15.24
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Vizekanzler, ich bin froh, dass Sie da sind. Ich habe Sie heute in der Früh hochgehalten beziehungsweise ein Bild von Ihnen, aber das hätte ich mir für jetzt aufsparen können. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich muss sagen, ich schätze das. Man merkt, Sie sind langjähriger Abgeordneter und haben diesen Respekt vor dem Hohen Haus, dass Sie im Gegensatz zu Kollegen von Ihnen, wenn es um ein heikles Thema geht, auch herkommen, und das finde ich eigentlich sehr gut. Das möchte ich noch einmal anmerken, Herr Strache. (Abg. Wöginger: Sehr witzig!) – Nein, es ist gar nicht witzig. (Abg. Wöginger: Es ist die gleiche Rede wie ...!) Es zeigt, dass manche mehr Respekt vor dem Hohen Haus haben als andere, und das ist, denke ich, nicht witzig, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)
Zu dem, was Sie gemeint haben, Frau Wirtschaftsministerin, dass es eh gut läuft mit Kanada, dass es Steigerungen gibt, dass wir exportieren: Es gibt immer unterschiedliche Studien dazu, wie sich etwas auswirkt. Sie haben gesagt, 15 000 Arbeitsplätze mehr, ich habe vor Kurzem eine Studie gelesen, wonach es um 400 Arbeitsplätze mehr wären, dafür würde es Einschränkungen im Bereich der Minderqualifizierten geben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lopatka und Wöginger.)
Es gibt also unterschiedliche Zugänge, aber wir sind uns, meine ich, einig, dass unsere Wirtschaftsbeziehungen zu Kanada gut sind. Was bis jetzt passiert ist, ist vorteilhaft. Ich frage mich aber: Wofür tun wir das dann alles noch, Frau Wirtschaftsministerin? Warum müssen wir diesen zweiten Teil jetzt so überhastet unterschreiben, ratifizieren, beschließen? Was ist der Sinn dahinter? Ich verstehe es nicht, das sage ich Ihnen ganz offen. (Abg. Hammer: Das ist ja euer Problem, dass ihr es nicht versteht! – Heiterkeit bei der ÖVP.)
Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, eine wahre Geschichte. Es hat einmal zwei rumänische Brüder gegeben, die Micula-Brüder. Ich weiß nicht, ob Sie die kennen, es ist ein ganz berühmter Fall geworden. Die Micula-Brothers haben in Schweden ein Unternehmen gegründet und haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Rumänien, in ihrer Heimat, investiert. Sie haben auch deshalb investiert, weil Rumänien damals sehr hohe Subventionen für derartige Investitionen geleistet hat.
Dann ist Rumänien der Europäischen Union beigetreten, und die Beihilferegelungen der Europäischen Union haben logischerweise gegriffen. Die haben dazu geführt, dass Rumänien die Beihilfen an dieses Unternehmen nicht mehr leisten durfte, und im Zuge der Anpassung an europäische Gesetze wurden diese Beihilfen eingestellt. Was ist passiert? – Die Micula-Brothers sind vor ein ISDS-Tribunal (Abg. Rädler: Sagen Sie den Namen ...!) – Micula, Herr Kollege! – gegangen, und dieses Tribunal hat Rumänien zu einer Strafe von 250 Millionen Dollar verurteilt. (Abg. Winzig: Das hat aber nichts mit dem zu tun!) Daraufhin hat die Europäische Kommission, und zwar die DG Competition, Rumänien mitgeteilt: Wenn sie das zahlen, wird ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien eingeleitet, und Rumänien hat an die Europäische Union dann auch noch Strafe zu zahlen.
Das, geschätzte Damen und Herren, ist das, was diese ISDS-Tribunale tun. Das sind die Auswirkungen. Sie sagen jetzt, wir verhandeln gerade mit dem Ziel, dass alles besser wird. Es ist aber eine EuGH-Entscheidung ausständig, und es ist, wie ich es in der Früh gesagt habe, auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe ausständig. Warum muss man das jetzt so schnell beschließen? Warum wartet man diese Dinge nicht ab? Warum wartet man nicht ab, ob es wirklich einen internationalen Schiedsgerichtshof geben wird? Bis jetzt gibt es den nicht. Sie beschließen dieses Abkommen bei alter Rechtslage, geschätzte Damen und Herren. Sie beschließen jetzt die alten ISDS-Gerichte, denn es gibt noch nichts Neues, und Sie tragen die Verantwortung dafür, wenn auch Österreich einmal so verurteilt wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Dazu muss man schon eine prinzipielle Frage stellen: Diese Klauseln wurden entwickelt, um Investoren vor fragwürdigen Rechtsverhältnissen in anderen Ländern zu schützen. Das hat durchaus Sinn gemacht, denn es hat in der Geschichte mehrerer Kontinente Revolutionen, Enteignungen et cetera gegeben. Investoren vor so etwas zu schützen, macht durchaus Sinn. Nun ist es aber so, dass weder Kanada noch die Europäische Union mit diesen Staaten, für welche diese Instrumente entwickelt wurden, vergleichbar ist. Kanada und die EU sind entwickelte Demokratien, sind Rechtsstaaten, sind demokratische Systeme, da wird es keine Enteignung und keine Revolution geben, geschätzte Damen und Herren. Wofür braucht man dann diese Schiedsgerichte, seien es Tribunale oder sei es ein internationaler Schiedsgerichtshof? Trauen Sie den österreichischen Gerichten nicht? Glauben Sie, dass die österreichischen Gerichte nicht in der Lage sind, vernünftig über Beschwerden von ausländischen Konzernen zu urteilen? Ich glaube, die können das, geschätzte Damen und Herren, da brauchen wir nichts anderes. (Beifall bei der SPÖ.)
Den Kollegen Haider und Bösch, die am Vormittag das Thema Verbesserungen seit 2017 angesprochen haben, muss ich entgegnen: Sie werden mir keine einzige Verbesserung seit 2017 nennen können, denn seit 2017 ist nichts mehr geschehen. Das heißt, es gibt zwischen 2017 und jetzt keinerlei Unterschiede betreffend den Zustand dieses Abkommens. Der einzige große Unterschied ist, dass Sie 2017 absolut dagegen waren und jetzt komplett dafür sind, und das müssen Sie einmal Ihren Wählern und Wählerinnen erklären, geschätzte Damen und Herren. Ich glaube, das können Sie nicht. (Abg. Wöginger: Applaus! – Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Die tun eh alles, was ...! – Abg. Wöginger: Funktioniert nicht gut!)
Ich frage mich aber auch Folgendes, denn das, was heute hier geschieht, hat natürlich beispielgebende Wirkung: Wir diskutieren ja nicht nur über Ceta, wir diskutieren beispielsweise auch über das Mercosur-Abkommen. Wenn es so beschlossen wird, wie es derzeit zu sein scheint, wird unsere Landwirtschaft große Probleme haben, insbesondere die Rinderbauern. Was wird dann sein? Oder was wird aus TTIP werden, da Frau Merkel wieder versucht, TTIP, dieses untote Wesen, ins Leben zu rufen? Gilt dann auch alles, was Sie vorher gesagt haben, nicht mehr? Sind wir dann auch für TTIP und schauen, dass die Chlorhendln hereinfliegen? (Abg. Winzig: Geh bitte! – Abg. Strasser: Herr Kollege, Sie waren in Brüssel und sagen ...! – Abg. Winzig: Das ist peinlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Das ist die Frage, die Sie sich stellen müssen, geschätzte Damen und Herren. Das ist die Frage, die in Zukunft anstehen wird. TTIP wird wieder diskutiert werden, Sie werden darüber entscheiden müssen, und ich vermute, wenn Sie heute umfallen, werden Sie bei TTIP genauso umfallen, geschätzte Damen und Herren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
15.32
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Haubner. – Bitte.