15.59
Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Umweltministerin! Herr Verkehrsminister! Der eigentliche De-facto-Umweltminister hat leider den Saal schon verlassen, nämlich der Herr Finanzminister, der fehlt uns heute in dieser Debatte; es wäre schön gewesen, auch ihn heute hier zu haben. (Ruf bei der FPÖ: Er kann ja nicht die ganze Zeit hier sein!)
Kollege Schmuckenschlager hat gerade gesagt, über das Klima zu diskutieren, ist immer gut und notwendig; ich gebe ihm recht. Die Dringliche Anfrage bietet uns einmal mehr Gelegenheit dazu.
Vielleicht kurz zur Genese dieser integrierten Klima- und Energiestrategie: Nach der Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris war für uns alle die Notwendigkeit von Maßnahmen evident, aber Ihr Amtsvorgänger, Kollege Rupprechter, hat leider bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt keinerlei Aktivität in dieser Sache gezeigt. Das hat dazu geführt, dass wir bereits als Koalitionspartner der ÖVP im Frühjahr 2017 sein Tätigwerden moniert haben, und er hat damals die Strategie auch immer spätestens bis Mitte des Jahres 2017 zugesagt, diese aber nie vorgelegt. Sie ist dann also in einer Schublade im Ministerium verschwunden. Die Schublade ist nunmehr geöffnet worden, und siehe da, heraus kam die #mission 2030.
Frau Bundesministerin! Sie haben bei mehreren Gelegenheiten im Umweltausschuss, im Budgetausschuss, im Wirtschaftsausschuss zugesagt, dass das Parlament bis zur Beschlussfassung dieser Klima- und Energiestrategie ordentlich eingebunden wird. Ich darf Sie daran erinnern, Ihre Zusage auch einzuhalten. Sie haben auch das Nationale Klimaschutzkomitee erwähnt – es gibt nur noch keinen Termin für eine Sitzung.
Die Bundesregierung hat also mit der integrierten Klima- und Energiestrategie einen Mischmasch von Problembeschreibungen, Zielen bis 2030, teilweise bis 2050, von Maßnahmenpaketen, Leuchtturmprojekten – aber immer unter Vorbehalt der Zustimmung des Bundesministers für Finanzen – und Vorschlägen für mögliche Aktivitäten in unstrukturierter Weise vorgelegt. Dieses Strategiepapier fungiert auch als Basis für die Erstellung der nationalen Energie- und Klimapläne, die Österreich dieses Jahr an die EU-Kommission übermitteln muss und eigentlich schon im Dezember 2017 übermitteln hätte sollen.
Die formulierten Ziele für das Jahr 2030, die Sie vorhin angesprochen haben, entsprechen den EU-rechtlichen Mindestvorgaben. Ambition sieht aus unserer Sicht anders aus. Dabei wurden einem sektorübergreifenden Ansatz gerecht werdend auch Unterziele für den Verkehrs- und Gebäudesektor definiert. So soll es bis 2030 im Verkehr zu einer Treibhausgasreduktion von 31 Prozent und im Gebäudebereich von 37 Prozent kommen. Berücksichtigt man Aussagen, dass 2030 auch fossile Bestandsanlagen zur Stromstabilisierung herangezogen werden, gehen sich die Ziele bei einem Import-Export-Saldo gleich null einfach nicht aus.
Für den drittgrößten Emittenten, die Landwirtschaft, werden überhaupt keine Reduktionsziele definiert, da es da zu einem „Nahversorgungskonflikt“ kommt. Das ist angesichts der Überproduktion von Lebensmitteln für den Export eine sehr fragwürdige Formulierung, Frau Bundesminister. Auch in der weiteren Darlegung der Strategie bleiben Beiträge vonseiten der Landwirtschaft – außer im Fall von Bioökonomie und Biomasse – unbedacht, wie überhaupt alle Ziele unverbindlich sind. Wie die Ziele konkret erreicht werden sollen, bleibt offen, denn aufgrund der Struktur dieses Papiers lassen sich den Zielen keine Maßnahmen zuordnen. Es ist auch überhaupt nicht nachvollziehbar, wie die Maßnahmenpakete, falls diese überhaupt vorhanden sind oder vorhanden sein werden – viele Punkte stehen noch unter Vorbehalt der Zustimmung des Finanzministeriums –, zur Zielerreichung beitragen können.
Es ist auch das 100 000-Dächer-PV-Programm schon genannt worden, ein Leuchtturmprojekt der Strategie und die einzige konkrete Maßnahme zur Steigerung der Ökostromproduktion. Daran lässt sich das gut veranschaulichen, denn mit diesem Programm allein können wir das Ziel 100 Prozent erneuerbare Energie nicht erreichen. Ferner stellt dieses 100 000-Dächer-Programm eine Fortführung der Investitionsförderung über das Ökostromgesetz dar und ist so gesehen kein Sonderprogramm.
Viele Themenbereiche werden ausführlich behandelt, indem aktuelle Entwicklungen und Problemstellungen skizziert werden sowie der grundsätzliche Wille zur Veränderung zum Ausdruck kommt. Im Papier finden sich an vielen Stellen sehr ähnliche Aussagen, an mehreren Stellen sogar wortidente Aussagen, also Copy-and-paste hat gute Dienste geleistet.
Auf weitere Inhalte der Strategie einzugehen, macht an dieser Stelle wenig Sinn. Es kam noch zu keiner politischen Abstimmung dazu. So könnte man beispielsweise erwähnen, dass die Bundesregierung im Neubau ab 2020 keine fossilen Energieträger mehr zulassen möchte, was neben Erdgas freilich auch die Fernwärme ausschließt. Alternativen für Ballungszentren werden in der Strategie keine genannt. Da die Umsetzung dieses Vorhabens fast unmöglich ist, gehen wir davon aus, dass diese Dinge vor der Veröffentlichung beziehungsweise bei der Endredaktion noch rausfliegen werden.
Zum Thema Finanzierung drängt sich einem der Eindruck auf, dass die integrierte Klima- und Energiestrategie als eine Art Schleichwerbung für eine Haushaltskonsolidierung und dauerhafte Senkung des Schuldenstandes missbraucht wird. Abgesehen davon, dass nach einer ersten Grobanalyse des Budgets keine zentralen Energie- und Klimaschutzmaßnahmen im Doppelbudget zu finden sind – darüber werden wir auch morgen noch sprechen –, stagniert das Budget für die thermische Sanierung und die Budgetierung des Klima- und Energiefonds. Klimapolitische Maßnahmen können nur gesetzt werden, wenn das Finanzministerium und damit der eigentliche Umweltminister dem zustimmt. Das heißt, de facto machen nicht mehr die Fachministerien Klimapolitik, sondern das Finanzministerium, und dieses hat ordentlich den Rotstift angesetzt. (Abg. Rauch: Das Ministeriengesetz sollte man kennen mittlerweile!)
Anstatt die Abgaben- und Fördersysteme zur Erreichung der Klima- und Energieziele anzupassen, wie das üblicherweise vorgesehen ist, soll deren Anpassung entweder angestrebt oder evaluiert werden. So etwas nennt man dann Kompromissformulierungen. Ganz grundsätzlich dürfen neue Maßnahmen, die den öffentlichen Haushalt zusätzlich belasten, nur dann gesetzt werden, wenn woanders eingespart wird. Unterm Strich lässt sich festhalten, dass weder die Fachministerien in der Klimapolitik ein Wort mitzureden haben noch Spielräume für Klimaschutzmaßnahmen im Budget vorgesehen sind oder sich aus der Strategie selbst ergeben.
Fazit: Die meisten Themenfelder außer dem Verkehr sind äußerst allgemein gehalten, nicht so konkret formuliert, um später auch festmachen zu können, wo Erfolge erzielt wurden und wo nicht. Es fehlt wie immer eine strukturierte Vorgangsweise, bei der man auch nachvollziehen kann, wie die Maßnahmenpakete zu den Zielen passen. So, wie sie jetzt vorliegt, kann man die Strategie kaum beurteilen und schon gar nicht monitoren. Zudem fehlt jeglicher budgetäre Spielraum, um tatsächlich Klimaschutzmaßnahmen zu setzen. Wie bereits einmal gesagt: Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. (Beifall bei der SPÖ.)
16.08
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.