15.53

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja ganz interessant, dieser Debatte zu lauschen. Einmal sitzen sozusagen Umfaller auf dieser Seite, einmal sitzen Umfaller auf der anderen Seite, aber den Bock in der bisherigen Debatte hat wohl Matthias Strolz abgeschossen. (Abg. Strolz: Ich bin kein Jäger!)

Ich bin gegen das Abkommen Ceta, ich sage es Ihnen ganz klar, aber ich habe nicht die Absicht, nach Nordkorea zu gehen, und ich habe auch nicht die Absicht, in Nord­korea eine Mauer zu bauen. Ich werde jetzt versuchen, das ein wenig zu begründen. (Abg. Rädler: Sie sind angestellt bei der Arbeiterkammer ...!) – Ach, Herr Rädler, schweigen Sie bitte, das würde Ihnen besser tun. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Der Erste, der in der Ceta-Debatte umgefallen ist, Herr Bundeskanzler Kern – Bundes­kanzler außer Dienst –, das waren Sie. Sie haben anfänglich den kritischen Kurs Ihres Vorgängers getragen und fortgesetzt, dann aber setzte auf europäischer Ebene Kritik ein, und Ihre Kritik ist immer kleinlauter und kleinlauter geworden, und dann haben Sie sich gedacht, machen wir eine Mitgliederbefragung und lassen wir uns unseren Kurs von den Mitgliedern abstützen.

Es haben sich sehr wenige Mitglieder an dieser Umfrage beteiligt, aber Sie wissen, 88 Prozent jener, die sich beteiligt haben, haben sich gegen Ceta ausgesprochen. Dennoch aber haben Sie im Oktober - - (Abg. Kern: Das stimmt nicht! Nur weil es die FPÖ sagt, ist es nicht wahr!) – Moment, zu den anderen komme ich schon noch, Herr Klubobmann Kern. – Dennoch aber haben Sie sich nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe für das berühmte „Ja, aber“ ausgesprochen. Also: Zuerst waren Sie dagegen, dann waren Sie mit einem „Ja, aber“ dafür; Sie haben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe die Schlussfolgerung gezogen, wir sind für eine Ratifizierung, aber – jetzt kommt das Aber – die Frage der strittigen Schiedsgerichte muss geklärt werden. Seither lavieren Sie zwischen diesen Positionen hin und her.

Das spiegelt sich auch in Ihrem Antrag wider. In Ihrem Entschließungsantrag steht nämlich drinnen – und das ist irgendwie schon kurios –: „Die Bundesregierung hat in Nachverhandlungen zu Ceta zu erreichen, dass Konzernen keine Sonderklagerechte eingeräumt werden, oder sicherzustellen“ – oder sicherzustellen! –, „dass die öster­reichi­sche Ratifikation von Ceta nur auf Grundlage einer Volksabstimmung vorge­nommen werden kann.“

Warum wollen Sie Nachverhandlungen zu den Sonderklagerechten? Das Entschei­dende sind doch nicht die Sonderklagerechte, das Entscheidende, das dennoch im Vertrag verbleiben würde, auch wenn nachverhandelt wird, ist doch der Investo­renschutz. Wenn man gegen etwas ist, dann kann man doch nur gegen den Inves­torenschutz, nicht aber gegen die Sonderklagerechte sein, denn die nützen gar nichts. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wenn man schon das Ganze zum Gegenstand einer Volksabstimmung machen soll – das wollen auch wir, und wir haben ja schon im Dezember einen entsprechenden Antrag eingebracht –, dann muss ich sagen: Ja, bekennen Sie sich zu einer Volks­abstimmung, aber lavieren Sie nicht dauernd hin und her zwischen Nachverhand­lungen auf der einen Seite und einer Volksabstimmung auf der anderen Seite! Das wird Ihnen nichts bringen.

Aber den wahren Umfaller, den wahren Bauchfleck hat natürlich heute im Ministerrat die FPÖ gemacht. Herr Vizekanzler Strache, ich muss Sie ja nicht daran erinnern (Abg. Martin Graf: Waren Sie dabei?), was Sie am 20.9. hier in diesem Hohen Haus gesagt haben (Abg. Martin Graf: Sitzen Sie im Ministerrat, Kollege?) und mit welcher Verve Sie sozusagen gegen dieses Abkommen eingetreten sind, nicht nur gegen das Ab­kommen Ceta, sondern auch gegen TTIP. (Abg. Martin Graf: Waren Sie dabei? – Abg. Kassegger: Viel intensiver immer gegen TTIP!) Sie haben von Raubtierkapitalismus gesprochen, Sie haben eine Volksabstimmung gefordert. All das war, wenige Tage nachdem ein Regierungsabkommen ausverhandelt war, vergessen. Im Vorfeld dieses Regierungsabkommens hat es ja nicht wenige in der FPÖ gegeben, die gesagt haben, machen wir das doch zur Koalitionsbedingung – aber nein, es ist nicht zur Koalitions­bedingung geworden.

Heute im „Morgenjournal“ wollte Herr Kollege Rosenkranz uns allen erzählen, dass sich an diesem Abkommen etwas verändert hätte, und Herr Gudenus hat ja auch in diese Richtung argumentiert, hat aber vergessen, uns zu erklären, was sich denn geändert hat. Gar nichts, Herr Kollege Rosenkranz, hat sich geändert, aber gar nichts! (Abg. Rosenkranz: Na geh, wo stehen denn Sie in der Lektüre?) Die Giftzähne, von denen Sie heute Morgen gesprochen haben (Abg. Rosenkranz: Sind gezogen!), wur­den diesem Abkommen nicht gezogen. (Abg. Rosenkranz: Wurden gezogen!) – Nein, die Investorenschutzklauseln sind nach wie vor im Vertrag enthalten. (Abg. Rosenkranz: Das stimmt nicht!) – Ich verstehe schon, was Sie meinen, ja, aber Sie interpretieren die Dinge halt alle falsch. Statt auf private Schiedsgerichte wird halt jetzt (Abg. Rosenkranz: Aber Sie interpretieren ...!) auf internationale Investitionsgerichtshöfe gezählt.

Warten wir doch die Entscheidung des EuGH ab! Warum warten Sie nicht die Ent­scheidung des EuGH ab, der ja in den nächsten Monaten zu klären haben wird, ob diese Schiedsgerichte und Sonderklagerechte überhaupt mit dem EU-Recht vereinbar sind? Nein, Sie haben es in dieser Frage besonders eilig. Sie haben es insbesondere eilig, Ihre Wählerinnen und Wähler zu verraten, und das nicht zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode, sondern schon zum wiederholten Male. (Abg. Neubauer: Seit wann machen Sie sich um unsere Wähler so große Sorgen? Schauen Sie, wo die eigenen bleiben!)

Sie ignorieren auch jene 560 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Volks­begehrens, die gegen TTIP, Ceta und Tisa gestimmt haben. Wenn ich mich nicht irre, Herr Vizekanzler, waren auch Sie einer von jenen, die dieses Volksbegehren unter­zeich­net haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Warum sind diesem Abkommen auch aus anderen Gründen nicht die Giftzähne gezo­gen worden? – Es ist ja nicht nur die Frage des Investorenschutzes, sondern es geht auch um andere Dinge. Es gibt darin auch andere Klauseln zur Liberalisierung, die sehr starken Druck auf öffentliche Dienstleistungen und damit auf Leistungen der Da­seins­vorsorge ausüben. Sie wissen das ganz genau, Herr Rosenkranz: Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge können jederzeit betroffen sein (Abg. Rosenkranz: Nein!), denn im Abkommen gilt das sogenannte Negativlistenprinzip. Was dort an öffentlichen Dienstleistungen nicht ausgenommen ist, kann jederzeit betroffen sein. So schaut es aus, Herr Klubobmann!

Nächster Punkt: Die im Abkommen verankerte regulatorische Kooperation kann dazu führen, dass zahlreiche Standards unterlaufen werden: Konsumentenschutzstandards, Umweltschutzstandards, Arbeitnehmerschutz. (Abg. Rosenkranz: Nein!)  Na selbst­verständlich! Stellen Sie sich heraus und erklären Sie mir das Gegenteil! Entschärfen Sie all diese Argumentationen im Zusammenhang mit der regulatorischen Kooperation! (Abg. Rosenkranz: Haben Sie Ihre DNA schon einmal auf die Brüder Grimm unter­suchen lassen?)

Nun zu Ihnen, Frau Ministerin Schramböck! Sie haben sehr stark für den Wirtschafts­standort votiert und gesagt, wie toll das nicht alles für unsere Klein- und Mittelbetriebe ist. Es gibt eine Studie von einem von mir sehr geschätzten Ökonomen, Herrn Werner Raza. Er hat modellmäßig berechnet, dass sich in den nächsten zehn Jahren die Wirtschaftswachstumseffekte auf ganze 0,023 Prozent belaufen werden. (Abg. Kassegger: Der hat aber genau gerechnet!) Das ist also sehr, sehr wenig, sehr, sehr bescheiden. Und das von Ihnen angesprochene Beschäftigungswachstum wird mit 0,018 Prozent in den nächsten zehn Jahren ebenfalls extrem bescheiden sein.

Ich hatte in dieser Frage der Beschäftigungseffekte schon vor einigen Jahren einmal einen Streit mit Frau Kommissarin Malmström (Ruf bei der ÖVP: Die kennt Sie gar nicht!), sie hat meine Argumente nicht wahrhaben wollen. (Abg. Rosenkranz: Das ist ja unerhört! Wie kann sie nur!) Ich habe ihr gesagt, dass es genau den Klein- und Mittelbetrieben in Österreich wenig helfen wird. (Abg. Winzig: Das stimmt ja überhaupt nicht!) – Aber ja, Frau Kollegin Winzig! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dieses Abkommen ist ein Abkommen, das in Wirklichkeit den Großkonzernen nützt und nicht den vielen kleinen und mittleren Betrieben in Österreich, die in einem ver­schärften Wettbewerb mit diesen Großkonzernen stehen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Ich fordere Sie daher vor dem Hintergrund dieser ernst zu nehmenden Argumente und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass etwa 80 Prozent der Bevölkerung gegen dieses Abkommen sind, auf, Ihren Standpunkt zu überdenken. Ich fordere Sie auf, meine Damen und Herren von der FPÖ und von der ÖVP, dieser Ratifizierung in den kommenden Wochen hier in diesem Haus nicht zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Rosenkranz: Die NEOS nicht? – Zwischenrufe der Abge­ordneten Winzig und Rädler.)

16.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Strache. Ich darf ihm das Wort erteilen.