15.56

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Ich möchte zu meinem Vorredner noch das eine oder andere Wort im Zusammenhang mit dem Familienbonus sagen. Also rechnen können wir schon alle, und ich glaube, da sollten wir das den Menschen auch vorrechnen. (Ruf bei der FPÖ: Der Herr Professor für Umverteilung!)

Menschen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, können vom Familienbonus maximal 250 Euro pro Jahr bekommen. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Die zahlen eh keine Steuern mehr!) Menschen, die mehr Steuern zahlen, können bis zu 1 500 Euro bekommen. Das nennen Sie gerecht? – Nein, das ist mitnichten gerecht! Gespart wird – und das werden wir noch sorgsam und ausführlich in den kommenden Tagen und Wochen diskutieren – bei den Ärmsten dieser Gesellschaft. Dabei bleibe ich. (Ruf bei der FPÖ: Ja, arm, dass sie gar keine Steuern mehr zahlen müssen!)

Zur Verschuldung: Heute haben wir schon so oft das Wort Verschuldung gehört, ich kann es gar nicht mehr hören.

Wir gehen wieder in eine Debatte zurück, die wir auch Anfang der 2000er-Jahre hatten, als wir die Frage des Nulldefizits diskutiert haben. Da hatten wir einen Minister, das war Minister Grasser, der mit vielen Tricks damals ein Nulldefizit erreicht hat, das mittlerweile zu einem Defizit geworden ist. Sei’s drum!

Wir haben diese Debatte wieder, und ich frage mich, wozu wir diese Debatte allen Ernstes führen müssen, denn weder sehen es die europäischen Haushaltsregeln vor, dass wir ein Nulldefizit haben müssen, nämlich im Sinne von 0,0 Prozent des Brutto­inlandsproduktes, noch ist es ökonomisch geboten. Wenn wir nämlich eine Nulldefizit­politik fahren, das heißt, keine neuen Schulden eingehen, und dieses Ziel in den Vor­dergrund der Politik stellen und zum obersten Ziel der Politik machen, dann bedeutet das, dass wir nichts anderes tun, als auf das zentrale Gestaltungselement der Budget­politik zu verzichten. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Das sieht man diesem Budget auch an: Es geht nämlich darum – und das wäre das alles Entscheidende –, Ziele zu definieren und anhand dieser Ziele zu überlegen: Brauche ich jetzt eine Verschuldung oder brauche ich keine Verschuldung? – Genau das tun wir ja nicht, sondern das oberste Ziel ist es, keine neuen Schulden zu machen, und dem wird alles untergeordnet. Das hat dann eben zur Folge, dass die untersten Einkommensbezieher unter die Räder kommen.

Schulden sind a priori, meine Damen und Herren, weder gut noch schlecht. Es kommt ausschließlich darauf an, wofür ein Staat das Geld verwendet, wenn er Schulden aufnimmt. Das Zweite ist die Frage, wie finanziert er das, wem nimmt der Staat wie viel über Steuern weg. Das sind die alles entscheidenden Fragen. Im Übrigen sind es die Zielsetzungen, über die wir diskutieren sollten, aber darüber wird ja kein Wort verloren.

Ich habe gestern Abend noch den Strategiebericht gelesen. Das ist eigentlich jener Bericht, der über die Strategie der Bundesregierung Auskunft geben sollte. Ein erbärm­liches Dokument, muss ich Ihnen sagen, Herr Finanzminister! (Beifall bei der Liste Pilz.)

Darin wird über diese Zielsetzungen nicht diskutiert, und es wird auch nicht diskutiert, wie wir in unserem Bundesstaat – und wir sind ein Bundesstaat – abgestimmt mit den Ländern über diese Ziele diskutieren und sie umsetzen können.

Das, was die Menschen in diesem Land interessiert, ist doch nicht die Frage, wie viele Schulden dieser Staat macht. Die Menschen in diesem Staat – und darauf haben sie ein Recht – wollen ein gutes Leben, und ein gutes Leben für alle muss doch das oberste Ziel staatlicher Politik sein. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Vorhin wurde hier an diesem Rednerpult der Vergleich mit dem privaten Haushalt gemacht und gesagt: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! Dabei wird suggeriert, der Staat könne mit einem privaten Haushalt verglichen werden. – Das kann er eben nicht! Der Staat ist etwas ganz anderes, der Staat hat öffentliche Aufgaben zu erfüllen und der Staat ist daher mit anderen Möglichkeiten ausgestattet, auch im Hinblick darauf, Schulden machen zu können. Das unterscheidet ihn ja.

Es unterscheidet ihn von einem privaten Haushalt auch, dass er eben nicht an die Restriktion seines Einkommens gebunden ist, sondern er kann Schulden immer wieder erneuern. Das, was an Belastung da ist, das sind die Zinsen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Damit will ich aber jetzt nicht einer Verschuldungspolitik über alle Maßen das Wort reden. Nein, das will ich nicht! Ich will aber auch sagen, dass Schulden kein Malheur sind. Wenn ich, wie Herr Strolz gemeint hat, nur in guten Zeiten das Geld zur Seite legen und in schlechten Zeiten investieren soll, dann würden unsere Krankenhäuser vermutlich heute noch in Baracken untergebracht sein, dann hätten wir kein gut ausge­bautes Schienennetz und kein gut ausgebautes Straßensystem und so weiter. Die Schulden der Vergangenheit haben doch dazu geführt, dass Österreich zu jenem reichen Land geworden ist, das es heute ist.

Selbst wenn wir Schulden machen, bedeutet das noch lange nicht, dass wir unsere Schuldenquote nicht senken können. Ich bitte darum: Wenn wir eine Debatte über Schulden führen, führen wir sie auf der Basis von Schuldenquoten und nicht auf Basis der nominellen Erhöhung von Schulden. Kein Ökonom würde das je tun, das macht keinen Sinn. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Schuldenquote hat immer einen Zähler und einen Nenner – im Zähler stehen die Schulden, und im Nenner steht das Brutto­inlandsprodukt. Wenn das Bruttoinlandsprodukt stärker wächst als die Schulden, dann geht die Schuldenquote zurück.

Also selbst mit einer gewissen Verschuldung sinkt die Schuldenquote unter der von mir genannten Prämisse kontinuierlich auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Prämisse müssen wir beachten, nicht mehr. Das ist ein ganz simpler mathematischer Zusammenhang, da muss man nicht viel nachdenken.

Nun zur Frage, ob wir denn diese Schuldenbremse in der Verfassung brauchen: Nein, diesen Unsinn brauchen wir nicht. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Im Übrigen haben wir bereits eine Schuldenbremse in unserer Rechtsordnung ver­ankert, Herr Kollege Strolz und meine Damen und Herren von FPÖ und von ÖVP: 2011 beschlossen, § 2 Abs. 4 Bundeshaushaltsgesetz 2013. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Dort heißt es: „Der Haushalt des Bundes ist nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union grundsätzlich auszugleichen.“

Der Gesetzgeber hat damals auch normiert, was das heißt, „grundsätzlich auszu­gleichen“: Das heißt für den Bund, ein strukturelles Defizit in der Höhe von 0,35 Pro­zent des BIP einzugehen – und nicht mehr. (Abg. Strolz: Halten wir uns dran!) Das ist es!

Wir brauchen das nicht. (Abg. Strolz: Hält sich ... niemand dran!) Selbst in der Fiskal­politik der Europäischen Union wird das nicht vorgeschrieben. (Abg. Strolz: Herr Rossmann, es hält sich ja niemand dran! Die Selbstbindung in den Verfassungs­rang ...!) – Ja glauben Sie denn allen Ernstes, Herr Kollege Strolz  ich werde auf die Selbstbindung noch zu sprechen kommen , dass nur deshalb, weil man eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert hat, das Commitment der Politik dann ein solches ist, dass sie sagen wird: Ja, weil wir das jetzt in der Verfassung verankert haben, halte ich mich daran!? (Abg. Strolz: ...Grundverständnis ...! Sie als Abgeord­neter freilich!)

Herr Kollege Strolz, es gibt so viele Verfassungsbestimmungen, die totes Recht geblieben sind, auch im Zusammenhang mit dem Bundeshaushaltsgesetz. Ich nenne Ihnen nur eine davon: Denken wir beispielsweise an das Gender Budgeting, die Gleich­stellung von Männern und Frauen (Beifall bei der Liste Pilz) – ein Grundsatz, den wir 2009 in der Verfassung verankert haben. Dieser Grundsatz, Herr Kollege Strolz, wird nicht gelebt, weil es kein politisches Commitment dafür gibt. (Abg. Strolz: ... Bekenntnis!) So einfach ist das, so schaut das aus. (Abg. Strolz: Das können Sie ja nicht ernst meinen!)

Sie sind allen Ernstes gewillt, das in der Verfassung zu verankern, und glauben, dass Ihnen die Politik dann folgen wird, nur weil das in der Verfassung steht? Ent­schul­digen Sie bitte, aber ich halte das für reichlich naiv. Wir brauchen das nicht. Das ist ökonomischer Unsinn. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Als Deutschland seine Schuldenbremse 2009 in der Verfassung eingeführt hat, hat es 200 vernünftige Ökonominnen und Ökonomen gegeben, die gesagt haben: Lassen Sie diesen Unsinn bleiben! Deutschland hat es nicht bleiben lassen. (Abg. Strolz: Achtung! Sie stolpern über Ihre eigene Argumentation!) Derjenige, der in Deutschland die Schul­denbremse in der Verfassung verankern wollte, distanziert sich jetzt im Übrigen davon. Und genau diese Schuldenbremse nach deutschem Vorbild wollen Sie, Herr Finanz­minister – Sie haben es heute gesagt –, in der Verfassung verankern.

Bitte lassen Sie das, und bitte kommen Sie vor allem nicht wieder mit einem Entwurf daher, wie am 12.10. vergangenen Jahres! Da haben wir das nämlich diskutiert – es wurde von FPÖ und ÖVP eingebracht –, nur ist es Gott sei Dank nicht durchgegangen, da es keine Verfassungsmehrheit gegeben hat.

Der damalige Entwurf der Schuldenbremse war ein derartiger Pfusch, dass sich jeder, der ein wenig von Haushaltsrecht versteht, dafür genieren musste, wirklich. Das war ein derartiger Husch-Pfusch-Entwurf, wirklich unsäglich! – Ich kann das nicht oft genug wiederholen.

Schauen Sie sich das an! Lassen Sie diesen Entwurf, den Sie einbringen wollen, durch das Haus prüfen! Noch besser ist es aber, Sie verzichten darauf, einen solchen Ent­wurf überhaupt hier in diesem Hohen Haus vorzulegen. Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

16.06

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Nationalrätin Karin Doppelbauer. – Bitte.