15.06

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M (PILZ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben die heutige Sondersitzung einberufen lassen, weil wir verunsichert sind, weil die Öster­reiche­rinnen und Österreicher verunsichert sind, weil unser subjektives Sicherheits­gefühl erschüttert ist. (Heiterkeit der Abgeordneten Gudenus und Rosenkranz. – Abg. Belakowitsch: Unseres auch!)

Diese Regierung hat sich ein zentrales Thema auf die Fahnen geheftet, und das ist das Thema Sicherheit. Das Wort Sicherheit kommt 170-mal im Regierungsprogramm vor. (Abg. Rosenkranz: Bravo!) Sie wollen Österreich sicherer machen und unser subjek­tives Sicherheitsgefühl wieder heben – dann tun Sie das bitte! Mit den Aktionen der letzten Woche gelingt aber nur das Gegenteil. Binnen weniger Wochen haben Sie es geschafft, unser Vertrauen in eine der wichtigsten Sicherheitsbehörden des Landes derart zu erschüttern, dass wir uns die Frage stellen, ob Ihnen das Thema Sicherheit wirklich so wichtig ist. (Abg. Rosenkranz: Der Kollege Pilz hat eigentlich nie ein gutes Haar am BVT gelassen!)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist die zentrale Sicherheitsbehörde des Landes, Herr Rosenkranz. Zu den Kernkompetenzen dieser Behörde gehört die Bekämpfung terroristischer und extremistischer Netzwerke sowie die Bekämpfung organisierter Kriminalität. Dieser Geheimdienst ist für die Sicherheit und das Ansehen Österreichs von größter Bedeutung. (Abg. Rosenkranz: Das müs­sen Sie aber dem Herrn Pilz sagen!)

Die Vorgänge, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der umstrittenen Hausdurchsuchung fanden, haben bereits europaweit zu Besorgnis geführt. Europaweit herrscht nämlich die Sorge unter den Geheimdiensten, ob Österreich denn in der Lage sei, den vollen Schutz der EU-Staats- und -Regierungschefs während der EU-Ratspräsidentschaft zu gewährleisten. (Bundesminister Kickl: Haben sie Ihnen das erzählt?) Zu all dem hat eine chaotische und wohl überzogene Hausdurchsuchung geführt; die im Rampenlicht stehenden Kritikpunkte möchte ich jetzt noch einmal hier erläutern.

Erstens: Die Hausdurchsuchung wird von der Einsatzgruppe für Straßenkriminalität durchgeführt. Diese wird von einem FPÖ-Gemeinderat geleitet, Herrn Preiszler, der, wie gestern in den Medien berichtet wurde, im Verdacht steht, abstoßende, rassis­ti­sche und fremdenfeindliche Postings in Social Media verbreitet zu haben. (Abg. Gudenus: Ah, ist das der Neuigkeitswert der heutigen Sitzung? Mein Gott!)

Zweitens: Bei der Hausdurchsuchung werden zahlreiche Datensätze mitgenommen. Und das wohl brisanteste Detail am Rande: Von der Leiterin des Rechtsextremis­mus­büros werden 32 Gigabyte mitgenommen. Rechnet man das auf reinen geschriebenen Text um, sind das 1 Million DIN-A4-Seiten. – Sie war übrigens nicht Beschuldigte, sondern nur Zeugin in diesem Verfahren.

Drittens: Im Hausdurchsuchungsprotokoll wird Medienberichten zufolge von einer Staatsanwältin festgehalten, dass die Situation vor Ort recht chaotisch abläuft. Das ist beunruhigend, insbesondere, da es um eine hochsensible Hausdurchsuchung geht. (Abg. Gudenus: Wann ist eine Hausdurchsuchung nicht chaotisch?) Die Rechts­abtei­lung des BVT beantragt auch eine Versiegelung von hochsensiblen und klassifizierten Daten. Eine Versiegelung wird abgelehnt.

Diese Zustände, meine Damen und Herren, sind besorgniserregend. Es tut sich eine Reihe von Fragen auf, die meines Erachtens noch immer unbeantwortet sind: Welche Ermittlungsdateien, insbesondere zu den aktuellen Fällen des Rechtsextremis­mus­büros, wurden denn sichergestellt? In welchem Zusammenhang stehen denn diese Rechtsextremismusdaten mit dem Hausdurchsuchungsbefehl? Wo befinden sich diese Daten jetzt, wer hat Zugriff auf diese Daten und wie werden diese Zugriffe protokolliert? (Abg. Rosenkranz: Das müssen wir morgen den Justizminister fragen!) Bestehen Kopien dieser Daten, und wie viele Kopien gibt es denn? Und für mich eigentlich die wichtigste und entscheidendste Frage: Sind die Informanten hinsichtlich rechts­extre­mer Racheakte in Gefahr (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ) und hat sie jemand von dieser Gefahr verständigt? (Abg. Gudenus: Blutrache gibt es in Bosnien, nicht bei uns!)

Um diesen Wahnsinn zu verstehen, reicht es aber nicht, die chaotische Haus­durch­suchung zu beleuchten, bei der ganz zufällig aktuelle Ermittlungsakten aus den Rechts­extremismusbüros mitgenommen wurden. Wir müssen viel weiter schauen (Abg. Rosenkranz: Ist immer gut!), um den gesamten Schaden festzustellen, den wir in Österreich aufgrund von parteipolitischen Interessen sowohl der ÖVP als auch der FPÖ zu verzeichnen haben. Wir müssen uns fragen, ob parteipolitische Interessen, die tief in die FPÖ reichen, unsere zentrale Sicherheitsbehörde nicht schon viel länger geschädigt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ja schon länger im schwarzen Netz des BVT – das könnte auch strafrechtlich relevant sein. Ermittlungen stammen Medien zufolge aus den Jahren 2015 und 2017, aber an Dynamik hat die ganze BVT-Affäre erst dann gewonnen, als sich nach Neuwahlen ein Innenminister in die Ermittlungen eingemischt und Zeugen herbeigeführt hat. (Abg. Gudenus: Ist das verboten? Das muss er ja!)

Die zentralen Fragen, die man sich in dieser gesamten Affäre stellen muss: Warum haben denn die Ermittlungen gerade jetzt begonnen, und warum haben sie denn gerade jetzt an Fahrt gewonnen?, denn nur durch die Beantwortung dieser Fragen kann das gesamte Ausmaß dieser Affäre erfasst werden. Und es stehen zwei Mög­lichkeiten zur Option: Entweder im BVT war alles in Ordnung und der Herr Innen­minister hat versucht, ihm politisch unliebsame Menschen aus dem Weg zu räumen, oder im BVT war gar nichts in Ordnung und die Art und Weise des Innenministers, da aufräumen zu wollen, war grob ungeschickt oder vielleicht sogar rechtswidrig. (Abg. Gudenus: Das müssen Sie den Innenminister fragen!) Wir von der Liste Pilz wollen das jetzt wissen, wir wollen genau diese Details in einem Untersuchungsausschuss klären. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Herr Innenminister, Sie sind für unsere Sicherheit zuständig. (Abg. Gudenus: Falscher Adressat!) Im letzten Ausschuss haben Sie zu dem umstrittenen Überwachungspaket noch gesagt, diese Überwachungsmaßnahmen seien notwendig, um unsere Sicherheit zu gewährleisten, denn Sie könnten nicht mehr ruhig schlafen. Ja, Herr Innenminister, können Sie nach Ihrer öffentlichen Demontage der zentralen Sicherheitsbehörde ruhig schlafen? Wir Österreicherinnen und Österreicher können das nicht. (Abg. Gudenus: Kennen Sie den Rechtsstaat überhaupt?) Sie haben es geschafft, Ihre wichtigste Sicherheitsbehörde derart zu diskreditieren, dass sie sowohl national als auch inter­national keine Glaubwürdigkeit mehr genießt. (Abg. Gudenus: Der Schwarze Block im Parlament! Viel Spaß!) Fehlende Glaubwürdigkeit bedeutet für einen Ge­heimdienst das Aus. Er ist auf geheime Informationen angewiesen, und erhält er diese nicht, ist er am Ende – das Ende einer Behörde, die für die Bekämpfung von terroris­tischer und extre­mistischer Bedrohung zuständig ist.

Deshalb, Herr Innenminister, können Sie bestimmt verstehen, warum wir nicht mehr ruhig schlafen können. Sie werden auch verstehen, warum wir von der Liste Pilz Ihnen unser Misstrauen aussprechen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Inneres. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.