12.03

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Gelegenheit, hier im Hohen Haus eine Erklärung über die bisherige Umsetzung des Regierungsprogramms und des darin ver­ankerten Themenbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung abgeben zu können. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Schulen, Universitäten und Hochschu­len sowie für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist für mich eine zentrale und letztlich auch die immanente Aufgabe eines Fachministers in diesem Bereich.

Ich weiß, dass wir in einem rohstoffarmen Land leben und dass Bildung, Wissenschaft und Forschung die Motoren der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung sind. Ich bin auch davon überzeugt, dass für den Einzelnen mit dem Erwerb der Bil­dung ein intellektueller Emanzipationsprozess verbunden ist, der ihn oder sie befähigt, kritisch sich selbst, aber auch die soziale Umwelt zu beurteilen.

Bildung ist ein wichtiger und historisch tief verankerter Freiheitsgewinn für jeden Ein­zelnen in einer aufgeklärten Gesellschaft und daher so immens wichtig, und Bildung wird auch angenommen und quantitativ immer bedeutsamer. Gegenwärtig schließen fast 40 Prozent eines Geburtsjahrganges die Schule mit der Matura ab, zwei Drittel davon gehen dann an eine Universität oder Fachhochschule. Die andere Hälfte eines Geburtsjahrganges macht eine duale Ausbildung, die eine wesentliche Schiene unse­res Bildungssystems darstellt.

Österreich zählt heute zu den reichsten Staaten der EU beziehungsweise der Welt, und das vielleicht besonders aufgrund des humanen Kapitals oder, einfach formuliert, aufgrund der guten Ausbildungsmöglichkeiten, die es in Österreich gibt, und der Tüch­tigkeit seiner Bewohner.

Unser Bildungssystem ist meiner Ansicht nach im Prinzip gut aufgestellt. Ich bin kein Freund des Alarmismus. Wir haben gute Voraussetzungen geschaffen, um die Ent­wicklung in Richtung Bildungsgesellschaft und Wissensökonomie zu unterstützen. Es gibt Detailmaßnahmen, um es noch leistungsfähiger zu machen, aber grundsätzlich ist unser Bildungssystem gut aufgestellt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eine Maßnahme, die ich mit meinem Haus, mit dem Ministerium in Angriff genommen habe, ist die Einführung von Deutschförderklassen. Ich habe dieses Konzept der Deutschförderklassen in meiner früheren nebenberuflichen Funktion als Vorsitzender des Expertenrates für Integration bereits 2014 angeregt.

Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache haben es in Österreich oft schwerer als der Durchschnitt der Kinder mit Deutsch als Erstsprache, in der schulischen Kompetenz, aber auch bei den Abschlüssen mitzuhalten. Das zeigt sich auch bei Messungen der Lesekompetenz am Ende der Grundschulzeit. Dabei sind die Leistungsunterschiede zwischen jenen Kindern mit und jenen ohne Migrationshintergrund von mehr als 50 Punkten oder nahezu zwei Lernjahren sehr bedeutsam. Auch bei Pisa 2015 schlu­gen diese Differenzierungen durch: Österreich zählt zu den Ländern mit dem größten Leistungsunterschied zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Diese großen Leistungsunterschiede verschwinden auch dann nicht, wenn man den sozialen Status als eine Kontrollvariable einführt.

Schüler und Schülerinnen sollen daher – und das ist eine Maßnahme, die vorgesehen ist – vor dem Eintritt in die Regelschule über genügend Deutschkenntnisse verfügen, um dem Unterricht sofort folgen zu können. Seiten- und Quereinsteiger, aber auch Kinder, die aus dem Kindergarten kommen, werden oft als außerordentliche Schüler eingestuft, weil ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichen.

Das von meiner Vorgängerin implementierte Modell habe ich weiterentwickelt. Ein we­sentliches Kennzeichen davon ist die Schaffung von Deutschförderklassen für jene Kinder, die aufgrund ihrer fehlenden Kompetenz in der Unterrichtssprache dem Unter­richt nicht folgen können. Ob sie dem Unterricht folgen können oder nicht, soll mit ei­nem standardisierten Sprachtest festgestellt werden, der eine treffsichere Diagnose des Sprachniveaus gewährleistet.

Deutschförderklassen bekommen Lehrpläne, das ist eine Form der Intensivierung. Die Deutschförderklassen haben ein Stundenausmaß von 15 Stunden in der Grundstufe und 20 Stunden in der Sekundarstufe I. Die restlichen Stunden werden gemeinsam mit den anderen Kindern verbracht, in jenen Fächern, die vielleicht weniger sprachsensibel sind, wie Turnen, Zeichnen und Musik. Ich will, dass es auch eine gewisse Gemein­samkeit mit den Kindern in einer Regelschulklasse gibt. Das theoretisch Erarbeitete soll auch in der konkreten Kommunikation mit den Gleichaltrigen erprobt werden. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Deutschförderklassen sind semesterweise organisiert. Wenn die Kenntnisse ent­sprechend verbessert worden sind und Schüler und Schülerinnen dem normalen Un­terricht folgen können, dann sollen sie so schnell wie möglich – aber eben auch so kompetent wie nötig – dorthin wechseln.

Wenn wir Schüler und Schülerinnen aus diesen Deutschförderklassen in die Regelklas­sen überführen und übergeben, dann lassen wir sie nicht allein: Die Deutschförder­kurse sollen daran anschließen. Das bedeutet eine schrittweise Zurücknahme der För­dermaßnahme und eine schrittweise erweiterte Teilnahme am Regelunterricht.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch gleich eine Ankündigung machen: Wenn es gelingt, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr zu implementieren, insbesondere für jene, die besondere Deutschförderung benötigen, dann werden wir in diesem Be­reich viel gewinnen. Wir sehen heute bei Sprachstandsfeststellungen bei Drei- bis Sechsjährigen, dass insgesamt bei 30 Prozent ein Sprachförderbedarf besteht. Und auch dann, wenn die Kinder den Kindergarten absolviert haben, bleiben noch immer viele, die nicht über genügend Deutschkenntnisse verfügen, um dem Unterricht unmit­telbar folgen zu können. Sie werden dann als außerordentliche Schüler eingestuft.

Es ist mir ein Anliegen, dass alle Kinder, die im Rahmen eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres geschult und trainiert werden, die Volksschule, wenn es geht, ohne Startnachteile beginnen können. Insgesamt ist es mir auch ein Anliegen, dass der Kin­dergarten als eine erste Bildungseinrichtung, so wie die École maternelle in Frankreich, verstanden wird. Dazu ist sicherlich mehr notwendig als nur die Akademisierung der Ausbildung von Kindergartenpädagogen und -pädagoginnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben in diesen ersten Wochen, in denen ich als Minister tätig sein durfte, auch noch weitere Maßnahmen gesetzt: Wir haben uns Rundschreiben und Erlässe angese­hen und haben geschaut, inwieweit sie notwendig sind. Wir haben auch den zwingen­den Eintritt in die neue Oberstufe etwas verschoben, um letztlich Zeit für eine Eva­luierung zu gewinnen. Wir bauen selbstverständlich auch das Ministerium, welches sich aus zwei Ministerien zusammensetzt, entsprechend um. Das alles ist wichtig, aber ich referiere hier zum Thema „Die Zukunft Österreichs sichern durch Bildung und Wis­senschaft“, und da möchte ich ein bisschen gehaltvoller bleiben.

Die Zukunft Österreichs zu sichern heißt auch, die Universitäten nachhaltig zu stärken. Das war das Ziel eines Abänderungsantrages vom Juni 2017, mit dem den Universitä­ten mehr Geld zugesagt wurde, und es ist auch das Ziel des heute erfolgten Minister­ratsbeschlusses und des weitergeleiteten Gesetzesvorschlags zur Universitätsfinanzie­rung Neu, mit dem ein neues Finanzierungsregime in den Universitäten begonnen wer­den kann. Mit diesem Konzept verabschiedet sich die Universitätsfinanzierung vom Traditionellen – wir machen es so, wie wir es immer gemacht haben, und jede Univer­sität bekommt so viel, wie es in der letzten Förderperiode der Fall war – und geht ganz klar in Richtung Honorierung der Aufgaben und Leistungen, die eine Universität voll­bringt.

Das Universitätsbudget wird sich in Zukunft aus der Summe der betreuten aktiven Stu­dierenden, gewichtet nach Fächergruppen, und aus der Zahl der Forschenden, ge­wichtet nach Fächergruppen, plus weiteren Wettbewerbskomponenten berechnen. Wenn eine Universität sehr erfolgreich im Einwerben von Drittmitteln ist, dann wird sie mehr bekommen, und wenn eine Universität sehr freundlich ist – studierendenbezogen sehr freundlich ist – und viele Studierende zur Graduierung bringt, dann wird sie unter dem Titel dieser Wettbewerbskomponente ebenfalls belohnt werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte hier auch sagen, dass die Universitätsfinanzierung Neu zwei klare Ziele hat: Auf der einen Seite geht es um die Verbesserung der Forschung an den Universi­täten und damit um Infrastruktur, Geräteausstattung und Personal, und auf der ande­ren Seite sollen die Bedingungen für das Studium verbessert werden. Die langen Stu­dienzeiten, der hohe Drop-out – auch wenn es sich dabei nicht immer um einen echten Drop-out handelt, das weiß ich schon –, aber auch die relativ geringen Graduierten­quoten sind ernsthafte Kritikpunkte am universitären System.

Mit 500 Stellen – es können aber je nach Entscheidung der autonomen Universität auch mehr sein, wenn man nicht nur auf Professuren, sondern vielleicht auch auf Se­nior Lecturer oder andere Stellenprofile abstellt; es wird auf alle Fälle mehr Personal an den Universitäten geben – kann man an der Studierbarkeit einzelner Curricula etwas verändern.

Dazu muss ich aber auch sagen, dass planbare Studienplätze eine Voraussetzung für verbesserte Studienbedingungen sind. Die Universitäten sollen ihre Sorgfaltspflicht den Studierenden gegenüber wahrnehmen können, und dazu benötigen sie Instrumente, um die Zahl der Aufgenommenen mit den Kapazitäten in Übereinstimmung zu bringen. Eine bestimmte Anzahl von Professoren und Professorinnen kann eben nur eine be­stimmte Anzahl von Studierenden verantwortungsbewusst betreuen.

Wenn es an einer Universität einen plötzlichen Run auf ein spezifisches Curriculum gibt, dann darf die Universität auch den jeweils zuständigen Fachminister um Hilfe er­suchen, um sagen zu können, wie über faire Zugangsmanagementverfahren eine rea­listische Zahl hergestellt werden kann. Aufnahmeverfahren sind im Gesetz vorgese­hen, aber solche, die auch so etwas wie Eignungsfeedback beinhalten – eine an sich sehr vernünftige Idee –: Studierende sollen bereits vor der Zulassung selbst erkennen, ob sie für dieses oder für jenes Studium geeignet sind. Solch eine Eignungsüberprü­fung ohne weitere bindende Kraft für das Zulassungsverfahren setzt auf die reflexive Kraft der jeweiligen Studierenden.

Es freut mich daher, dass die Rektoren als Vertreter der Universitäten insgesamt un­seren Vorschlägen grundsätzlich positiv gegenüberstehen und die neue Finanzierungs­systematik – ich zitiere – als großen, guten und erfreulichen Schritt in die europäische Normalität betrachten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Mein letzter Punkt im Zusammenhang mit Forschung und Zukunft: Ich kündige die Be­arbeitung und Erarbeitung einer Post-2020-Forschungsstrategie an. Das ist eine For­schungsstrategie, die auf einem derzeit laufenden Reviewverfahren, einem Evaluie­rungsverfahren der OECD, basiert und die derzeit kritisch reflektiert, wie unser System der Forschungsförderung und -finanzierung aussieht. In diesem Zusammenhang stre­be ich abermals an, so etwas wie einen Pakt für Forschung und Entwicklung im Zu­sammenhang mit einem Forschungsfinanzierungsgesetz zu erreichen. Darüber haben Sie vielleicht schon öfters diskutiert, wir an den Universitäten genauso, es ist aber bis­her nicht realisiert worden.

Wir brauchen im Bereich der Forschungsförderung Planungssicherheit, weil es wenig Sinn macht, hochspezialisierte Forschungsinstitutionen aufzubauen, denen aber viel­leicht nach drei Jahren zu sagen, sorry, es geht sich mit dem Geld nicht aus. Wir wollen eine gewisse Planungssicherheit im Forschungsbereich erreichen, auch mit ei­ner anzustrebenden Forschungsfinanzierungsquote von sehr stolzen 3,76 Prozent, die im Regierungsübereinkommen vorgesehen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Hohes Haus! Soweit meine Erklärung und mein Bericht über die derzeitigen und ge­planten Maßnahmen. Bildung, Wissenschaft und Forschung sind zentrale Bereiche der Zukunftssicherung Österreichs. Ich bitte auch um Ihre Unterstützung in dem Bereich, soweit dies sozusagen politisch möglich ist. Ich bedanke mich für die Kritik und für die Anregungen. Ich werde sehen, was man davon miteinbeziehen kann. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

12.19

Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals, Herr Bundesminister.

Ich erteile nun Herrn Bundesminister Herbert Kickl das Wort. – Bitte, Herr Minister.