10.44

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Ger­not Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Es freut mich sehr, dass ich heute zum ersten Mal in dieser Funktion zu Ihnen sprechen darf. Ich glaube, es gehört sich auch ein bisschen, dass ich Ihnen hier als zuständiger Bundes­minister für die Europäische Union meinen persönlichen Zugang zu diesem Thema darlegen darf.

Im Gegensatz dazu, wie diese Debatte jetzt begonnen hat, nämlich ein bisschen we­niger emotional als die Aktuelle Stunde, ist die Europäische Union für mich ein hoch emotionales Thema, und zwar deswegen, weil es mich bei meinem politischen Enga­gement de facto von der ersten Stunde an begleitet hat. Die erste Kampagne, die ich mitbekommen habe, war die Kampagne zum Beitritt zur Europäischen Union. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich damals noch nicht wirklich genau gewusst habe, was die Dimension dessen ist, wofür man da geworben hat, aber ich habe es mit Leidenschaft getan, weil ich den Gedanken reizvoll gefunden habe, in einem gemeinsamen großen Ganzen eingebettet zu sein, das fähiger ist in der Welt, in eine Richtung zu leiten, als jemand alleine.

Ich habe von der Europäischen Union direkt profitieren dürfen, als ich Erasmusstudent war – eine wunderbare Erfahrung, die ich nur jedem ans Herz legen kann, der die Möglichkeit dazu hat. Ich durfte internationale Jugendpolitik machen, in dem Zusam­menhang jede europäische Hauptstadt bereisen und konnte auch die Erfahrung ma­chen, dass die Debatten auf dieser Ebene von der Struktur her ähnlich ablaufen, wie sie auch im sogenannten echten politischen Leben ablaufen; vielleicht ein bisschen weniger gewichtig, aber genauso emotional und relevant.

Ich durfte einige Male in Brüssel tätig sein – nicht beruflich, sondern damals nur als Praktikant bei Othmar Karas. Ich habe viel von ihm als glühendem Europäer, der er damals war, der er heute ist, gelernt, und deswegen freut es mich auch, dass er heute hier sein kann. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Deswegen ist Europa für mich so etwas wie Teil meiner Geschichte und Teil meines Zuhause. Als zuständiger Bundes­minister für die Europäische Union freut es mich, in dieser proeuropäischen Regierung tätig sein zu dürfen.

Wir haben für das Programm, das wir nach den Koalitionsverhandlungen vorgelegt ha­ben, auch in Brüssel sehr, sehr viel Wohlwollen erfahren. Die erste Reise, die der Bundeskanzler einen Tag nach seiner Angelobung angetreten hat, ging nach Brüssel, wo er Spitzenrepräsentanten getroffen hat und auch dargelegt hat, was der Inhalt des Programms ist. Ich darf seit 8. Jänner, seit dem Inkrafttreten des Bundesministerienge­setzes, zuständiger Bundesminister sein und war gleich am ersten Tag in Brüssel, um klarzumachen, in welche Richtung es aus unserer Sicht in dieser Koalition mit Europa gehen sollte, um viele Gespräche zu führen und auch um Kontakte für die Vorbereitung der Ratspräsidentschaft, die wir im zweiten Halbjahr innehaben dürfen, aufzubauen.

Ich darf Ihnen ein bisschen von diesen ersten Erlebnissen in Brüssel berichten. Gerade die Herausforderungen für die Europäische Union sind ja mannigfaltig. Es geht um den Austritt Großbritanniens, der nicht nur eine politische Herausforderung ist, sondern vor allem auch eine finanzielle Herausforderung für die Europäische Union werden wird, wie es auch schon Abgeordneter Lopatka beschrieben hat. Die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen beginnen gerade erst; die Kommission wird im Mai einen Vorschlag vorlegen, auf Basis dessen dann diskutiert werden soll. Das wird auch in unsere Ratspräsidentschaft fallen. Deswegen habe ich auch beim ersten Termin, den ich mit der Kommission wahrgenommen habe, mit Jean-Claude Juncker, Frans Tim­mermans und anderen darüber gesprochen, in welche Richtung es da gehen soll.

Die Zukunft der Europäischen Union ist aber nicht nur deswegen herausfordernd, denn ein Konstrukt, das so groß ist, das so komplex ist, muss sich natürlich ständig wei­terentwickeln; und da stellt sich die Frage, in welche Richtung es gehen soll. Es gibt diverse Diskussionsanstöße auch seitens der Kommission, so die fünf Szenarien von Jean-Claude Juncker, in welche Richtung es gehen soll. Wir haben als Koalition ge­sagt, wir wollen das Szenario 4 wählen: „Weniger, aber effizienter“. Das bedeutet, dass die Europäische Union in den Bereichen, in denen sie Dinge besser als die National­staaten leisten kann, mehr Kompetenzen erhalten soll, aber dass wir jene Bereiche, in denen die Nationalstaaten die Arbeit besser erledigen können, hier im Parlament und in der eigenen Bundesregierung behandeln wollen.

Mehr Bürgernähe ist ein wesentlicher Faktor bei all diesen Szenarien. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass es die Taskforce zum Thema Subsidiarität gibt. Sie wurde eingesetzt, Reinhold Lopatka ist da unser Vertreter, und sie soll unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans, bis Juli einen Vorschlag vorle­gen, was dieser Aspekt denn genau bedeutet. Aus unserer Sicht ist es klar: „Weniger, aber effizienter“ – und das soll auch die Richtung sein.

Wir haben die große Herausforderung und das Privileg, im zweiten Halbjahr 2018 zum dritten Mal in der Geschichte Österreichs den Vorsitz im Rat innezuhaben. Es ist das erste Mal unter dem Regime des Vertrags von Lissabon, der gänzlich andere Rahmen­bedingungen vorgibt, als es davor der Fall war, da dadurch auch das Parlament auf europäischer Ebene mehr Gewicht, mehr Mitwirkungsrecht bekommen hat. Auch des­wegen war es wichtig, schon letzte Woche in Straßburg gewesen zu sein und dort auch alle österreichischen Parlamentarier über die Parteigrenzen hinweg getroffen zu haben. Es geht auch darum, gemeinsam Stimmung dafür zu machen, dass wir diesen Vorsitz gut und ordentlich abarbeiten, damit auch die Professionalität, die hier an den Tag gelegt wird, in Europa sichtbar wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir werden in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten ein nationales Schwer­punktprogramm dazu erarbeiten, welche Schwerpunkte wir als Österreich während die­ser Präsidentschaft auf Basis des Programms des Trios, das ja auch schon angespro­chen worden ist, setzen wollen. Wir haben eine 18-monatige gemeinsame Präsident­schaft mit Estland und Bulgarien mit einem gemeinsamen Programm, in dem die As­pekte Sicherheit und Migration schon festgeschrieben sind. Diese wollen wir natürlich besonders beleuchten, weil sie uns betreffen, weil sie Europa betreffen und weil sie mittlerweile aus der innenpolitischen Debatte keines Landes mehr wegzudenken sind.

Wir werden dadurch, dass unsere Präsidentschaft am Ende einer europäischen Legis­laturperiode liegt – im Frühjahr 2019 wird ein neues Europäisches Parlament gewählt –, auch die Möglichkeit und die Herausforderung haben, dass wir möglicherweise sehr, sehr viele Dossiers, die jetzt noch in Verhandlung sind, zu Ende verhandeln werden. Das bedeutet erstens viel Druck, zweitens viel Arbeit, aber drittens auch die Möglich­keit, während des österreichischen Vorsitzes ernsthaft etwas zu bewegen. Dafür braucht es die Kooperation mit allen Parteien. Dafür braucht es die Kooperation zwischen den Parlamenten auf europäischer und auf nationaler Ebene. Dafür bitte ich heute hier auch um all Ihre Unterstützung, damit dieser Ratsvorsitz ein gemeinsamer Erfolg für Österreich werden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.51

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die nunmehrige Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Othmar Karas. – Ich darf ihm das Wort erteilen.