13.51

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, liebe FPÖ und ÖVP, Sie machen mit Ihrem Vorgehen heute diese Parlamentssitzung wahrlich zu einer weltweit einzigartigen. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Warum weltweit einzig­artig? – Weil bis heute weltweit kein einziges Land in Sachen Nichtraucherschutz einen Schritt zurück gemacht hat. Das hat es nirgendwo gegeben. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. Abg. Zanger: Der Schritt ist ja noch gar nicht passiert!)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Bei all meiner skeptischen und – sie ist bekannt – kriti­schen Haltung Ihrer Koalition gegenüber, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut! Das mag wohl meiner eher kurzen Zeit in der Politik geschuldet sein. Aber ich habe eine gewisse Hoffnung, dass die Vernunft am Ende des Tages auch hier in diesem Haus Einzug hält.

Diese beinahe militante Selbstgefälligkeit, diese Verantwortungslosigkeit und diese Ignoranz, die Sie allen Ärzten, Expertinnen und Experten dieses Landes entgegen­bringen, allen medizinisch-wissenschaftlichen Fakten, und letztlich Ihre Ignoranz, die Sie mehr als einer halben Million Österreicherinnen und Österreichern gegenüber zum Ausdruck bringen, die suchen ihresgleichen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Ich glaube, Sie stimmen mir zu: Niemand von uns möchte, und das völlig zu Recht, dass unsere Kinder rauchen, weder aktiv noch passiv. Da spreche ich sicher für uns alle, denn die Gesundheit unserer Kinder liegt uns am Herzen. Ich frage Sie: Wie erreichen wir denn dieses Ziel, das uns am Herzen liegt? – Es ist das Vorbild, die Vorbildwirkung, die wir in den Mittelpunkt stellen müssen. Und ich frage Sie: Welches Vorbild sind Sie, sind wir alle für meine, für Ihre, für unsere Kinder in diesem Land und für die Jugendlichen, die es zu schützen gilt?

Was sagt Ihr heutiges Vorgehen, Ihr Plan, das Kippen des Rauchverbots unseren Kindern und Jugendlichen? – Ihr Vorgehen sagt den Kindern in diesem Land, dass Rauchen offenbar nicht so schädlich ist. Es ist eh harmlos, wie wir vielfach von Ihrer Seite gehört haben. Ihr Vorgehen sagt, dass ein passiv rauchender Kellner, eine Kell­nerin, die acht Stunden und mehr passiv rauchend ihre Arbeit verrichtet, offenbar keine Schäden davonträgt, denn er, sie raucht vielleicht eh selber, so das Argument von Herrn Vilimsky und von Vizekanzler Strache.

Ihr Vorgehen sagt auch, dass die Zigarettensucht offenbar ein Symbol der Freiheit, der persönlichen Freiheit, ein Synonym für Gastfreundschaft oder – wie die Frau Bundes­ministerin für Gesundheit vor ein paar Wochen hier sagte – auch ein Synonym für Spaß ist. Nur, sehr geehrte Damen und Herren, ich sage Ihnen als Ärztin: Wo der Spaßfaktor beim Leiden, beim Sterben an einem Lungenkarzinom mit Metastasen im Gehirn und in den Knochen bleibt, das konnten Sie, liebe Abgeordnete, mir bis heute nicht erklären. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Wollen Sie das unseren Kindern und Ihren Kindern und den Jugendlichen in diesem Land sagen? – Wenn ja, herzlichen Glückwunsch, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen. Dieses Ziel haben Sie heute mit Erfolg erreicht.

Apropos Vorbild: Welches Bild, welche Botschaft vermittelt die Politik, wenn beide Regierungsparteien ihre zentralen Versprechen innerhalb der ersten 100 Tage brechen? Zum einen Sie, sehr geehrte Abgeordnete der FPÖ: Was ist aus Ihrem Wahlversprechen geworden, ab 200 000 Stimmen eine verbindliche Volksabstimmung machen zu wollen? (Abg. Zanger: Kompromiss mit der ÖVP!) Aus den 200 000 Stim­men werden plötzlich 900 000 Stimmen, und das nicht vor 2021; so zu hören aus Ihren Reihen. Ich frage mich: Wo bleibt da Ihr Versprechen an Ihre Wählerinnen und Wähler? (Abg. Zanger: Regierungsabkommen ist das halt!)

Und zum anderen auch Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Ihre Wählerinnen und Wähler haben sich darauf verlassen, dass Sie zu den Gesetzen stehen, die Sie vor einigen Jahren noch selbst beschlossen haben. Heute kippen Sie, liebe ÖVP, ein Gesetz, für das Sie Verantwortung tragen, das Sie 2015 selbst be­schlossen haben!

Ich vermisse heute auch einige Ärzte und Ärztinnen aus Ihren Reihen, vor allem in den Reihen der ÖVP, die nicht zuletzt am Ende ihres Studiums ein ärztliches Gelöbnis abgelegt haben, das sie dazu verpflichtet, all ihre ärztlichen Kenntnisse zum Wohle der Menschen einzusetzen. Beim heutigen Abstimmungsverhalten werden wir davon nicht viel sehen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Zwei Wortbrüche, sehr geehrte Damen und Herren, und gegenseitige Schuldzu­wei­sungen: Das ist Ihre Bilanz, das ist die Bilanz der ersten 100 Tage von Schwarz-Blau, und das ist der neue Stil und die neue Veränderung. Bei all diesen Wortbrüchen frage ich mich: Wer in diesem Land soll Ihnen bei all dieser Vertrauens- und Verantwor­tungslosigkeit, die Sie an den Tag legen, noch vertrauen?

Sie wissen, es war meine Amtsvorgängerin Sabine Oberhauser, die aus vollster Über­zeugung und mit all ihrer Kraft als ehemalige, Sie wissen es, starke Raucherin wie eine Löwin um den Nichtraucherschutz, um dieses im Jahr 2015 beschlossene Gesetz gekämpft hat. Sie waren damals, vor drei Jahren, in diesem Kampf an ihrer Seite, und das war gut so. Damals allerdings, sehr geehrte Damen und Herren!

Heute finden Sie sich auf einer anderen Seite wieder. Heute, sehr geehrte Damen und Herren, verraten Sie dieses aus meiner Sicht politische Vermächtnis von Sabine Ober­hauser. Heute verraten Sie die Menschen in diesem Land, heute verraten Sie das Schüt­zenswerteste in diesem Land: die Gesundheit unserer Kinder. Und letztlich verraten Sie heute sich selbst. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

13.58

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.