10.10

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde das heutige Konzept der ÖVP heute schon interessant. Kollege Wöginger hat gesagt, Abgeordneter Kern wäre nicht da. – Er ist hier. Kollege Strasser hat gerade behauptet, Abgeordneter Schieder wäre nicht da. – Er ist auch hier. Der Einzige, der heute schwänzt, ist Bundeskanzler Kurz. Davon können Sie nicht ablen­ken, auch wenn Sie noch so viel mit den Fingern auf andere zeigen, die noch dazu hier sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Ihr habt angefangen, nicht wir! Das musst du schon ausbaden, wenn du damit anfängst!)

Was die Europapolitik betrifft – da hat Kollege Strolz vollkommen recht –, so erlebe ich bei dieser Debatte – und nicht erst heute –, dass vollkommen Widersprüchliches ge­sagt wird. Es gibt halt 28 Länder, die eine Gemeinschaftskasse befüllen und von dort gemeinsame Ausgaben tätigen. Einer zieht aus, wie aus einer WG, aber deswegen fällt ja die Miete nicht weg und Strom- und Gaskosten fallen auch nicht weg. (Abg. Winzig: Aber der Strom wird weniger!)

Was bedeutet das am Ende des Tages? – Na ja, das bedeutet, dass man natürlich schauen kann, dass jeder ein bisschen weniger bekommt, dass man einspart. Aber man muss das auch ein bisschen realistisch betrachten. Es bedeutet auch, dass jeder ein bisschen mehr beitragen muss. Es gibt ja auch einen Minister bei Ihnen, der hier ein bisschen Realitätssinn bewiesen hat, nämlich den Finanzminister. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Der hat nichts anderes gesagt. Er hat gesagt: Natürlich, am Ende des Tages wird Österreich mehr einzahlen müssen und es wird auch weniger herausbekommen als heute, weil das einfach eine Notwendigkeit ist, eine Logik hat, etwas ist, das fast automatisch passieren muss, wenn man einmal kurz darüber nachdenkt, wie und nach welchen Regeln die Europäische Union funktioniert.

Was passiert? – Da wird zurückgepfiffen und es wird weiterhin Realitätsverweigerung betrieben. Es wird in Wahrheit Wählertäuschung betrieben, es werden hier Nebelgra­naten geworfen. Sie sagen: Wir kämpfen! Es wird kein Euro mehr! Wir werden aber gleich viel zurückbekommen! – Das glaubt Ihnen niemand, denn jeder, der nur 10 Se­kunden darüber nachdenkt, weiß, das kann nicht stimmen und am Ende des Tages wird Österreich mehr einzahlen und weniger herausbekommen. Das gilt aber für alle anderen 26 Länder, die in der Europäischen Union verbleiben, natürlich auch. Man braucht ja kein Theater aufzuführen und sich nicht als irgendein besonderer Kämpfer zu gerieren, sondern man kann den Menschen einfach die Wahrheit sagen: Das wird am Ende herauskommen.

Man soll österreichische Interessen vertreten – ja, aber natürlich mit einem gewissen Realitätssinn. Der Realitätssinn ist auch nicht da, wenn Sie sagen, die Europäische Union soll das machen, was wir in Österreich machen, nämlich im System sparen. Wenn die Europäische Union machen würde, was Sie machen, dann würden Sie sich zu Recht aufregen – genauso wenig haben Sie im österreichischen System gespart. Was haben Sie denn gemacht? – Sie haben einmal Politkommissare eingeführt, Sie sorgen dafür, dass die Personalkosten im Bund natürlich massiv steigen – nicht sinken, die werden in den nächsten Jahren höher.

Selber wollen Sie der Europäischen Union sagen, sie soll eine Null-Prozent-Steigerung in ihren Ausgaben, in ihren Verwaltungsausgaben erreichen. Sie sagen: 20 Prozent steigen diese in der Europäischen Union. Haben Sie sich einmal angeschaut, wie die prognostizierte Inflationsentwicklung in den sieben Jahren ist? 18 bis 20 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Das heißt, die Verwaltungsausgaben der Euro­päischen Union steigen voraussichtlich genau so stark wie die Inflation. In Österreich steigen sie um mehr. Sie erwarten von der Europäischen Union immer mehr, als Sie selber bereit sind, beizutragen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ein Punkt, der mich wirklich irritiert, ist folgender: Vor circa 24 Jahren gab es eine De­batte über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Wir Sozialdemokraten haben damals gesagt, wenn wir beitreten, können wir unsere höheren Umwelt­stan­dards und unsere höheren Sozialstandards beibehalten. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Die ÖVP hat das auch gesagt. Eine Partei, nämlich die FPÖ, hat gesagt: Nein, wenn wir dort beitreten, werden die Umwelt- und Sozialstandards nach unten gehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf. – Abg. Hauser: Ederer-Tausender! ... ungedeckter Scheck!) Jetzt stelle ich fest, nach 24 Jahren: Sie sind nicht nach unten gegangen! Aber jetzt ist die FPÖ in der Regierung, und was beschließen ÖVP und FPÖ? – Sie sagen, wir werden die höheren Umwelt- und Sozialstandards abschaffen. Sie nennen es in der Zwischenzeit Gold Plating. (Abg. Winzig: Geh bitte!) Sie haben ein anderes Wort gefunden. (Abg. Neubauer: Das kostet viel Geld!) Ja, wir haben in Österreich teilweise höhere Umweltstandards und höhere Sozialstandards als die anderen Staaten in der Europäischen Union. (Abg. Wöginger: Höhere Bürokratie­standards haben wir!) Darauf sind wir stolz, das haben wir auch versprochen. Sie sind dabei, das abzuschaffen.

Ich sage Ihnen Folgendes: Da machen Sie nicht Politik für die Menschen in diesem Land, da machen Sie Politik für die Konzerne! – Das lehnen wir ab. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Die SPÖ ist für höhere Bürokratiestandards!)

10.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lugar. – Bitte.