18.39

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Kollege Stefan! Sie haben von den Leuchttürmen gesprochen. Ein ehemaliger Abgeordneter der ÖVP hat, als erste Details aus dem Regierungsprogramm, aus den Verhandlungen durchgesickert sind, gesagt: „Diese Leuchttürme sind zum Fürchten.“ Da hat er schon recht gehabt. Und was ich hinzufügen möchte, ist: Die sind nicht nur zum Fürchten, sondern die leuchten auch nach hinten. Das ist das, was ich zusätzlich extrem bedauerlich finde.

Ich möchte mich in meinem Redebeitrag vor allem mit dem Bereich der Bildung be­schäftigen. Die Vergrößerung der Bildungschancen für die Kinder, für die Jugendlichen in diesem Land war uns in den letzten Jahren unserer Regierungstätigkeit sehr wichtig, ein zentrales Anliegen, wo wir auch vieles weitergebracht haben – zu langsam, da ge­be ich dem Kollegen Strolz, der da ungeduldig ist, durchaus recht. Ich teile Ihre Unge­duld, es ist zäh gewesen, hier etwas weiterzubringen, aber es war uns ein wichtiges Anliegen, und wir haben auf allen Ebenen sehr darum gekämpft, von der Elementarpä­dagogik über die Schule bis hin zu den Universitäten.

Liest man sich jetzt das Regierungsprogramm durch, sieht man: Es geht nicht mehr um eine Vergrößerung der Chancen, um mehr individuelle Förderung, sondern der rote Fa­den, der sich durch das Bildungskapitel durchzieht, sind mehr Selektion und mehr Sank­tionen.

Ich habe auch sehr bedauert, dass wir keine genaueren Ausführungen in den beiden Statements zur Regierungserklärung gehört haben. Und ich war eigentlich ziemlich ent­setzt, dass das Thema Bildung, Chancen für die Jungen keine Rolle gespielt hat – we­der beim Herrn Bundeskanzler noch beim Herrn Vizekanzler.

Sieht man sich das Regierungsprogramm durch, so wird klar: Mehr Förderung im Kin­dergarten soll es nur für die Kinder geben, von denen Sie finden, dass sie es brauchen. Wichtig wäre hingegen, dass alle Kinder mehr Förderung bekommen, denn alle Kinder brauchen die Förderung – jedes Kind auf seine Art und an anderer Stelle. (Abg. Kas­segger: Das ist das sozialistische Gießkannenprinzip, das wollen wir eben nicht!)

Für die Kleinsten soll es wieder Noten geben. Dabei wissen wir aus vielen wissen­schaftlichen Forschungen und auch aus Gesprächen mit engagierten Pädagogen/Pä­dagoginnen, mit Eltern, dass sowohl die Schüler/Schülerinnen, die Kinder, als auch die Eltern viel mehr von einem differenzierten Feedback haben und viel mehr damit anfan­gen können.

Es soll einen Talentecheck bereits in der 3. Klasse geben. Was soll das werden? Ist das die Vorverlegung der Entscheidung über den künftigen Bildungsweg schon in die 3. Klasse? Es soll Aufnahmeverfahren für die AHS geben. Das ist ja schon ganz lange her, dass das abgeschafft wurde – lange vor meiner Zeit, lange bevor ich politisch tätig geworden bin. Und da wollen Sie auch das Rad der Zeit zurückdrehen.

An den Universitäten soll es wieder Studiengebühren geben, Zugangsbeschränkun­gen, und die Österreichische Hochschülerschaft soll auf eine Serviceeinrichtung be­schränkt und ihr das politische Mandat entzogen werden. Die Studiengebühren empfin­den wir als besonders schmerzhaft. Die Freiheitliche Partei hat übrigens vor einigen Jahren diese Studiengebühren mit uns abgeschafft, aus gutem Grund, weil die Stu­diengebühren, die unter Schwarz-Blau I eingeführt wurden, ja damals dazu geführt ha­ben, dass fast jeder fünfte Studierende das Studium abgebrochen hat. Und wie wir wissen, sind das ja zu einem großen Teil Studierende, die aus Elternhäusern kommen, in denen es schwierig ist, das Studium zu finanzieren. Wenn das jetzt stimmt, was als Vorstellung herumgeistert, dass künftig die Studiengebühren 5 000 Euro pro Jahr be­tragen sollen, dann ist das schon eine Summe, die sehr schwierig für ein durchschnitt­liches Elternhaus aufzubringen ist. Sie wissen alle: Mehr als die Hälfte der Studieren­den arbeitet bereits jetzt, um sich das Studium finanzieren zu können, sie müssen dann also noch mehr arbeiten.

Da ist es dann schon sehr zynisch, wenn Sie sagen, das Ganze steht unter dem Titel, wir wollen die Studiendauer verkürzen, indem man das so macht, dass sich die Leute die Studien nicht mehr leisten können, indem sie weniger Möglichkeiten für Prüfungs­antritte haben und so aus der Universität fallen. Das ist nicht der Weg, den wir uns vor­stellen.

Daher darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Genossinnen und Genossen betreffend „Ver­zicht auf Wiedereinführung von allgemeinen Studiengebühren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, keine allgemeinen Studiengebühren einzu­führen.“

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Herr Bundesminister Faßmann, ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen und wollte Sie darauf hinweisen, ich habe heute gelesen – es tut mir leid, dass Sie hier keine Erklärung abgeben können –, dass Sie eine Vorstellung von Prio­ritäten und zeitlicher Prioritätensetzung haben und dass die Studiengebühren jetzt nicht die Nummer eins in der zeitlichen Priorisierung sind. Wir haben in der letzten Na­tionalratssitzung einen Antrag betreffend Reparatur des Studienbeitragserlasses für berufstätige Studierende eingebracht. Vielleicht könnten wir als ersten Schritt gemein­sam diese Reparatur machen, denn wenn wir hier nicht handeln, dann müssen genau diejenigen, die Berufstätigen, jetzt Studiengebühren zahlen. Das ist nicht in unserem Sinn. Vielleicht schaffen wir hier eine gemeinsame Lösung. Wenn es nicht die ist, die wir eingebracht haben, vielleicht eine andere, aber es wäre wichtig, dass wir eine ge­meinsame Lösung finden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kolba.)

18.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Genossinnen und Genossen

betreffend Verzicht auf Wiedereinführung von allgemeinen Studiengebühren

eingebracht im Zuge der Debatte um die Regierungserklärung (TOP 2)

Das Regierungsprogramm 2017-2022 sieht die Einführung „moderater“ Finanzierungs­beiträge für Studierende vor, um „die Verbindlichkeit des Studierens zu erhöhen sowie den privaten Finanzierungsanteil im tertiären Bereich auf OECD-Schnitt (0,5% des BIP) zu steigern.“

Die Freiheitliche Partei hat in der Opposition Studiengebühren dezidiert abgelehnt und noch im Herbst 2008 die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren ab dem Som­mersemester 2009 mitbeschlossen. Die Österreichische Volkspartei war schon immer auf der Seite jener, die sich studieren ohnedies leisten können, und daher auch im Wahlprogramm für Studiengebühren.

Statistisch ist nachgewiesen, dass es nach Einführung des Studienbeitrages im Winter­semester 2001/2002 zu einem deutlichen Rückgang der Studierendenzahlen (-21%) an den Universitäten kam. Trotz einer steigenden Studierendenzahl an FH-Studiengängen ergab sich für den Gesamtsektor ein Rückgang um 18% auf 171.000 Studierende.

Rechnet man diese Zahlen auf die derzeitige Situation hoch, so ergibt sich, dass bei einem Rückgang von 18% rund 69.000 potenzielle Studierende von ihrem Studium durch die Einführung allgemeiner Studiengebühren abgehalten werden. Der größte Teil dieser Gruppe wird aus sozial schwachen Familien stammen, weil sich diese - erst recht verbunden mit den sonstigen sozialen Verschlechterungen - das Studieren nicht mehr leisten wird können; die Wiedereinführung von allgemeinen Studiengebühren wird somit zu einer massiven sozialen Selektion führen.

In Österreich studieren bloß 37% eines Jahrganges an einer Universität oder einer Fachhochschule, damit liegt Österreich am letzten Platz der OECD-Länder. Ebenso hat Österreich mit 14% Hochschulabsolventen im OECD-Vergleich (OECD-Schnitt: 28%) immer noch eine sehr niedrige Akademikerquote. Durch die Einführung von Studienge­bühren werden sich diese Zahlen noch erheblich verschlechtern.

Die im Regierungsprogramm als „moderat“ bezeichneten Studiengebühren müssen, um den privaten Finanzierungsanteil im tertiären Bereich auf 0,5% des BIP (OECD-Schnitt) zu steigern, wie dies im Regierungsprogramm geplant ist, laut Uniko-Präsident Prof. Vitouch 2.500 € pro Semester betragen, sohin 5.000 € pro Jahr.

Doppelt unsozial ist die nachträgliche steuerliche Absetzbarkeit für die geleisteten Stu­dienbeiträge: Die Kinder von jenen, die sich das Studieren ohnedies leisten können, werden nachträglich mit einem Steuerbonus belohnt. Diese Maßnahme wird die Ab­wanderung von ausgebildeten MedizinerInnen nach Deutschland nicht verhindern kön­nen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, keine allgemeinen Studiengebühren einzufüh­ren.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Frau Abgeordnete.

Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht da­her mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.