedeihen zu lassen, wird nicht mehr existieren.

Es wird ein qualitativ hochwertiges Supportsytem abgeschafft und hoch qualifizierte SonderpädagogInnen sollen durch billige Assistenzkräfte („Hilfslehrer“) ersetzt werden.

Sowohl Erziehungsberechtigte, als auch LehrerInnen und SchulleiterInnen verlieren dadurch ihre fachlich hochkompetenten AnsprechpartnerInnen in der Region. Leidtragende sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, da die derzeit individuell abgestimmte Beschulung und Betreuung verloren gehen.

Diese qualitative Verschlechterung für die SchülerInnen kann nicht unterstützt werden.

Ich lehne die Auflösung der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik ab und kann mir als Volksschullehrerin nicht vorstellen, wohin ich mich zukünftig wenden soll, bei all den verhaltensoriginellen, lernschwachen Kindern und Kindern mit sprachlichen, sozialen und emotionalen Defiziten, die wir zu betreuen haben.

Angesichts dessen ist der allgemeine Teil meines Anliegens an Sie nur verständlich.

 

Hier eine Kostenaufstellung:

Allgemeines

Österreichs Schulwesen ist massiv unterfinanziert. Innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten wurde der Anteil des Brutto -Inlandsprodukts, der dem Schulwesen zur Verfügung steht, drastisch, nämlich von 4,3 % auf 3,2%, gekürzt. Im selben Zeitraum wurde in den Niederlanden, dem oft zitierten Vorzeigeland für Schulautonomie, der BIP-Anteil von 3,1% auf 3,8% erhöht. Damit Österreichs Schulwesen über Ressourcen verfügt, die dem OECD -Mittelwert  (3,8 %) entsprechen, müssten ihm jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Dieses Volumen würde den Bewegungsspielraum schaffen, den Schulen brauchen, um Autonomie leben zu können.

 

Zudem sollen die Kopierer an vielen Volksschulen auf Grund zu hoher Wartungskosten eingespart werden und durch Mutlifunktionsgeräte ersetzt werden. Nicht genug damit, dass wir LehrerInnen uns das Papier selbst bezahlen müssen, sowie vom Warenkorb für den Papierbedarf, sowie die Tintenpatrone eines Mutlifunktionsgerätes - vom Stadtschulrat aufoktruiert -  finanzielle Mittel abgezweigt werden.

 

Ganztägige Schulformen

Die in § 5 Abs. 6 Schulzeitgesetz vorgesehene Änderung (Unterrichts - und Lernzeiten an Freitagen sowie an einem weiteren Wochentag nur bis 13 Uhr) bewirkt, dass Unterstufenklassen an anderen Tagen 8 Stunden Unterricht haben und

an diesen Tagen keine Freizeit bleibt, was zu einer erheblichen Mehrbelastung für die SchülerInnen führt. Dadurch wird auch die Möglichkeit zur Teilnahme an Unverbindlichen Übungen stark eingeschränkt. Grundsätzlich hält der ZA AHS es für geradezu skurril, derart einschränkende Bestimmungen in ein „Autonomiepaket“ aufzunehmen. Der ZA AHS fordert daher, diese einschränkende Bestimmung zu streichen oder „13.00 Uhr“ durch„14.00Uhr“ zu ersetzen.

Außerdem weist der ZA AHS darauf hin, dass jede Form der Regelschule kostenfrei zu sein hat. (2/SN-299/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) 3 von 4www.parlament.gv.at)

 

Schulautonomie

- § 9 Abs. 2, …der für Schulen mit Klassenlehrersystem eine Kontinuität des Klassenlehrers über die vier Stufen der Grundschule vorsieht erscheint pädagogisch überholt und kann in die autonome Entscheidung am Standort übertragen werden.

Wir begrüßen grundsätzlich den Spielraum der schulautonomen Entscheidung, jedoch stellt sich gerade für 6 bis 10 jährige SchülerInnen, die kontinuierliche Betreuung über vier Schulstufen durch eine/n KlassenlehrerIn unverändert in hohem Maße pädagogisch relevant dar.

 

Schulversuche:

Schulversuche entstehen in den Klassen, an den einzelnen Schulstandorten. Eine ministerielle Anordnung vonSchulversuchen „Top-down“ ist abzulehnen.

Freiheit zu pädagogischer Gestaltung ist nun zwar schulautonom leichter möglich jedoch ohne zusätzliche Ressourcen. Pädagogische Entwicklung kann nie kostenneutral sein.

Die derzeit für Schulversuche zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel müssen auch weiterhin direkt an den Schulen für Unterricht und Pädagogik zweckgebunden sein.

Für autonome Entwicklungen benötigt es auch autonome Ressourcenspielräume. Laut Gesetzesentwurf sind Schulversuche nur mehr in der Dauer der Schulform plus zwei Jahre möglich, dieser Zeitraum ist deutlich zu kurz.

19/SN-299/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) 1 von 5

www.parlament.gv.at, STEUERUNGSGRUPPE der ganztägigen Wiener VolksschuldirektorInnen Wien, am Mittwoch , 5. April 2017

 

Schulcluster, Schulleitung

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf wird die Möglichkeit zur Bildung von Schulclustern

eröffnet. Ob diese Option im ländlichen Raum zur Erhaltung von Kleinschulen sinnvoll ist, 19/SN-299/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version)3 von 5www.parlament.gv.at

 

STEUERUNGSGRUPPE der ganztägigen Wiener VolksschuldirektorInnen Wien, am Mittwoch , 5. April20174entzieht sich unserer Beurteilung. Für den städtischen Raum, insbesondere den Raum Wien, erscheint die Bildung von Schulclustern in höchstem Maße ungeeignet.

 

Eine zusätzliche Verwaltungsebene wird eingezogen. Die Bereichsleitung an Schulstandorten steht im Dilemma, Führungsaufgaben zu übernehmen, aber selbst Teil des Lehrkörpers zu sein.

Die geplanten Aufgaben der Bereichsleitung reichen bei weitem nicht aus, um den täglichen Anforderungen an einem Schulstandort gerecht zu werden. Die im Alltag tatsächlich anfallendenAufgaben in wenigen Stunden pro Woche zu leisten,

ist nicht möglich.

Durch Einsparung von SchulleiterInnen administrative Hilfskräfte zu finanzieren, ist abzulehnen. Der wichtigen Funktion der SchulleiterInnen als kompetente Entscheidungsträger vor Ort, als Ansprechpartner für Erziehungsberechtigte und

SchülerInnen sowie als Support für Lehrkräfte wird im vorliegenden Gesetzesentwurf in keiner Weise Rechnung getragen.

Die Arbeit von SchulleiterInnen ist durch administrative Hilfskräfte nicht zu ersetzen. Jedoch benötigen SchulleiterInnen Unterstützung durch professionelle administrative Hilfskräfte, um sich zeitlich für fundamentale Aufgaben wie

Schulentwicklung und Qualitätssicherung frei zu spielen.

Die Tatsache, dass bereits heute viele Wiener Volksschulen von 300 bis 500 SchülerInnen besucht werden, und das durchaus mit der Schülerzahl eines Schulclusters vergleichbar wäre, sind einzelne Schulen in Hinsicht eineradministrativer Unterstützung schlechter gestellt.

Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz § 5a: (7)

Die Ausführungsgesetzgebung hat weiters vorzusehen, dass der Leiter oder die Leiterin des

Schulclusters im Rahmen der zugeteilten Personalressourcen administratives Personal zur

Unterstützung bei der Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben sowie weiters Bereichsleiter und

Bereichsleiterinnen zu bestellen hat.“

Die Schulleitung außerhalb eines Clusters kann auf diese Form von administrativer Unterstützung nicht zugreifen.

Eine Gleichstellung von SchulleiterInnen und ClusterleiterInnen ist notwendig.

Die Zuteilung einer administrativen Unterstützung hat sich prinzipiell nach der Anzahl der SchülerInnen, des Personals und dem Aufgabenumfang der Schulleitung zu richten und nicht nach der Organisationsform (Cluster, ...).

Unsere Forderung nach administrativem Personal für alle ganztägigen Schulformen bleibt aufrecht.

Änderung des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes § 26c:

(3) Die Bildungsdirektion hat dem Schulcluster für die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben...

Die administrativen Tätigkeiten ergeben sich nicht aus der Clusterleitung, sondern aus der LehrerInnen-

und SchülerInnenverwaltung und betreffen alle Schulen, nicht nur die Schulcluster.

Schulen von mehr als 200 SchülerInnen sind in Wien der Regelfall.

19/SN-299/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version)4 von 5www.parlament.gv.at

STEUERUNGSGRUPPE der ganztägigen Wiener VolksschuldirektorInnen Wien, am Mittwoch, 5. April2017 5

 

Auch dieser Punkt betrifft uns Lehrerschaft gewaltig. Momentan haben wir noch eine Schulleitung, die uns bei gesetzlichen Belangen, Problemfällen und fragen weiterhilft – worüber ich sehr froh bin. Wenn einmal mehrere Schulen zu Clustern zusammengefügt werden, scheint das Konzept so anonymisiert und universitätsgetreu abzulaufen. Dann ist man eine Nummer als Lehrkraft und wird mit sämtlichen Problemen den Schulalltag betreffend alleine gelassen.

 

Ressourcenzuteilung:

Die Zuteilung von LehrerInnenstunden für Zusatzangebote sind in der Gesetzesvorlage auf die Zahl der SchülerInnen, das Bildungsangebot, den sozio-ökonomischen Hintergrund, den Förderbedarf, den Gebrauch der Bildungssprache und

die regionalen Bedürfnisse beschränkt.

Dafür bedarf es einer klaren, transparenten Definition.

Wir fordern, dass die Ressourcenzuteilung sowohl nach den individuellen Bedürfnissen der SchülerInnen, als auch nach der Anzahl der Klassen(Kleinstklassen, basale Klassen, Förderklassen, ...)gewährleistet sein muss. Die Ressourcenzuteilung ausschließlich nach der Anzahl der SchülerInnen entspricht nicht den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder.

Die SchulleiterInnen befürchten mit der Besetzung des Präsidialabteilung durch Juristen und deren weitgehender Übernahme der Funktionen der Schulaufsicht eine Verlagerung der Schwerpunktsetzung weg von pädagogischen, hin zu juristischen Sichtweisen.

Juristische statt pädagogischer Sichtweisen entsprechen nicht den Bedürfnissen der Kinder und man fühlt sich als Lehrkraft mehr und mehr alleine gelassen, daher schließe ich mich als Volksschullehrerin den vereinzelten Protestpunkten an Dirn. Ilse Bienert, Dirn. Christa Fuchs, Dir. Claus Großkopf, Dirn. Monika Hofer,Dirn. Monika Kink,Dirn.Isabella Kirchmayr, Dirn. Martina Meister-Wolf,Dir. Horst-Edgar Pintarich,Dirn. Edda Sterl-Klemm, Dirn.ElisabethSuttner,Dirn. Karin Wimmer19/SN-299/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version)5 von 5www.parlament.gv.at