13.08

Präsidentin Elisabeth Köstinger: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir eine sehr große Ehre und Freude, heute hier vor Ihnen und vor euch als Präsidentin des Nationalrates zu stehen. Mit großer Demut und vor allem auch Dank­barkeit nehme ich die Wahl an und werde mein Bestes dafür tun, eine Präsidentin für alle hier in diesem Haus zu sein.

Ich habe die vergangenen acht Jahre mit großer Leidenschaft die Anliegen der Öster­reicherinnen und Österreicher im Europäischen Parlament vertreten. Ich bin glühende Österreicherin und gleichzeitig glühende Europäerin. Ich habe mich immer als eine Verbinderin der Interessen zwischen den Fraktionen, aber auch innerhalb von Europa verstanden, und diese Erfahrung als Europaabgeordnete und vor allem als Verbinderin zwischen unterschiedlichen Meinungen möchte ich besonders in die Arbeit in meiner neuen Funktion einbringen. Ich habe mich immer schon für eine politische Kultur einge­setzt, die das Gemeinsame vor das Trennende stellt, und eine Kultur, in der wir ein gemeinsames, aber vor allem auch positives Miteinander prägen.

Es ist mir eine große Ehre, dass ich in meinem neuen Amt nach Barbara Prammer und Doris Bures zwei starken Frauen folgen darf, die diese Funktion die letzten Jahre hin­durch geprägt haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Wir versammeln uns heute hier in der Hofburg, weil wir vor Kurzem damit begonnen haben, unser eigentliches Parlamentsgebäude zu erneuern. Ich möchte Sie alle hier herinnen dazu einladen, dass wir die nächsten Jahre die Chance nützen, dem Parla­ment nicht nur eine neue Hülle zu geben, sondern es auch von innen her zu erneuern. Es ist unsere gemeinsame Chance, die Dinge anders zu machen und eine neue politi­sche Kultur zu leben. So wie im alten Parlamentsgebäude Wände, Böden und Einrich­tung erneuert werden, müssen auch wir erneuern, wie wir miteinander umgehen, wie wir unsere politische Arbeit machen und vor allem wie wir über unsere politische Arbeit sprechen.

Wenn wir etwas Neues machen wollen, dann können wir dabei auf ein wertvolles Fun­dament aufbauen. In dieser Legislaturperiode feiern wir den 100. Geburtstag unserer Republik, den 100. Geburtstag der österreichischen Demokratie. Wir dürfen nie verges­sen: Die Generationen vor uns haben viele Opfer gebracht, damit wir heute hier sitzen können. Wir dürfen auch nie vergessen, dass unzählige Menschen ihr Leben lassen mussten oder im Gefängnis waren, weil sie den Traum von Freiheit und Demokratie träumten.

Gerade heute, am Jahrestag der Reichspogromnacht, sind wir all jenen verpflichtet, die ihr Leben für unsere Demokratie und für unsere Freiheit eingesetzt haben. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, hier als frei gewählte Vertreter des Volkes die Richtungsentscheidungen für unser Land treffen zu dürfen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Es ist unsere Pflicht, einen fairen und vor allem lebendigen Parlamentarismus zu le­ben, bei dem alle Stimmen Gehör finden und vor allem auch alle Meinungen zählen. Wenn ich hier so ins Plenum schaue, dann weiß ich, dass wir in den nächsten Jahren viele Meinungen hören und viele lebendige Debatten führen werden. Ich sehe viele leidenschaftliche Politiker, Abgeordnete, die ihre ehrliche Überzeugung, egal, von wel­cher Partei sie kommen, vertreten. Ich sehe vor allem sehr viele junge Gesichter, die durch diese Wahl zu uns gestoßen sind, und, was mir persönlich ein besonderes An­liegen ist, mehr Frauen im Hohen Haus als jemals zuvor. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Es sind aber nicht nur die Abgeordneten, sondern viele Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter, die hier tagein, tagaus Großartiges schaffen. Ich habe tiefsten Respekt vor der Arbeit, die hier jeden Tag geleistet wird. Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP, FPÖ, NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Als Abgeordnete ist es nicht nur unsere Aufgabe, die großen Richtungsentscheidungen in diesem Land zu treffen, sondern vor allem auch eng mit unseren Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu sein. Viele von Ihnen hier herinnen sind tief in den Regionen verwurzelt und haben eine sehr intensive Beziehung zu den Menschen, für die Sie hier im Nationalrat sitzen. Es ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit, unseren Wählerin­nen und Wählern gut zuzuhören, ihre Anliegen zu vertreten und ihnen gleichzeitig auch Rede und Antwort zu stehen für unsere Arbeit im Parlament. So wie Sie alle hier habe auch ich in den letzten Monaten in ganz Österreich sehr vielen Menschen zugehört, was ihnen wichtig ist. Immer wieder habe ich gehört – und ich glaube, da wird es eini­gen ähnlich gegangen sein –: Hört endlich auf zu streiten und arbeitet lieber für uns! Das ist auch der Auftrag, den wir hier in diesem Hohen Haus zu erfüllen haben. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und NEOS.)

Wir haben in den kommenden Jahren die Chance, unser Parlament nicht nur von au­ßen zu verändern, sondern auch von innen zu erneuern. Ich möchte daher einen Ap­pell an Sie alle richten: einen Appell für eine gute Zusammenarbeit, einen Appell für ei­nen respektvollen Umgang miteinander und einen Appell für eine leidenschaftliche Auseinandersetzung, bei der es aber immer um die Sache geht. Es liegt an uns, eine neue politische Kultur zu leben. Wir haben es in der Hand, ob wir uns weiterhin ge­genseitig mit negativen Kommentaren und manchmal sogar beleidigenden Bemerkun­gen eindecken oder ob wir uns vielleicht manchmal auch dazu durchringen können, über den anderen etwas Positives zu sagen. Jeder Einzelne hat es in der Hand, an je­dem Tag, in jedem Gespräch und in jeder einzelnen Wortmeldung hier im Hohen Haus.

Neben dem respektvollen Miteinander ist mir die Transparenz der politischen Arbeit ein großes Anliegen. Meine Aufgabe als Nationalratspräsidentin wird es sein, sicherzustel­len, dass diese Transparenz für jeden auch möglich ist. Ich kann Ihnen versichern, mein Bestes dafür zu geben, dass jede und jeder Einzelne die Arbeit als Abgeordnete/r bestmöglich erfüllen kann. Es wird unser gemeinsamer Auftrag sein, die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich einzubinden und eine politische Kultur zu leben, die die Men­schen wieder an die Politik glauben lässt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abge­ordneten Strolz und Bernhard.)

Aber jeder, der schon einmal ein Haus gebaut hat, der weiß: Ein Haus baut man nicht an einem Tag und ein Haus baut man vor allem auch nicht allein. So wie das mit unse­rem Parlamentsgebäude nicht über Nacht gehen wird, wird sich auch unser Parlamen­tarismus nicht von heute auf morgen erneuern. Ich kann Ihnen von meiner Seite ver­sprechen, dass ich genau dafür über die Parteigrenzen hinweg arbeiten werde, und la­de alle dazu ein, daran mitzuwirken, damit wir am Ende dieser Legislaturperiode nicht nur in einem sanierten Parlamentsgebäude sitzen, sondern auch eine neue politische Kultur leben. Bauen wir gemeinsam auf dieses Österreich! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.17