12.45

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätztes Publikum! Wie bezeichne ich eine Gesellschaft, in der folgende Ver­brechen mittlerweile an der Tagesordnung stehen? Am Wiener Praterstern vergewal­tigen drei junge Afghanen eine Studentin. In Tulln vergewaltigen ein Afghane und ein Somalier eine 15-Jährige. In Freiburg ermordet ein Afghane die 19-jährige Maria, in Kandel ein Afghane die 15-jährige Mia. Es gab eine Vergewaltigung einer Joggerin in Bayern durch einen abgelehnten nigerianischen Asylwerber. Ein Syrer fügt in Graz seiner Frau schwerste Brandverletzungen zu. Ein Tschetschene wirft in Cottbus seine Frau aus dem Fenster und schneidet ihr dann die Kehle durch. Der letzte Fall: Acht Iraker verschleppen in Wien zu Silvester 2015 eine deutsche Lehrerin und verge­wal­tigen sie; und so weiter und so fort.

Ich nenne das eine multikriminelle Gesellschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten hier in Westeuropa etabliert hat, genauso wie Professor Hauer das in einem Vortrag aus dem Jahr 2010 zum Thema Sicherheitsverwaltung und Europäische Menschen­rechtskonvention getan hat.

Er bezeichnete den Europäischen Gerichtshof als „getrost [...] mitverantwortlich“ für diese Entwicklung, und natürlich ist das so. Warum? – All diesen von mir aufgelisteten Fällen – das sind nicht die Fälle von Professor Hauer, sondern meine, die ich der Zeitung entnommen habe und verfolge – ist gemein, dass sich die ausländischen Straf­täter noch im Land befinden, nämlich in Österreich beziehungsweise in Deutschland.

Sie werden auch nach Verbüßung ihrer Haftstrafen mit sehr, sehr hoher Wahrschein­lichkeit nicht abgeschoben werden können, aber nicht, weil wir das in unserer natio­nalen Gesetzgebung nicht vorgesehen hätten, sondern weil der Europäische Ge­richtshof für Menschenrechte eine Judikaturlinie entwickelt hat, die die Abschiebung von ausländischen Straftätern beinahe unmöglich macht.

Ich mache es Ihnen am Beispiel der acht Iraker deutlich: Die sitzen jetzt ein und büßen ihre Haftstrafe ab. Nach Verbüßung dieser könnten sie nach unserem Recht abge­schoben werden – sie werden sich aber auf Artikel 3 EMRK berufen und sagen: Nein, im Irak erwartet uns eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung.

Wir müssen jetzt prüfen: Stimmt das oder stimmt das nicht? Der Europäische Gerichts­hof für Menschenrechte geht so weit, dass er in Einzelfällen sogar eine Bescheinigung aus dem Heimatstaat der Straftäter verlangt, dass dieser ihn nach der Abschiebung anständig behandeln wird. Gut, wie praktikabel eine solche Judikatur ist, glaube ich, können Sie alle abschätzen. Das heißt, die acht Menschen werden im Land bleiben, und die Rechte des Opfers, der Frau, deren Leben sie innerhalb weniger Stunden zerstört haben, spielen bei dieser ganzen Abwägung nicht die geringste Rolle.

Generell lenkt also der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Fokus auf die Grundrechte des Täters. Bei der Abwägung, ob eine Abschiebung nach Artikel 3 EMRK vorzunehmen ist, werden den Grundrechten des Täters nicht die Grundrechte des Opfers gegenübergestellt – also wie schwer der Eingriff in die Grundrechtssphäre des Opfers war –, sondern lediglich die öffentliche Sicherheit. Dies führt dazu, dass wir zwar ab und zu einen Terroristen oder Gefährder abschieben dürfen, auch wenn die­sen vielleicht eine unfreundliche Behandlung im Heimatstaat erwartet (Abg. Scherak: Nicht „unfreundlich“!), aber die ganz normalen Vergewaltiger, Mörder, Räuber und so weiter bleiben im Land, weil sie die öffentliche Sicherheit nicht gefährden.

Ich denke, diese Judikaturlinie kann man getrost als mitverantwortlich für die multi­kriminelle Gesellschaft bezeichnen, die auch bei uns – leider – entstanden ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Professor Hauer hat das in seinem Beitrag für jeden nachvollziehbar ganz sachlich analysiert und festgestellt – allerdings hat er dafür von der Opposition Kommentare geerntet: Abgeordneter Scherak ist „fassungslos“, dass so jemand für das Amt eines Verfassungsrichters infrage kommt, ein Höchstrichter, der „einem anderen Höchst­gericht vorwirft, der Kriminalität Vorschub zu leisten“.

Für Professor Mayer, der ja kaum etwas unkommentiert lässt, das in unserer Republik vor sich geht, ist eine Grenze überschritten: So jemand könne doch nicht zum VfGH angelobt werden! (Abg. Strolz: Danke für das Wiederholen der Argumente! – Zwi­schenruf des Abg. Schieder.)

„Der Verfassungsgerichtshof hat auch auf Minderheiten zu achten“, sagt Mayer – mit den Minderheiten meint er die straffälligen Täter! Der Vorsitzführende bei den Hearings Wittmann sagte: „Ein Verfassungsrichter, der eine andere wichtige rechtsstaatliche Institution verächtlich macht, ist am falschen Platz“. (Ruf bei der SPÖ: Richtig!)

Ich frage mich, ob diese Herrschaften, die ich gerade genannt habe, schon einmal juristische Fachzeitschriften gelesen haben! (Heiterkeit der Abg. Heinisch-Hosek. – Zwischenrufe der Abgeordneten Wittmann und Scherak.)

Von Professor Mayer weiß ich es, er hat das aber anscheinend kurzzeitig vergessen: Da gibt es immer die Rubrik Entscheidungsbesprechungen beziehungsweise Entschei­dungskritik. Das gehört zur täglichen Arbeit von Universitätsassistenten und -profes­so­ren, ich habe das selbst in meiner Zeit an der Universität gemacht, mein Kollege war damals Professor Hauer. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Teilen Sie das den Verlagen bitte mit, dass das nicht mehr zulässig ist, weil Kritik an Entscheidungen nicht mehr erlaubt ist! (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Ich weiß nicht, was vom Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft dann noch umfasst ist – un­sere Lehre und Forschung wird stehen bleiben, denn man darf ja nicht mehr kritisieren. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rosenkranz: Genau!)

Im Übrigen ist die Neigung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und auch des EuGH, Rechtspolitik zu betreiben, Gegenstand heftigster Diskussionen in der Fachwelt – das weiß man aber nur, wenn man sich diese Fachzeitschriften auch manchmal anschaut! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Loacker: Die Fachzeitschrift „Die Aula“?!)

Ich möchte jetzt nur keine Kollegen nennen, die sich damit befasst haben, denn vielleicht wollen die irgendwann einmal ein Amt bekleiden und sind dann derselben Hetzjagd ausgesetzt wie jetzt Professor Hauer. (Abg. Schieder: Geh bitte!)

Ich zitiere daher nur Professor Korinek, weil dieser nicht mehr unter uns weilt: Er hat gemeint, die Rechtsprechung des EuGH sei ein Schulbeispiel für ideologische Rechts­an­wendung. (Abg. Rosenkranz: Das war der Präsident des Verfassungsgerichts!) – Ja, und er war sehr würdig und hat dem VfGH nur Respekt verschafft. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Einen zitiere ich noch, der auch wirklich über den Dingen steht: Universitätsprofessor Christoph Grabenwarter, ein absolut renommierter Jurist aus dem Bereich des öffent­lichen Rechts. Da gibt es ein Interview mit ihm aus dem Jahr 2010, dasselbe Jahr, in dem Professor Hauer seinen Beitrag geschrieben hat. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Damals ist dieses Thema gerade aufgekommen, da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese sogenannte dynamische Rechtsprechung ent­wickelt hat. Grabenwarter sagte damals, dass die Richter des EGMR „tendenziell stärker politische Bewegungen auszulösen bereit sind“.

Er kritisiert auch ein bisschen die Besetzungspolitik und spricht auch über das Blei­berecht von integrierten Fremden. Dieses ist eine Erfindung des EGMR – ja, das war nirgendwo in Gesetzen vorgesehen! Das heißt, die Rechtsprechung ist wirklich sehr dynamisch. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Übrigens ist Professor Grabenwarter nicht nur ein absolut renommierter Jurist im Bereich des öffentlichen Rechts, er ist seit 2005 Mitglied des VfGH und ist nun erfreu­licherweise auch Vizepräsident des Höchstgerichtes. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Auch der Herr Vizepräsident des VfGH erlaubt sich also, die Freiheit der Wissenschaft in Anspruch zu nehmen.

Sehr geehrte Opposition, was jetzt? Sie haben sich in den letzten Tagen auf Kosten von Professor Hauer profilieren wollen. Herr Abgeordneter Scherak war ständig in der Presse – es ist Ihnen wahrscheinlich gelungen, Ihre Bekanntheit ein bisschen zu steigern (Zwischenrufe der Abgeordneten Scherak und Noll sowie Gegenrufe des Abg. Rosenkranz das jedoch auf Kosten von Professor Hauer, indem Sie sich in völlig unqualifizierter und auch sehr gemeiner Weise über ihn geäußert haben. Er hat völlig klargestellt, was er vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hält: nämlich dass mit diesem Grundrecht aus dem Staatsgrundgesetz von 1867 – es ist auch in der EMRK verankert – sicher nicht gemeint war, dass Gewaltausübung erlaubt ist!

Angriffe auf Polizisten, Sachbeschädigungen, Bespucken von PassantInnen sind von diesem Grundrecht nicht umfasst, das hat er gemeint – und Sie gehen hinaus an die Presse und sagen, er hat ein problematisches Verhältnis zum Versammlungsrecht. Das ist eine Gemeinheit! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Professor Hauer soll also ein Skandal sein und die Reputation des VfGH beschä­digen – was war mit den Besetzungen durch die SPÖ? Da wird von politischer Farce geredet, von Politschacher – was war bitte mit der Bestellung eines Ex-Mitarbeiters des Kabinetts von Bundeskanzler Gusenbauer zum Verfassungsrichter? (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.)

Was war mit der Bestellung der Büroleiterin von Staatssekretärin Ederer? Die sind jetzt auch – vielleicht wirklich höchst qualifizierte – Verfassungsrichter! (Abg. Schieder: Sind sie beide! – Abg. Rosenkranz: Eine Lichtgestalt!)

Wenn Sie jetzt aber vorwerfen, es gäbe da irgendeinen Postenschacher, sage ich, wir wissen eh ganz genau, was Sie gegen Professor Hauer haben: Es geht nicht um seine Qualifikation; jeder hier weiß, dass er höchst qualifiziert ist und auch beim Hearing voll­kommen überzeugt hat! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Ja, es hat auch andere gute, sehr gute Kandidaten gegeben. Es ist sehr schön, zu sehen, dass es so viele höchst qualifizierte Kandidaten gibt, aber übertroffen hat Herrn Professor Hauer niemand, kein einziger. (Rufe bei der SPÖ: Geh bitte!) Er ist daher ein äußerst qualifizierter Mann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es wäre aus meiner Sicht ein Skandal, wenn so jemand wie er nicht infrage kommt. (Abg. Rosenkranz: Genau!) Das ist jetzt natürlich sehr ungewohnt für die Opposition, dass jetzt plötzlich die besten Leute zum Zug kommen – ich verstehe schon, dass das für Irritationen sorgt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie werden sich aber daran gewöhnen müssen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.56

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Irmgard Griss. – Bitte.