9.13.03

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl|: Herr Präsident! Meine Herren auf der Re­gierungsbank! Hohes Haus! Ich freue mich sehr darüber, dass wir heute im Zuge die­ser Aktuellen Stunde die Gelegenheit haben, über das Thema Sicherheit, das ja durch­aus kontroversiell diskutiert wird, unter einem ganz wesentlichen Aspekt zu diskutieren, nämlich unter dem Aspekt einer Offensive, weil ich glaube, dass es in diesem Bereich eine Offensive braucht.

Ich möchte am Beginn mit einer sehr, sehr allgemeinen Frage beginnen: Meine sehr geehrten Damen und Herren, was glauben Sie denn eigentlich, wofür wir als Politiker in einer Demokratie da sind? Was glauben Sie, wofür wir da sind? (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Aus meiner Sicht – Herr Jarolim, Sie sollten ganz besonders genau zuhö­ren! – sind wir dafür da, um die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen (Beifall bei FPÖ und ÖVP) und daran zu arbeiten, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um diese Ängste abzubauen.

Das ist ein ganz, ganz entscheidender Punkt. Ich nenne das, nach dem, was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, eine Rückbesinnung auf wesentliche Tugenden des politischen Geschehens. Diese Bundesregierung bekennt sich zu dieser Rückbesin­nung, das ist eine der edelsten und eine der vornehmsten Aufgaben, die der Politik zu­kommt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Geist dieser Aufgabe haben wir unser Regierungsprogramm verfasst und in diesem Geist gehen wir Schritt für Schritt daran, quer durch alle Bereiche der Politik die entsprechenden Maßnahmen umzuset­zen.

Wenn ich von den Sorgen und Nöten der Bevölkerung spreche, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann steht das Thema Sicherheit ganz zentral im Mittelpunkt und im Fokus der gesamten Aufmerksamkeit: Sicherheit – ich rede von ihrem Schutz, ich rede von ihrer Verteidigung, ich rede von ihrem Ausbau und ich rede von ihrer Bewah­rung auch im Zusammenhang mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit als solcher und na­türlich auch im Zusammenhang mit den bürgerlichen Freiheiten. Das ist kein Wider­spruch, sondern das sind zwei Komponenten, die einander ergänzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich lade Sie ein, insbesondere vonseiten der Opposition, sich mit uns zu freuen. Freuen Sie sich mit uns darüber, dass in Zeiten, in denen wir aufgrund von vielen, vielen Fehlentscheidungen der Vergangenheit sparen müssen, im Bereich der Sicherheit nicht gespart wird! Das ist doch ein Grund zur Freu­de, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Freuen Sie sich darüber, dass wir mehr Geld im Sicherheitsbereich zur Verfügung ha­ben, was es uns ermöglicht, ein ambitioniertes Personalpaket auf den Weg zu bringen! 2 000 Ausbildungsplanstellen mehr, 2 000 Planstellen mehr für die Exekutive (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried), 4 000 im Verlauf der gesamten Periode: Damit schlie­ßen wir eine wesentliche Lücke im Sicherheitsbereich. Das ermöglicht uns mehr Prä­senz – und mehr Präsenz ist ein Garant für eine bessere und effektivere Prävention. Das sorgt für eine Entlastung bei den Überstunden (Zwischenruf des Abg. Wittmann), das motiviert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, statt sie weiter zu frustrieren, was of­fensichtlich die Idee der Linken in diesem Land wäre. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Wir schaffen es damit auch, die entsprechenden personellen Antworten auf Herausfor­derungen der Zukunft zu geben. Sie können es sich noch so sehr wünschen, die Krimi­nalität entwickelt sich weiter, die Herausforderungen stellen uns vor neue Aufgaben. (Abgeordnete der Liste Pilz, die Masken mit den Gesichtszügen von Bundesminister Kickl aufgesetzt haben, tragen Überwachungskameraattrappen und Transparente mit der Aufschrift „Nein zur Überwachung“ durch den Saal.)

 

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Ich bitte Sie, das in dieser Form zu unterlassen und die Würde des Hohen Hauses wiederherzustellen.

Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Klubobleute zu mir.

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(Die Sitzung wird um 9.17 Uhr unterbrochen und um 9.22 Uhr wieder aufgenommen.)

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder auf­nehmen und den Herrn Bundesminister ersuchen, fortzufahren.

 

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl| (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin gar nicht unglücklich über diese Maßnahme, die Sie hier gesetzt haben, weil es eines ganz klar und deutlich zeigt: wo in diesem Haus die Kräfte sitzen, die eine verantwortungsbewusste Politik vorantreiben (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ), und wo diejenigen sitzen, die mit dem Begriff der Verantwortung offensichtlich nicht wirklich umgehen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das müssen Sie sich halt gefallen lassen, wenn Sie mit solchen Aktionen arbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich von einer Sicherheitsoffensive spreche, dann spreche ich nicht nur von der Personaloffensive, die ich gerade ange­sprochen habe, dann spreche ich auch von einer Rückführungsoffensive; das ist ein ganz, ganz wesentliches Anliegen, das diese Bundesregierung vorantreibt. Ich darf Sie davon in Kenntnis setzen, dass wir bei der Zahl der Rückführungen im Jänner dieses Jahres einen deutlich höheren Wert erreicht haben als im Jänner des Vorjahres. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit in diesem Land, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn ich von einer Sicherheitsoffensive spreche, dann spreche ich natürlich auch vom sogenannten Sicherheitspaket, und ich finde, dass dieses Paket diesen Namen voll­kommen zu Recht trägt. Ich werde Ihnen jetzt ein paar Dinge dazu sagen und würde Sie ersuchen, zuzuhören, damit Sie nicht weiter Ihren eigenen Vorurteilen auf den Leim gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von der Liste Pilz! (Zwischenruf bei der Liste Pilz.)

Dieses Sicherheitspaket, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist kein gefährliches Überwachungspaket für die Masse. Das ist eine falsche Behauptung, da werden ganz gezielt falsche Bilder produziert, um die Bevölkerung zu verunsichern. Ich halte das für unseriös, und ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich halte das für unverantwortlich. Und wenn man es noch etwas deutlicher auf den Punkt bringt, dann könnte ich sagen, ich halte es für unangebrachte Angstmacherei, die hier betrieben wird.

Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sicherheitspaket ist so etwas wie eine Firewall. Das Sicherheitspaket ist ein Schutzschirm für die Bevölkerung. Wovor wird die Bevölkerung geschützt? – Sie wird vor kriminellen Aktivitäten Einzelner ge­schützt, das heißt, die Masse wird geschützt, indem Einzelne im Anlassfall und auf rich­terliche Genehmigung hin überwacht werden können.

Was sind das für Einzelne, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Das sind Per­sonen, die im Verdacht stehen, eine schwere Straftat begangen zu haben, oder von denen wir wissen, dass sie eine solche begangen haben, und nach denen gefahndet wird. Das sind nicht die Hendldiebe und das sind nicht die Leute, die am Sonntag viel­leicht vergessen, beim Zeitungsständer ein paar Cent einzuwerfen, sondern wir reden da von schweren Straftaten, wir reden da von Extremismus, wir reden von Terrorismus, und wir reden von organisierter Kriminalität, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich bin davon überzeugt, dass diesen Elementen der Boden nach Möglichkeit entzogen werden muss.

Wir alle hier herinnen wissen doch eines ganz genau: Aufgrund einer richterlichen An­ordnung – genau einer solchen richterlichen Anordnung wie jener, von der ich jetzt ge­sprochen habe – darf bei einem begründeten Verdacht gegen eine einzelne Person oder eine Gruppierung – und wenn ich von Gruppierungen rede, dann sind wir bei der organisierten Kriminalität, dann sind wir bei Menschenhandel und bei der Schlepperei, dann sind wir beim Suchtgifthandel und bei diesen Dingen – bereits heute das Festnetz dieser Person überwacht werden; es darf bereits heute das Mobiltelefon dieser Person überwacht werden, es darf bereits heute die SMS-Korrespondenz dieser Person über­wacht werden, und es darf bereits heute die E-Mail-Korrespondenz dieser Person überwacht werden. Und ich denke, dass es gut ist, dass wir diese Möglichkeiten für die Ermittlungsbehörden haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was nicht überwacht werden darf, das ist der Bereich von WhatsApp und von anderen Messengerdiensten in diesem Zusammenhang. Das wissen diese Kriminellen ganz genau, das wissen sie, und deswegen weichen sie genau in diese Bereiche aus, weil sie sich dort sicher fühlen, weil sie sich dort geschützt fühlen und weil sie dort bisher ungestört ihre kriminellen Aktivitäten zu unser aller Schaden betreiben können. – Wol­len Sie wirklich die Verantwortung dafür übernehmen, dass diese riesige Lücke, dieses sicherheitsmäßig unbearbeitete Feld für diese Kriminellen offen bleibt? Wollen Sie diese Verantwortung übernehmen? Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könn­te keine Minute mehr ruhig schlafen, wenn ich nicht alles unternehmen würde, um die­se Sicherheitslücke zu schließen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ich bringe es auf den Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Nicht der Tro­janer, der auf dem Handy eines einzelnen Verdächtigen im Anlassfall und auf richter­liche Anordnung installiert wird, ist böse, sondern jene Person, bei der ein hochgradi­ger Verdacht besteht, dass es um schwere kriminelle Straftaten geht, um organisierte Kriminalität, um Extremismus oder Terrorismus, diese Person ist mit hoher Wahr­scheinlichkeit böse, und deshalb wird als letzte Maßnahme dann auch diese sicher­heitstechnische Methode implementiert – im Interesse aller unserer Bürgerinnen und Bür­ger, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Ich darf Sie daher darum ersuchen, aufklärend zu wirken und keine unnötige Verängs­tigung zu betreiben; denn das, was Sie da tun, ist, hin und wieder ein Bild zu erzeugen, als würde jeder in Österreich abgehört, als hätte jeder auf seinem Handy einen solchen Trojaner implementiert. – Das ist völliger Unfug! Erst dann, wenn der Verdacht besteht, gegen eine einzelne Person, geschützt von einem ordentlichen Rechtspaket, wird als eine der letztmöglichen Maßnahmen, die man im Kampf gegen Kriminelle und gegen organisierte Verbrecher setzen kann, zu dieser Maßnahme gegriffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein anderes Beispiel: die Kennzeichenerfas­sung. Sie wissen ganz genau, dass es bereits jetzt Kennzeichenerfassungssysteme gibt. Da werden Nummerntafeln automatisiert aufgenommen, und diese Nummernta­feln werden verglichen. Ja, womit werden diese Nummerntafeln verglichen? – Sie wer­den mit einer Fahndungsdatei verglichen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und in eine Fahndungsdatei kommt man nicht so ohne Weiteres hinein. Wenn es eine automatisiert festgestellte Übereinstimmung dieser Nummerntafeln gibt, dann tritt wiederum der Einzelfall ein, von dem wir sprechen. In diesem Einzelfall der Überein­stimmung ist mit den neuen Möglichkeiten dann auch gesichert, dass wir zu mehr Informationen über dieses Fahrzeug kommen. Dann wissen wir nicht nur die Num­merntafel, dann wissen wir auch: Das ist ein rotes Fahrzeug, das ist diese und jene Marke, und da sitzt diese und jene Person am Steuer. Das machen wir nicht aus Jux und Tollerei, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern das machen wir des­halb, damit man dieses Fahrzeug dann auch entsprechend anhalten und aus dem Ver­kehr ziehen kann und um nicht noch zusätzlich unsere Polizistinnen und Polizisten bei der Amtsausübung zu gefährden.

Das ist alles ein Beitrag zur Sicherheit, und deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich an Sie appellieren: Die Maßnahmen dieses Sicherheitspakets – ich habe nur zwei davon genannt, man könnte es bei allen durchdeklinieren – sind zielge­richtet, sie sind treffsicher, sie sind dosiert, sie sind, um es so zu formulieren, fast chi­rurgisch genau, sie sind einzelfallbezogen, und sie sind mit einem entsprechenden Pa­ket von Rechtsschutzmitteln ausgestattet.

Ich glaube, es ist uns gelungen, hier das rechte Maß zwischen dem, was die Erhaltung und die Förderung der Sicherheit erfordern, und dem, was notwendig ist, um Grund- und Freiheitsrechte zu schützen, zu finden. Deshalb bitte ich Sie um ehrliche Informa­tion und um Unterstützung für diesen Kurs der Sicherheit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Werner Amon. – Bitte.