23.04

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute im Rahmen der Regie­rungserklärung nicht ganz einfach, konkret auf einzelne Kapitel einzugehen (Zwischen­ruf des Abg. Hauser), weil wir in vielen Bereichen sehr schwammige, allgemeine Be­schreibungen des Zustandes in Österreich gehört haben. Wenn man aber sehr allge­mein bleibt, so führt das dann oft dazu, dass man glaubt, man sei eh einer Meinung, aber im Detail werden dann doch die Unterschiede ersichtlich. Das Regierungspro­gramm ist ja auch nicht unbedingt aufschlussreich. Man hat hier versucht, wunderschö­ne Worthülsen zu verwenden, aber wenn man sich dann konkret die Formulierungen ansieht, schaut die Sache anders aus.

Ich möchte mit dem positiven Bereich, mit der Digitalisierung beginnen und hervorhe­ben, dass gerade in diesem Bereich die Arbeit in der Vergangenheit sehr positiv war und fraktionsübergreifend gut funktioniert hat. Deswegen muss ich auch betonen, dass es schön ist, dass im Regierungsprogramm betreffend diesen Bereich sehr, sehr oft steht, dass erfolgreiche bestehende Projekte fortgeführt werden sollen, von Silicon Aus­tria angefangen bis zur Open-Innovation-Strategie. Das zeigt auch, dass wir alle auf ei­nem guten Weg sind.

Wo ich mir schwerer tue, sind gewisse No-na-Ziele, wie wir auf Kärntnerisch sagen würden, die wir alle unterschreiben. Schnelles Internet ist so ein Beispiel. Da wird jeder sagen, das ist wichtig, die Frage ist aber: Wie wollen wir das ganz konkret umsetzen? In Großbritannien wurde heute beschlossen, es soll ab 2020 einen Rechtsanspruch geben, in Österreich wissen wir nicht, wie die 5G-Strategie finanziert werden soll. Es wird jeder sagen, dass wir im FTI-Bereich Europameister werden wollen, ist super. Das wird jeder unterschreiben, no na net, aber die Frage ist: Was sind die konkreten Maß­nahmen? Weiter geht es dann mit dem Bereich Effizienz und Effektivität des Innova­tionssystems. Das wird auch jeder als Ziel unterschreiben, die konkreten Maßnahmen fehlen leider auch hier.

Eines ist mir in diesen Bereichen ganz stark aufgefallen: Wenn wir als Politiker etwas fordern, dann wäre es doch eigentlich schön, wenn wir mit gutem Beispiel vorangingen und auch vorlebten, was wir uns erwarten. Wenn wir also sagen, im FTI-Bereich sollten die Strukturen schlanker werden, dann könnte man auch als Bundesregierung sagen, wir erhöhen nicht von zwei auf drei Ministerien, die für Forschung zuständig sind, son­dern bündeln das Ganze in einem Ressort. Das hätte man auch tun können – ist nicht passiert. Man hat also die Ressortverantwortung noch einmal zersplittert, hat noch mehr Strukturen geschaffen. Das heißt, im obersten Bereich, auf Regierungsebene, gibt es mehrere Parallelstrukturen, aber dann sagt man, man möchte die groß reformieren. Das passt ja irgendwie hinten und vorne nicht zusammen. Da geht es ja auch um die Frage der Glaubwürdigkeit. Man könnte auch das vorleben, was man einfordert.

An dieser Stelle möchte ich ganz kurz auf den Bereich der Insellösungen eingehen. Wenn es um Innovation geht, ist heute sehr viel vor allem über Bildungspolitik gespro­chen worden, Innovation bedeutet aber deutlich mehr. Es ist heute ganz oft gesagt worden, dass Ordnung, Disziplin, Leistung die allerwichtigsten Dinge sind. Aber sind die großen, die großartigen Wissenschaftler in Österreich, die Forscher, unsere Erfin­der nur durch harte Ordnung, Disziplin und Leistung an ihr Ziel gekommen, oder war das auch Neugier, war das Freude, war das Begeisterung, war das Interesse?

All diese Dinge haben wir im Innovationsbereich immer wieder gefördert, im Bildungs­bereich möchte man davon gar nichts mehr wissen, da sagt man, da gehe es rein um Ordnung, Disziplin und Leistung. Sie vergessen dabei, dass das auch Freude machen kann, dass Erfindergeist etwas Spannendes sein kann, dass Menschen, wenn sie et­was gerne machen, das auch richtig gut machen. Das sind alles Dinge, die für die In­novationslandschaft wichtig wären. Im bildungspolitischen Bereich haben wir davon heu­te gar nichts gehört.

Was mir wirklich am Herzen liegt, ist der Bereich der Chancengerechtigkeit, dass man wirklich vor allem jungen Menschen an den Unis Chancen geben sollte, egal ob die El­tern arm oder reich sind. Da kann es keine Studiengebühren geben, denn die machen leider einen Unterschied. Wir brauchen die besten Köpfe und nicht diejenigen Köpfe, de­ren Eltern sich das Ganze leisten können. Das sind alles Dinge, die auch ganz, ganz stark mit unserem Innovationssystem zusammenhängen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich könnte das alles noch weiter ausführen. Es ist leider der ganz zentrale Bereich der Menschen vergessen worden, die von der Digitalisierung stark betroffen sind. Wie schaut die Arbeitswelt der Zukunft aus? Dazu findet sich gar nichts im Programm. Was sind neue Arbeitszeitmodelle, außer des 12-Stunden-Tages, der eingeführt werden soll? All diese Fragen der Arbeitswelt 4.0 sind gar nicht erwähnt worden. Was machen wir mit Menschen, die nicht mitkönnen, die arbeitslos sind, die die Qualifikation nicht haben? All diese Dinge sind vergessen worden. Der Mensch muss auch im Mittelpunkt der digitalen Entwicklung stehen. Dieser Bereich ist leider völlig vergessen worden. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich möchte abschließend noch einen zentralen Punkt ansprechen, den wir heute auch schon diskutiert haben. Kollege Krainer hat es angesprochen: Ein zentraler Punkt vor dem Hintergrund der Digitalisierung wird die Frage der Verteilungsgerechtigkeit sein. Wir bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verteilungs­gerechte Budgetpolitik“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert bei der Umsetzung des Regierungsprogram­mes dafür Sorge zu tragen, dass eine verteilungsgerechte Budgetpolitik hinsichtlich Ein­kommen und Vermögen das Wohl aller Einkommensgruppen berücksichtigt, und die notwendige Ökologisierung des Steuersystems vorgenommen, eine ungleiche Vertei­lung von Vermögen vermieden und auch die Verteilung der Steuerleistung weg von Ar­beit hin zu Kapital und Vermögen erreicht wird.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren und darf wirklich bitten, dass wir in Zukunft vor allem in den Aus­schüssen konkreter werden. Ich habe es schade gefunden, dass sich die Regierungs­mitglieder heute nicht zu Wort melden durften. Ich glaube, das sollten wir in Zukunft ändern. Wir sollten kritischer miteinander diskutieren, diese Allgemeinplätze werden uns, glaube ich, nicht weiterbringen. Versuchen wir wirklich, zumindest dann in den Aus­schüssen, in Zukunft intensiv zu diskutieren und Ideen auch aufzunehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

23.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer

Genossinnen und Genossen

betreffend verteilungsgerechte Budgetpolitik

eingebracht in der 5. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Debatte zu Tagesord­nungspunkt 2, Erklärung der Bundesregierung

Begründung

Die budgetpolitische und steuerpolitische Richtung der ÖVP/FPÖ Regierung be­schränkt sich auf Steuergeschenke für die Konzerne, Hoteliers, Miethausbesitzer und Großgrundbesitzer. Das sind die einflussreichen Lobbys und Großspender der ÖVP. Zahlen dafür sollen Arbeitslose, Notstandshilfeempfänger, Bezieher der Mindestsiche­rung und die breite Masse durch Leistungsreduktionen und/oder höhere Kosten im Ge­sundheitsbereich, bei den Pensionen, in der Pflege. Die wesentlichen Probleme der Budget- und Steuerpolitik werden indessen nicht einmal angesprochen.

Ökologisierung

Unbestritten ist die Notwendigkeit der weiteren Ökologisierung des Steuersystems. Nicht nur um auch von der Steuerseite einen Lenkungseffekt zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und damit des Klimawandels zu erreichen, sondern auch um unsere Umwelttechnikbetriebe zu unterstützen. Diese enorme Chance für klimafreund­liches Wachstum lassen die neuen Regierungsparteien einfach liegen. Im vorliegenden Regierungsprogramm findet sich dazu nichts.

Ungleiche Verteilung von Vermögen

Die zunehmende ungleiche Verteilung von Vermögen ist ein Gerechtigkeitsproblem, weil alle in Österreich die gleichen Chancen auf Teilhabe haben müssen. Extreme Un­gleichheit führt aber auch zunehmend ökonomischen Problemen. Je stärker Vermögen konzentriert sind, desto geringer ist das Wachstum, desto weniger neue Jobs werden geschaffen und desto geringer fällt die Innovationsleistung eines Landes aus. Das Re­gierungsprogramm liefert auch hier gar keine Antwort.

Verteilung der Steuerleistung

Während Kapital- und Vermögenseinkommen ca. 40% und Arbeitseinkommen ca. 60% des gesamten Einkommens ausmachen, leistet die Kapital- und Vermögenseite nur ca. 15% der Steuereinnahmen, während die Steuern auf Arbeit und Konsum ca. 85 % (!) ausmachen. Zwar wurden in den letzten 10 Jahren wichtige Schritte zu einem ge­rechteren Beitrag von Kapital und Vermögen gesetzt, aber diese Bundesregierung bleibt nicht nur stehen, sondern hat den Rückwärtsgang eingelegt. Die angedachten Steuergeschenke gehen überwiegend an Kapital- und Vermögenseinkommensbezie­her und verschlechtern das ohnehin krasse Missverhältnis wieder.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert bei der Umsetzung des Regierungsprogram­mes dafür Sorge zu tragen, dass eine verteilungsgerechte Budgetpolitik hinsichtlich Einkommen und Vermögen das Wohl aller Einkommensgruppen berücksichtigt, und die notwendige Ökologisierung des Steuersystems vorgenommen, eine ungleiche Ver­teilung von Vermögen vermieden und auch die Verteilung der Steuerleistung weg von Arbeit hin zu Kapital und Vermögen erreicht wird.“

*****

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Herr Abgeordneter.

Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht da­her mit in Verhandlung.

Als Nächster ist Abgeordneter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte.