13.36

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Ein selbstbewuss­tes Parlament wählt sich ein selbstbewusstes Nationalratspräsidium. Genau das hätten wir ja auch vor sechs Wochen tun können. Leider ist es anders gekommen. Wir haben vor sechs Wochen Elisabeth Köstinger zur Nationalratspräsidentin gewählt. Auf die Fra­ge damals, Frau Bundesministerin, ob Sie Nationalratspräsidentin bleiben wollen, ha­ben Sie gesagt: Natürlich, sonst hätte ich mich nicht zur Wahl gestellt. – Jetzt, sechs Wochen später, wissen wir, was wir davon halten können. Das ist offensichtlich dieser neue Stil, von dem die ÖVP immer spricht.

Sie haben es geschafft, die kürzest dienende Nationalratspräsidentin seit der Konsti­tuierung des Nationalrates 1920 zu werden. Sie haben sich in das zweitwichtigste Amt des Staates wählen lassen und haben nach 39 Tagen beschlossen, dass Sie es wieder verlassen. Meiner Meinung nach ist der Respekt dem Parlament gegenüber hiermit auf einem Tiefpunkt angekommen. Sie haben das Amt der Nationalratspräsidentin beschä­digt. Sie haben das Nationalratspräsidium zu einem Rangierbahnhof für willkürliches Hin- und Herschieben von Personen gemacht. (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Und der neue Bundeskanzler hat uns gezeigt, dass er für seine machtpolitischen Spielchen auch das Ansehen des Parlaments aufs Spiel setzt.

Es geht nicht mehr nur darum, dass wir einen Bundeskanzler haben, den es, wie er uns einmal gesagt hat, nicht stört, wenn das Parlament arbeitet, es geht darum, dass wir seit Montag einen Bundeskanzler haben, der seine Postenschacherei auf Kosten des zweitwichtigsten Amtes im Staat macht.

Ich sage Ihnen etwas, Herr Bundeskanzler: Als Abgeordneter dieses Hauses werde ich diese Geringschätzung, diese Missachtung gegenüber dem Parlament in den nächsten Jahren immer dann, wenn es mir in irgendeiner Art und Weise möglich ist, mit erbit­tertem Widerstand bekämpfen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir sind nicht Ihr Anhängsel, wir sind nicht etwas, worüber Sie einfach drüberfahren können, wenn es Ihnen beliebt. Wir sind die gesetzgebende Staatsgewalt und nicht die verlängerte Werkbank der Bundesregierung.

Das vorhin Gesagte gilt natürlich auch für Bundesminister Hofer, der sich ebenfalls vor seinem Amtsantritt als Minister ins Nationalratspräsidium als Zwischenparkplatz wäh­len ließ. Genau diese Vorgangsweise ist auch in Bezug auf die FPÖ eine, die wir je­denfalls ablehnen.

Heute gibt es zwei Wahlvorschläge für die Nationalratspräsidenten, einerseits Anne­liese Kitzmüller von der FPÖ, andererseits Wolfgang Sobotka von der ÖVP, der selbst noch nie Teil einer gesetzgebenden Körperschaft war, was aus unserer Sicht jedenfalls auch problematisch ist. Als positiven Punkt muss ich dazusagen, dass Kollege Sobotka im Vorfeld der Wahl ein Gespräch mit uns gesucht hat. Das muss man positiv hervor­heben.

Wenn Sie von der Usance hier im Haus gesprochen haben, Herr Klubobmann Wö­ginger, so möchte ich erwidern: Selbstverständlich respektieren wir die Usance, dass die stimmenstärkste Fraktion den Nationalratspräsidenten stellt, und so weiter und so fort. Wenn Sie von der Usance hier im Haus sprechen, aber gleichzeitig gerade in den letzten paar Tagen gezeigt haben, wie Sie mit der Usance umgehen, dass man Abän­derungsanträge 24 Stunden vorher verschickt, wie wir das vorhin schon diskutiert ha­ben, dann wird es ein bisschen schwierig: Einerseits beruft man sich auf diese Usance, und andererseits pfeift man in Wirklichkeit völlig auf andere Usancen. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die wesentliche Frage ist, ob Sie als Abgeordnete dieses Hauses, insbesondere als Ab­geordnete von den Regierungsparteien dieses unwürdige Schauspiel mittragen wollen. Das müssen einzig und allein Sie entscheiden. Sie müssen selbst entscheiden, ob Sie sich vom Bundeskanzler und vom Vizekanzler diktieren lassen, wer Ihr Präsident hier im Haus werden soll.

Wir NEOS werden das Gleiche machen wie vor sechs Wochen: Wir werden entspre­chend der Usance des Hauses jemanden aus der stimmenstärksten Fraktion wählen, in diesem Fall Karlheinz Kopf, weil wir überzeugt davon sind, dass er der Bestqualifi­zierte für dieses Amt ist. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ob Sie sich als Abgeordnete der Regierungsparteien diesem unwürdigen Schauspiel anschließen wollen, müssen Sie selbst entscheiden, und ich wünsche Ihnen dabei sehr viel Mut und sehr viel Selbstbewusstsein, denn das werden Sie bei dieser Bundesre­gierung in den nächsten Jahren auch brauchen. Wenn Sie Interesse an einem selbst­bewussten Parlament haben, dann wehren Sie sich gegen diese Vorgehensweise, wehren Sie sich gegen diese Geringschätzung, gegen diese Missachtung dieses Parla­ments! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

13.40

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Walter Rosen­kranz. – Bitte.