9.47.23

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS)|: Vielleicht vorweg kurz ein Wort zur ÖVP: Herr Kollege Amon, Sie haben schon recht, es ist keine anlasslose Massenüber­wachung. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wäre es aber genau das, also insofern ist das etwas Positives, was die Freiheitlichen diesbezüglich eingebracht haben. Ihre Vorstellung, die Vorstellung der Überwachungspartei ÖVP, war immer die anlasslose Massenüberwachung, das haben Sie in den letzten Jahrzehnten zur Genüge bewie­sen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Herr Kollege Rosenkranz! Herr Kollege Gudenus! Man kann die Debatte differenziert führen. Herr Bundesminister Kickl, ja, Sie haben Dinge hineinverhandelt, das muss man Ihnen ohne Weiteres zugestehen. Es soll diese Maßnahmen in Zukunft nur bei ei­nem Anfangsverdacht geben, es soll in Zukunft eine richterliche Genehmigung erfor­derlich sein, und, ich habe es schon gesagt, wenn es nach der ÖVP gegangen wäre, wäre das ohne das alles gekommen. Das ändert aber trotzdem nichts daran, dass Sie sich schließlich sehr wohl an den hemmungslosen Überwachungsfantasien Ihres Koali­tionspartners beteiligen. Die Vorgeschichte haben wir schon gehört: Sie haben von Stasimethoden und DDR gesprochen. Und Sie haben jetzt eingemahnt, Sie hätten gerne ehrliche Informationen, und gesagt, man soll keine falschen Behauptungen ver­breiten.

Kollege Amon hat von all diesen linken Kritikern in Österreich gesprochen. Herr Kolle­ge Amon, die österreichische Rechtsanwaltskammer ist ein Hort des linkslinken was auch immer? – Das müssen Sie dann Ihren ÖVP-Kollegen in der Rechtsanwaltskam­mer erklären. Ich glaube es nicht. (Abg. Rädler – auf den Redner deutend –: Sie waren gemeint!) Auch die Vereinigung aller Informatikfakultäten in Österreich ist, glaube ich, an und für sich nicht das, was so als linkslinks wahrgenommen werden kann – richtige Informationen und falsche Behauptungen, Herr Bundesminister Kickl.

Sie haben den Bundestrojaner mit der Möglichkeit verglichen, das Festnetz zu überwa­chen, dass man bei einem entsprechenden Anfangsverdacht einen Festnetzanschluss oder ein Handy abhört. Kollege Gudenus hat gerade gesagt, man will ja mit diesem Bundestrojaner terroristische Straftaten entsprechend verhindern. Da haben Sie sich aber offensichtlich nicht ausreichend mit diesem Mechanismus des Bundestrojaners beschäftigt. Der Bundestrojaner will genau das machen, was normalerweise Terroris­ten machen. Sie verabschieden sich als Bundesregierung bewusst von IT-Sicherheit und nehmen in Kauf, dass wir Sicherheitslücken öffnen – und es sind genau diese Si­cherheitslücken, die dann von Terroristen verwendet werden, die in Form von Cyberkri­minalität terroristische Straftaten begehen. Das ist das große Problem. Sie müssten sich mit diesen technischen Details befassen, und dann müssten Sie so etwas auch entsprechend verhindern. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie agieren genau so wie all die Kriminellen, all die Hacker, die Sicherheitslücken ab­sichtlich offenlassen. Sie müssen diese Lücken in Zukunft natürlich offen halten, damit auch der Bundestrojaner dort hineingehen kann, und das ist nachhaltig gefährlich für die österreichische Bevölkerung.

In dem Paket ist Quick Freeze drinnen. Ja, ich gebe Ihnen recht, grundsätzlich ist Quick Freeze etwas Besseres als die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, nur: Das, was Sie hier als Quick Freeze bezeichnen, ist von dem, was man eigentlich unter Quick Freeze versteht, doch einigermaßen weit entfernt. Es gibt eine viel längere Da­tenspeicherung, es gibt keine Einschränkung des Personenkreises, es gibt keine räum­liche Einschränkung  insofern ist auch das jedenfalls problematisch.

Sie wollen als Nächstes – diesen Teil haben Sie gar nicht angesprochen – die Mög­lichkeit des Zugriffs auf Video- und Tonaufnahmen im öffentlichen Raum. Ich finde es schon grundsätzlich beunruhigend, wenn die Polizei auf alle Kameras im öffentlichen Raum zugreifen kann, und ich finde das noch beunruhigender, wenn man weiß, wie sich die Software zur automatischen Gesichtserkennung weiterentwickelt. Das ist na­türlich der Schritt zu einem umfassenden Überwachungsstaat, weil Sie diese Möglich­keiten schaffen. Das Problem ist nämlich, wo die Möglichkeiten da sind, ist auch immer Missbrauchsanfälligkeit vorhanden; und das ist die große Gefahr dahinter: Sie schaffen Möglichkeiten, und irgendwann einmal werden genau diese Möglichkeiten auch ge­nutzt werden.

Sie haben die Überwachung im Straßenverkehr angesprochen. Es sollen in Zukunft die gesamten Kennzeichen erfasst werden können, der Autotyp, die Marke, die Daten des Lenkers, und Sie wollen die Lokalisierung von Geräten durch IMSI-Catcher. Das sind alles Überwachungstechnologien, die weitaus mehr können als das, was Sie im Gesetz vorsehen. Sie wollen die Registrierungspflicht für Prepaid-SIM-Karten. Sie wollen die Ausweitung des Lauschangriffes. Sie wollen die Einschränkung des Briefgeheimnis­ses – das ist eines der fundamentalen und ältesten Grundrechte in Österreich, und die­ses Grundrecht wollen Sie einschränken! Sie wollen durch Sicherheitsforen eine Block­wartmentalität in Österreich etablieren.

Da entstehen riesige Probleme, das ist gefährlich! Das ist kein Sicherheitspaket, son­dern das ist eines der größten Unsicherheitspakete, die wir je in Österreich hatten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

 

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Ich bitte Sie, „Blockwartmentalität“ zurückzuneh­men. (Abg. Gudenus: Genau, unglaublich!)

 

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA| (fortsetzend): Ich nehme „Blockwartmentali­tät“ zurück; das ändert nichts daran, dass die Sicherheitsforen etwas Gefährliches dar­stellen.

Die FPÖ hat jetzt angekündigt, sie will eine Ausschussbegutachtung, ein Experten­hearing. Ich nehme sie dabei beim Wort. Ich halte das für zwingend notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ, ich bitte Sie wirklich um eines, und ich weiß ja, dass Ihnen das grundsätzlich auch ein Anliegen ist: Lassen Sie sich im Zusammenhang mit Datenschutz von der Überwachungspartei ÖVP nicht über den Tisch ziehen und hören Sie auch mit diesem tätlichen Angriff auf die Freiheit, auf die Privatsphäre und auf die Rechtsstaatlichkeit in Österreich auf! (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Rosenkranz: Nein, das passiert eh nicht! Aber lassen Sie sich von Frau Präsidentin Griss über die Qualität der österreichi­schen Richterschaft aufklären! Frau Präsidentin Griss hat eine eigene Wahrnehmung über die Qualität österreichischer Richter! Daher glaube ich ...!)

9.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau National­rätin Alma Zadić. – Bitte.