10.16

Bundesminister für Inneres Mag. Wolfgang Sobotka: Hohes Haus! Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Werte SeherIn­nen und HörerInnen an den Fernsehgeräten! Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat am Montag getitelt, die Zahl der gewaltbereiten Salafisten in Deutschland sei auf 10 800 Personen gestiegen. – Diese Menschen stehen in Verdacht beziehungsweise haben schon durch ihre Äußerungen ihre Einstellung bekundet oder auch Gewaltbe­reitschaft gezeigt.

Der Schützer der Verfassung in Deutschland, Verfassungsschützer Maaßen, hat ge­meint, die Szene habe sich ganz gewaltig geändert. Es geht nicht nur um die Rück­kehrer, die aus dem Dschihad nach Deutschland zurückgekehrt sind, sondern es geht vor allem um jene, die sich in Deutschland selbst radikalisieren. Es geht um jene, die vor Jahren nach Deutschland gekommen sind, insbesondere aus den nordkau­ka­sischen Republiken. Zum Teil haben sie auch Kriegserfahrung im Irak und in Syrien. Jetzt entsteht eine Situation, in der diese Radikalisierung nicht auf offener Straße oder in den Moscheen passiert – Sie können sich auch an die Koranverteilungen bei uns erinnern –, sondern in den Hinterzimmern, in privaten Zirkeln und vor allem im Internet.

Ähnlich ist die Situation auch in Österreich. Wenn man durch 10 dividiert, müsste man bei 1 800 angelangt sein. Wir haben in etwa 1 000 ausgemacht. Durch das Staats­schutzgesetz ist es uns möglich, im Rahmen der Gefährderansprache schon sehr vieles im Vorfeld zu detektieren. Wir wissen ungefähr, wo sich diese aufhalten, in welchen Kreisen sie sich bewegen. Es wird aber immer schwieriger, und die Tendenz, die es in Deutschland gibt, ist natürlich eins zu eins auch in Österreich zu sehen.

Gleichzeitig haben wir seit 2015 folgende Situation, wenn Sie sich die Terroranschläge nur in Europa anschauen: über 100 Terroranschläge mit sage und schreibe 719 To­desopfern und 1 362 Verletzten. Der Terror ist nicht gebannt, denn auch Staaten sind betroffen, die nie geglaubt haben, in den Fokus dieses Terrors zu rücken, wie zum Beispiel Finnland. Das heißt, das kann man auch für Österreich nicht ausschließen. Wir wissen heute, dass der nächste Anschlag geplant wird, wir wissen aber nicht, wann, und wir wissen nicht, wo; daher können und dürfen wir das auch für Österreich nicht ausschließen.

Aus dieser Überlegung heraus hat sich das Innenministerium mit vielen Beteiligten, mit der Polizei, dem BVT, den LVs und vielen privaten Organisationen, schon im Vorjahr darum bemüht, eine Strategie zu entwickeln, die drei Pfeiler hat: die Prävention, die Deradikalisierung und die polizeiliche Bekämpfung.

Wir legen großen Wert darauf, dass wir mit zivilen Organisationen zusammenarbeiten. Seit dem 2. Juli haben wir zahlreiche Treffen mit Organisationen aus dem privaten Bereich, Deradikalisierungsorganisationen wie Derad oder Neustart, wie Frauen ohne Grenzen oder dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes gehabt, um zu sehen, wo Extremismus und Radikalismus entstehen und wie wir diese prä­ventiv bekämpfen können. Bis zum ersten Quartal des Jahres 2018 soll die Strategie stehen, wie wir vor allem präventiv dieses Übel an der Wurzel packen.

Es ist ganz entscheidend, nicht nur Maßnahmen am Ende der Kette zu setzen, son­dern vor allem sehr früh damit zu beginnen, zum Beispiel in der Schule. Wir haben Beamte geschult, die in den Schulen Vorträge halten. Wir haben betreffend die Grenz­übertritte Beamte entsprechend geschult, um Radikalisierung oder Radika­lisie­rungs­tendenzen in den Erstinterviews feststellen zu können.

Es gibt also breit angesetzte Maßnahmen, die dann gebündelt in eine Strategie ein­fließen. Die Deradikalisierung in unseren Justizanstalten, auch die Prüfung der Haft­bedingungen und das Zusammenwirken in der Haft, das Trennen voneinander sind für uns ganz wesentlich. Da sind es vor allem Neustart und Derad, die uns ganz ent­scheidend unterstützen. Daher ist dieser Kampf gegen den Terrorismus, gegen den politischen Salafismus und gegen den Islamismus für uns eine Angelegenheit, in der wir notwendigerweise auch die Zivilgesellschaft miteinbeziehen müssen. Damit können wir das auch sehr breit aufgestellt bekämpfen.

Das dritte Element ist für uns die polizeiliche Maßnahme. Wir haben im letzten Jahr ganz entschieden die polizeilichen Kräfte im BVT, in den LVs aufgestockt, nur wissen Sie alle, dass das natürlich nicht von heute auf morgen geht. Die Leute müssen bes­tens ausgebildet sein. Wir haben in den polizeilichen Sondereinheiten auch ein euro­päisches Niveau erreicht, das uns ganz an der Spitze Europas weiß. Im RAN, im Radicalisation Awareness Network der EU, spielt Österreich auch eine ganz ent­scheidende Rolle, um mitzugestalten und auch zu sehen, welche Maßnahmen auf polizeilicher Ebene zu setzen sind.

Es hat schon Sicherheitssprecher Amon angesprochen, dass wir im Sicher­heits­polizei­gesetz Maßnahmen brauchen, mit denen wir auf die eingangs erwähnte veränderte Situation reagieren, dass sich Terroristen und im Verdacht stehende Personen mit extremistischen, terroristischen Hintergründen anders organisieren, wir also mehr denn je die Überwachung der Messenger-Dienste brauchen.

Wir haben keine Chance – bei den letzten Verhaftungen hat es sich wieder gezeigt –: Dutzende Handys mit nicht registrierten Wertkarten bilden das Kommunikations­netzwerk. ­Zu 90 Prozent geht der Telefonverkehr über verschlüsselte Kommuni­ka­tionskanäle im Bereich des Internets. Sie können sich noch an meinen Spruch von vor mehreren Monaten erinnern, als ich hier gesagt habe: Es ist ein Anschlag auf die Sicherheit, das nicht durchzuführen. Meine Damen und Herren, das muss uns ganz bewusst sein: Wenn wir der Polizei diese Möglichkeiten nicht in die Hand geben, dann haben wir wenig Chancen, diese Netzwerke zu detektieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich 2017: Erinnern Sie sich an die große Aktion Josta und erinnern Sie sich an die Fälle, die im Jänner 2017 mit Konrad K. begonnen und erst vor wenigen Wochen in Salzburg mit der Verhaftung des 24-jährigen Syrers ein trauriges Ende gefunden haben! Überall waren die gleichen Muster festzustellen. Wir haben Dutzende Leute unter Beobachtung, wir haben Dutzende Leute auch im Rahmen der Gefähr­der­an­sprache im Fokus, nur müssen wir vermehrt feststellen, dass wir ihre Spuren nicht verfolgen können, da wir die verschlüsselte Kommunikation nicht verfolgen können. Daher ist das ein zentraler Schlüssel: Wir können die Polizei mit allen Schutzein­richtungen ausstatten, wenn wir ihnen aber die Überwachungsmöglichkeiten dieses Instruments, mit dem die Terroristen, Extremisten und Gefährder agieren, nicht zur Verfügung stellen, werden wir den Kampf dagegen nicht mit Erfolg führen können.

In diesem Sinne bitte ich auch das Parlament, eine große Geschlossenheit zu zeigen. Das ist kein Interesse einer Partei, das ist kein Interesse der Polizei, das ist ein Inter­esse des Gesamtstaates, um die Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen und unseren Öster­reicherinnen und Österreichern Sicherheit zu bieten. Was wir auf unseren Jahrmärkten, Weihnachtsmärkten getan haben, ist präventive Arbeit, aber nur mit Betonklötzen allein und entsprechender polizeilicher Präsenz werden wir das nicht schaffen. Daher würde ich Sie ganz intensiv bitten, sich dieser Diskussion nicht zu verschließen und dann in einer gemeinsamen Aktion auch dort die Verantwortung zu übernehmen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neubauer.)

10.25

Präsidentin Elisabeth Köstinger: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäfts­ordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte.