15.36

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Herr Bundesminister, mir geht es weniger darum, ob wir einen eigenen Bericht zu Rechtsextremismus haben oder ob wir das in einem gesammelten Bericht zu allen Ex­tremismen diskutieren. Ich glaube, wichtig ist, dass Sie heute an und für sich sehr klare Worte gewählt haben, und was noch viel wichtiger sein wird, ist, dass wir diese Debatte ernsthaft führen. Und das ist genau das – da Kollege Kumpitsch gerade von dieser Anfrage als einer Schande des Parlamentarismus gesprochen hat –: Ich finde es eini­germaßen traurig und irritierend, wie die Debatte hier geführt wird.

Frau Kollegin Schimanek, ich muss Sie jetzt hervorheben, da Sie als Erste mit dem Kopf nicken. Sie rufen während der Debatte in Richtung SPÖ (Zwischenruf der Abg. Schimanek) – lassen Sie mich kurz fertigreden! –: Wenigstens keine Kinderschänder!, oder so etwas. (Abg. Schimanek: Genau!) – Ich finde, dass jedes Verbrechen in Ös­terreich unerträglich ist, und was ich schrecklich finde – und das ist etwas Ähnliches wie das, was Kollege Rosenkranz in der vorigen Debatte probiert hat, als er angespro­chen hat, die SPÖ habe auch die und die Mitglieder in Burschenschaften gehabt - - (Abg. Rosenkranz: Ist auch gut so! Wir sind stolz darauf!) – Schauen Sie, mir geht es nicht darum, ob es gut oder schlecht ist. Kollege Rädler schreit in diesem Zusammen­hang heraus, es sei eh ein SPÖler gewesen, der das Liederbuch gemalt hat.

Ich finde es unerträglich, wenn wir hier aufwiegen, wer mehr oder weniger Nazis in sei­nen Organisationen hat und wer weniger oder mehr rechtsextremistische Straftaten be­geht. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.) Das ist als Ganzes unerträglich. Wir müs­sen uns dieser Debatte ernsthaft stellen, auch dem, dass wir ein Problem mit Rechts­extremismus in Österreich haben. (Abg. Rosenkranz: Aber manchen Spiegel vorhal­ten gehört schon hierher!) – Herr Kollege Rosenkranz, wenn Sie glauben, dass das etwas bringt, den Spiegel vorzuhalten (Abg. Rosenkranz: Das gehört zur Hygiene!); ich will niemandem den Spiegel vorhalten, ich will, dass wir ernsthaft über das Thema Rechtsextremismus in Österreich reden und dass wir alles nur Erdenkliche tun, damit gewisse Dinge nicht vorkommen.

Damit hier jetzt niemand dem anderen den Spiegel vorhalten muss, werde ich Ihnen all die Dinge, die ich als Einzelfälle vortrage, nicht mit parteipolitischen Zugehörigkeiten erzählen, sondern es kann sich jeder selbst denken, wo es hingehört. Es ist auch voll­kommen irrelevant. Es geht darum, dass wir in Österreich noch immer, leider Gottes, viele Politikerinnen und Politiker haben, die nicht wissen, wie sie mit unserer Vergan­genheit umzugehen haben.

Da geht es einerseits darum, dass es einen Spitzenkandidaten einer Partei gibt, der in einer Burschenschaft ist, in der diese widerwärtigen Lieder gesungen werden. Das hal­te ich für unerträglich. Insbesondere halte ich es für unerträglich, wenn er dann da­nach, wenn das an die Öffentlichkeit kommt, auf seiner Facebook-Page schreibt: „Jetzt erst recht!“, und natürlich bewusst die Anspielung auf Kurt Waldheim in diesem Zusam­menhang in Kauf nimmt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Wir können darüber diskutieren, wenn Gemeindevorstände den Leiter des Dokumenta­tionsarchivs als „Judenschwein“ bezeichnen. Wir können darüber diskutieren. Es geht auch gar nicht einmal immer darum, ob es Politiker sind. Wenn sich Mitglieder der Ger­mania in Wien bei ihrem Faschingsgschnas als Mitglieder des Ku-Klux-Klan verkleiden und gleichzeitig eines ihrer Mitglieder dazu auffordern, sich als ultraorthodoxen Juden zu verkleiden, dann sehe ich, dass wir ein Problem haben in Österreich. Wenn ein ehe­maliger Europaabgeordneter, der mir gerade vorhin im Kleinen Redoutensaal entge­gengekommen ist, die Europäische Union mit dem Dritten Reich vergleicht und von einem „Negerkonglomerat“ spricht, dann haben wir ein massives Problem. Wenn Ge­meinderäte aus Niederösterreich auf ihrer Facebook-Page posten: „Menschen sind wie Bananen ... Keiner mag die Schwarzen..!“, dann haben wir ein massives Problem. Wenn Gemeinderäte, Bezirksparteiobleute von Parteien, den Hitlergruß machen, da­nach sagen, das war ein Rapid-Fangesang, und zufälligerweise ein paar Jahre später von dieser Partei in den Bundesrat entsendet werden sollten – jetzt dann doch nicht –, dann haben wir ein Problem.

Wenn Gemeinderäte Flüchtlinge als „Menschenmaterial“ bezeichnen, dann haben wir ein massives Problem. Wenn Ersatzgemeinderäte auf Facebook posten: „Fette türken­hochzeit in au an der donau! Wer bringt a autobomberl?“, dann haben wir ein massives Problem. Wenn ein Kassier einer Partei ein Bild von H.-C. Strache mit einem Zitat von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels kommentiert: „Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!“, dann haben wir ein massives Problem.

Es ist mir auch vollkommen egal, welcher Partei diese Leute angehören! Ich will, dass wir uns ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen und aufhören, gegeneinander aufzu­rechnen, wer mehr Nazis in seiner Partei gehabt hat. Alle politischen Parteien hatten dieses Problem nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt einige Parteien, die es aufgear­beitet haben, manche haben es weniger gut aufgearbeitet, manche in Wirklichkeit gar nicht. Wir müssen das aber aufarbeiten, und wir müssen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus vorgehen, und das erwarte ich mir von jedem hier im Haus! Ich halte ein gegenseitiges Aufrechnen für un­erträglich. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Als Sukkus darf ich hier anregen – das Thema ist ja in der Tat ein sehr ernstes –, dass sich das Parlament in seinem heurigen Gedenkjahr 2018 mit dieser Thematik auch in Form eines Symposions auseinandersetzt, und dass wir das, was wir gemeinsam in der Präsidiale zu formulieren haben, auch gemeinsam tragen.

Ich denke, so unterschiedlich die Debattenbeiträge waren: Klar ist, und das ist mir als Präsident wichtig, dass es einen Grundkonsens des Antifaschismus, des Antirassismus und gegen Antisemitismus gibt! Derartige Tendenzen gilt es zu bekämpfen, und Wie­derbetätigung muss auch strafrechtlich mit allen Konsequenzen verfolgt werden.

Wenn diesem Vorschlag auch hier beigetreten werden kann, würde ich mich freuen. Ich werde das in der nächsten Präsidiale auch zum Vorschlag machen. (Allgemeiner Beifall.)