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Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Debatte stehen die beiden Berichte Bedarfs­orientierte Mindestsicherung in Wien und Invaliditätspension Neu, die der Rechnungs­hof im Juli 2017 veröffentlicht hat.

Was die Mindestsicherung in Wien betrifft, so war das tatsächlich der zweite Bericht zur Mindestsicherung; der erste betraf die Länder Vorarlberg und Tirol im Jahr 2013 und der zweite die Mindestsicherung in Wien im Jahr 2016.

Wir haben darin festgestellt, dass die Mindestsicherungsausgaben der Stadt Wien auf­grund der Entwicklung der Fallzahlen und der Ausgabenzahlen sehr stark gestiegen sind. Die Ausgaben sind von rund 360 Millionen Euro im Jahr 2011 auf rund 660 Mil­lionen Euro im Jahr 2016 gestiegen. Ursächlich dafür war der rund 71 Prozent starke Anstieg bei den Mindestsicherungsbeziehenden im arbeitsfähigen Alter von 20 bis 59 Jahren, bei nichtösterreichischen MindestsicherungsbezieherInnen, bei mindest­siche­rungsbeziehenden Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten, bei Bezieherinnen und Beziehern mit ganzjähriger Unterstützung und vor allem bei den unter 25-Jährigen.

Ich halte fest, dass es sehr positiv ist, dass die Stadt Wien unmittelbar auf dieses Prüfungsergebnis reagiert hat. Es gab bereits im März 2017 das Projekt „MA 40 neu“, und es wurde eine Taskforce eingerichtet. Es gab auch eine Novelle zum Wiener Min­destsicherungsgesetz, welche im Februar 2018 in Kraft getreten ist. Darin wurde eine Reihe von Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt. Das betraf das Thema der Ziele der Mindestsicherung, die Empfehlungen für gegensteuernde Maßnahmen in den Bereichen Integration, Bildung, Beschäftigungsanreize sowie die Berücksichtigung ruhender AMS-Ansprüche als Einkommen. Das Thema ist, dass Mindestsicherung an sich ein Symptom ist, aber nicht eine Ursachenbekämpfung, und daran muss man arbeiten. Worauf verzichtet wurde, waren generelle Kürzungen.

Was wir bei der Gesetzesbegutachtung zur Wiener Mindestsicherungsnovelle kritisiert haben, war, dass eine neue Prognose gefehlt hat, neue Schätzungen über die Ent­wicklung der Zahlen, denn die Zahlen, die im Rechnungshofbericht aufgrund der Anga­ben der Stadt Wien angegeben wurden, wurden dann von der Stadt Wien zurückge­nommen, und es gibt keine neue Schätzung. Wir glauben natürlich, dass Prognosen notwendig sind, damit man auch weiß, welcher Finanzierungsbedarf besteht und womit man eigentlich rechnen muss.

Die zentrale Empfehlung in diesem Rechnungshofbericht ist die Harmonisierung der Mindestsicherung durch die Inanspruchnahme der Grundsatzgesetzgebungs­kompe­tenz des Bundes. Das wird derzeit überall diskutiert.

Warum hat das der Rechnungshof so sehr herausgestrichen? – Im Jahr 2010 wurde die Mindestsicherung eingeführt. Es wurde von der Sozialhilfe auf die Mindest­siche­rung umgestellt, und man hat gesagt, dass im Einklang dazu eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gemacht wird, um da zu harmonisieren, um da auch mit dem AMS zu harmonisieren und zusammenzuarbeiten. Diese Vereinbarung wurde aber mit der Finanzausgleichsperiode befristet, welche Ende 2016 endete, und auf eine neue Vereinbarung konnten sich die Länder seither nicht einigen. Damit kann oder könnte die Mindestsicherung in länderweise unterschiedliche Unterstützungs­regelun­gen zerfallen. Deshalb haben wir für den Fall, dass es zu keiner Vereinbarung kommt, auf diesen Kompetenztatbestand zum Armenwesen in Artikel 12 der Bundesverfas­sung hingewiesen, wo es eine Zuständigkeit des Bundes gibt, und da könnte man wirklich österreichweite Standards vorgeben. Die zentralen Elemente dabei wären die Festlegung von klaren Zielbegriffen und messbaren Indikatoren für die Zielerreichung. Worum geht es? Um Armutsbekämpfung oder um die Sicherstellung des Existenz­minimums? – Es geht um einheitliche Ansprüche für den Lebensunterhalt, die Über­nahme von nur tatsächlich nachgewiesenen Wohnkosten anstatt eines Fixbe­trages und Sanktionen und Maßnahmen bei der Verweigerung der Arbeitsbereitschaft.

Der zweite Bericht, den wir hier behandeln, betrifft die Invaliditätspension Neu. Ich kann mich da natürlich den Ausführungen, die hier schon von den Rednern vorge­bracht wurden, anschließen. Das, was uns aber wichtig ist, wenn etwas neu gemacht wird, wenn eine Umstellung erfolgt, ist, dass es richtige und zahlen- und faktenbasierte Datengrundlagen gibt, dass die Einschätzungen stimmen, denn die Differenz zwischen der Einschätzung und der Planung lag ja bei 750 Millionen Euro, und das ist schon eklatant. Daher ist es wichtig – und darauf besteht der Rechnungshof auch und wird darauf auch immer achten –, dass es realistische Planungen und Einschätzungen gibt, weil budgetäre Folgekosten sonst nicht einkalkuliert werden können und weil Sie sonst keine wirkliche Basis für Ihre Entscheidungen hier im Nationalrat haben, wenn Sie ein Gesetz machen.

Wir haben das Ziel der Umstellung auf das Rehabilitationsgeld nicht kritisiert. Wir ha­ben nur gesagt, die zugrunde gelegten Fallzahlen von Rehabilitation und Genesungs­quote sind aus der Luft gegriffen. Wir sagen jetzt, dass es notwendig ist, eine grund­legende Überprüfung dieses Konzepts durchzuführen, und zwar hinsichtlich einiger Aspekte, die wir auch detailliert im Bericht aufgezeigt haben, weil wir das genau überprüft haben: hinsichtlich der Zielgruppe für das Rehabilitationsgeld, hinsichtlich der Gestaltung der Geldleistung, hinsichtlich der Definition der Merkmale für ein Case Management – was versteht man darunter und wie ist das definiert? – und hinsichtlich der Einführung einer klaren Gesamtverantwortung.

Das ist das, was ich zu diesen Berichten zu sagen habe, und ich danke, dass Sie das auch zur Kenntnis nehmen. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

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