12.02

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie sitzen heute hier, weil Sie Erschreckendes voll­bracht haben. Sie sind nicht einmal sechs Monate im Amt und haben es bereits ge­schafft, die Sicherheit aller Österreicherinnen und Österreicher zu gefährden. (Heiter­keit und Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie sind nicht einmal sechs Monate im Amt und Sie haben es geschafft, die Sicherheit Ihrer Mitarbeiterinnen, Ihrer Mitarbeiter, der Poli­zistinnen und Polizisten zu gefährden. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.) Und Sie haben es geschafft, Österreich am Vorabend der Präsidentschaft in ganz Europa öf­fentlich zu blamieren – und das aufgrund von billigen parteitaktischen Überlegungen, näm­lich deswegen, weil Sie die Ermittlungen des BVT gegen Rechtsextreme in der FPÖ stoppen wollen. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie der Abg. Zadić– Heiterkeit bei der FPÖ.)

Sie haben parteipolitische Interessen vor die Sicherheitsinteressen der Österreicherin­nen und Österreicher und Ihrer eigenen Polizisten, Ihrer eigenen Mitarbeiter gestellt. (Ruf bei der FPÖ: Das sehen aber die Österreicher ...! – Abg. Höbart: Das ist ein Witz der Geschichte! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Viele Medien – das waren der „Falter“ (Abg. Belakowitsch: „Falter“, ja eh! – Abg. Zan­ger: Qualitätsmedium!), das „Profil“, „Der Standard“, der „Kurier“, die „Wiener Zeitung“, „Die Presse“ – haben in den letzten Wochen Unglaubliches zutage gefördert (Abg. Hö­bart: Die Arbeiterkammer wahrscheinlich auch!), was Sie in dieser Republik gemacht haben, was da passiert ist.

Das Erste – und da muss ich ein bisschen ausholen – ist, dass das BVT viele wichtige Aufgaben hat. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus (Abg. Rosen­kranz: Terrorismusbekämpfung!) soll zum Beispiel uns alle vor terroristischen Anschlä­gen - - (Abg. Rosenkranz: Nicht für Terrorismus! Terrorismusbekämpfung!) – Ja, die sol­len uns vor terroristischen Anschlägen beschützen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir alle hier wissen, die müssen, um das machen zu können, Folgendes tun: Sie müs­sen mit befreundeten Geheimdiensten in anderen Ländern zusammenarbeiten (Abg. Gudenus: Sapperlot! Wahnsinn!), denn sowohl Menschenschmuggel, Drogenschmug­gel, Waffenschmuggel als auch Terrorismus passieren international. (Ruf bei der FPÖ: ... was Neues!) Die Arbeit kann auch nur durch internationale Zusammenarbeit funktionieren. (Abg. Höbart: Danke für die Nachhilfestunde!) Dazu ist eines wichtig, nämlich das Vertrauen, das die Geheimdienste untereinander haben. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.)

Das heißt, wenn uns zum Beispiel die Deutschen Informationen liefern, weil jemand, der in Deutschland lebt, nach Österreich kommt und hier andere Menschen trifft, dann müs­sen sie wissen, diese Information bleibt beim österreichischen Geheimdienst und ver­lässt nicht dessen Haus, bleibt dort geheim. Das hat folgenden Grund: Wenn das öf­fentlich wird, wenn es da Leaks gibt, gefährdet das die Sicherheit der Arbeit dieser an­deren Geheimdienste und vor allem auch die Sicherheit der Mitarbeiter dieser Geheim­dienste. (Abg. Höbart: Wie bekommt denn der „Falter“ gewisse Daten? Von Ihnen?)

Jetzt ist ein Super-GAU passiert: Diese Daten, die gesammelt werden, werden im BVT gespeichert, in eine Datenbank eingespielt. Das Ganze nennt sich Netzwerk Neptun. Wir erinnern uns alle, unmittelbar nach der Hausdurchsuchung haben Nachrichtendienste, zum Beispiel der bundesdeutsche, sofort angefragt: Sind von uns auch Daten be­schlagnahmt worden? Gleich mit dem Hinweis: Wenn das passiert ist, dann müssen wir unsere Zusammenarbeit überdenken! (Rufe bei der FPÖ: Woher wissen Sie das? Vom Chefredakteur vom „Falter“?!) Das offizielle Österreich hat gleich gesagt: Nein, es ist nichts beschlagnahmt worden!

Mittlerweile wissen wir: Diese Daten sind beschlagnahmt worden (Ruf bei der FPÖ: Woher? – Abg. Herbert: Weil sie auf externen Festplatten gespeichert waren!) – und nicht ein paar wenige, und nicht die Informationen von ein paar Tagen, von ein paar Wochen oder von ein paar Monaten. (Abg. Belakowitsch: Herr Klenk ...!) Alle Informa­tionen, die Österreich von befreundeten Geheimdiensten bekommen hat, von zumin­dest drei Jahren sind beschlagnahmt worden und haben das BVT verlassen. (Ruf bei der FPÖ: Was machen sensible Daten auf ...!) Das ist ein Super-GAU für die Sicherheit aller Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Noll.)

Herr Bundesminister, Sie tragen die politische Verantwortung dafür, dass unsere Poli­zistinnen und Polizisten jetzt taub sind (Heiterkeit bei der FPÖ), weil sie nicht mehr hören, was im Ausland passiert, weil sie die Informationen von befreundeten Geheim­diensten nicht mehr bekommen. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Unsinn!) Es gibt keinen Geheimdienst, der bei Trost ist, mehr auf der Welt, der mit Österreich noch irgendwel­che Informationen teilt, außer vielleicht den Wetterbericht – und das ist Ihre Verantwor­tung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Zadić und Noll.)

Aber das war ja nicht alles. (Abg. Belakowitsch: Was denn noch?) Wenn die Ohren unserer PolizistInnen, unserer Geheimdienstmitarbeiter die Informationen, die wir aus dem Ausland bekommen, sind, dann sind die Augen die Informationen, die wir im In­land bekommen – von Spitzeln, von Maulwürfen, von Informanten, die wir bezahlen. Auch deren Informationen, deren Namen et cetera werden in einer Datenbank gespei­chert, diese nennt sich Zentrale Quellenbewirtschaftung – und auch diese ist beschlag­nahmt worden, auch diese hat das BVT verlassen. (Abg. Herbert: Was machen solche Daten auf privaten Festplatten, auf privaten Datenträgern?)

Ich frage Sie: Welcher Informant wird in Zukunft unserem Geheimdienst noch Geheim­nisse verraten und Informationen geben, wenn er damit rechnen muss, dass diese In­formationen nicht sicher sind, sondern das BVT verlassen und damit wieder ihre eige­ne persönliche Sicherheit gefährdet ist? (Abg. Neubauer: ... SPÖ!) Unsere Polizisten sind, was Terrorismusabwehr betrifft, nicht nur taub, sondern auch blind, weil wir näm­lich auch die Informationen von den Spitzeln und Maulwürfen nicht mehr bekommen werden. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Herbert: Was machen die auf privaten Datenträgern?!)

Auch das ist die Verantwortung von Minister Kickl, denn er hat darauf zu achten, dass das BVT – das ist seine Behörde, das sind seine Mitarbeiter – funktioniert.

Das Erschreckendste allerdings ist das Dritte, das zutage gekommen ist (Abg. Gude­nus: Erschütternd!), nämlich dass eine Liste von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BVT – die Zahl schwankt, es gibt Journalisten, die sagen, sie haben Listen mit 75 Mit­arbeitern, andere sagen 300 –, wo auch die verdeckten Ermittler dabei sind, in den staatsanwaltschaftlichen Akt gelangt und von dort bereits rausgegangen ist.

Die verdeckten Ermittler sind jene, die die gefährlichste Polizeiarbeit in Österreich ma­chen. Das sind jene, die sich in kriminelle Organisationen einschleusen, das sind jene, die tagtäglich ihr Leben riskieren – für uns, für unsere Sicherheit. Deren Namen sind bereits in falschen Händen. (Die Abgeordneten Belakowitsch und Herbert: „Falter“, zum Beispiel!) Es geht nicht nur um ihre Namen (Zwischenruf des Abg. Neubauer), sondern teilweise sind, weil Hausdurchsuchungen stattgefunden haben und dokumen­tiert wurden, ihre Adressen in falsche Hände geraten, die Grundrisse ihrer Wohnungen, die Fotos ihrer Schlafzimmer, selbst die Fotos der Kinderzimmer, die sind außer Kon­trolle. (Abg. Rosenkranz: Wer außer Kontrolle ist, da stellt sich jetzt die Frage, wer au­ßer Kontrolle ist!)

Sie haben keine Kontrolle mehr über die Namen der verdeckten Ermittler, Sie haben keine Kontrolle mehr über deren Adressen, Sie haben keine Kontrolle mehr über die Sicherheit jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BVT, die verdeckt ermitteln – und das ist wirklich ein Skandal! (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Angst: Sie haben Angst um ihre persön­liche Sicherheit, sie haben Angst - - (Abg. Belakowitsch: Und die sind zu Ihnen ge­kommen?!) – Sie brauchen sich jetzt nicht lustig zu machen, das ist ein ernstes Thema, Kollegin! (Beifall bei der SPÖ. – Mah-Ruf des Abg. Rosenkranz. – Abg. Gudenus: Das sagen genau Sie? Das ist ein Missbrauch des Parlaments!) Sie haben Angst um ihre persönliche Sicherheit und sie haben Angst um die Sicherheit ihrer Familien.

Eine Ermittlerin im BVT, die gegen Rechtsextreme ermittelt hat, hat sich bereits mit ei­nem E-Mail an die Staatsanwaltschaft gewendet und gesagt, sie werde von jenen be­droht, gegen die sie ermittelt hat, sie werde von denen unverhohlen bedroht.

Ein anderer Mitarbeiter hat einen Brief ans Parlament geschrieben – an uns alle hier! – und hat gesagt: Bitte nennt nicht meinen Namen (Abg. Rosenkranz: Also fangen Sie auch nicht an!), denn ich und meine Familie sind aufgrund der Arbeit, die ich für die Si­cherheit der Österreicherinnen und Österreicher gemacht habe, in Gefahr! – Wir wer­den ihn nicht verraten, ganz sicher werden wir ihn nicht verraten, die Wahrheit ist je­doch: Ihre Namen sind bereits in falsche Hände geraten, ihre Adressen sind in falsche Hände geraten (Abg. Kitzmüller: ... Falter!), und die Verantwortung dafür trägt Minister Kickl; er muss seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davor schützen, dass ihre Na­men, die Grundrisse ihrer Wohnungen, die Fotos ihrer Schlafzimmer in falsche Hände geraten. Das hat er nicht getan und dafür trägt er die Verantwortung. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Besonders interessant ist natürlich die Reaktion der FPÖ. Gleich an diesem Wochen­ende hat Herr Hafenecker, der Generalsekretär der FPÖ, gesagt, was wir jetzt brau­chen, sei eine 360-Grad-Aufklärung, und zwar über das, was die Oppositionsparteien und die Medien machen. – Ja wollen Sie vielleicht mit dem Rammbock unter dem Arm jetzt auch noch in die Redaktionen und in die Parlamentsbüros stürmen und dort auch alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist? Wie Sie mit diesem Problem umge­hen, ist sehr interessant. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Ganz schlechtes Kaba­rett! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Ein Gedanke lässt mich seit Tagen nicht los, und ich stelle mir seit Tagen eine Frage (Ruf bei der FPÖ: Was macht der da vorne? – Heiterkeit bei der FPÖ – Abg. Höbart: Was macht der da vorne? – Genau!): Wieso macht Bundesminister Kickl das? (Abg. Belakowitsch: Aber Sie haben sicher die Antwort schon gefunden!) Wieso riskiert er die Sicherheit von uns allen? Wieso riskiert er die Sicherheit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Polizistinnen und Polizisten? (Abg. Hauser: Die Sicherheit steigt!) Wieso blamiert er uns als Österreich international am Vorabend der Präsidentschaft? (Abg. Belakowitsch: Sagen Sie uns die Antwort! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das einzige Motiv, das irgendwie stringent ist und mit dem ich mir das erklären kann, ist: weil er eben die Ermittlungen des BVT gegen die Rechtsextremen in der FPÖ (Abg. Belakowitsch: Ja, genau!) und auch gegen die Rechtsextremen in seinem eigenen Büro stoppen will. Das ist das, was Sie hier tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit dem Rammbock unter dem Arm ins BVT einmarschiert und haben geholfen, alle Unterlagen, auch jene über laufende Ermittlun­gen (Abg. Rosenkranz: Das ist unfassbar! – Abg. Belakowitsch: Das ist unfassbar, was Sie da erzählen! Das trauen Sie sich nur, weil Sie immun sind!), die es gegen Rechtsextreme gegeben hat, zu beschlagnahmen. Das haben Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht.

Sie haben den Leiter dieser Behörde rechtswidrig suspendiert. Als ein Gericht diesen Rechtsbruch aufgezeigt hat, haben Sie nichts anderes, nichts Besseres zu tun gehabt, als zu schauen, ob Sie ihn noch einmal, ein zweites Mal suspendieren können. Erst als Sie das nicht geschafft haben, haben Sie beschlossen – Sie sind damit an die Öffent­lichkeit gegangen –, dass Sie das BVT zerschlagen und filetieren wollen, damit Sie die einzelnen Stücke unter Ihre Kontrolle bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Leiterin der Ermittlungen gegen Rechtsextreme innerhalb der FPÖ und auch au­ßerhalb der FPÖ – es ist nicht so, als wären alle Rechtsextremen innerhalb der FPÖ; so ist es ja nicht (Ruf bei der FPÖ: ... Trottel! – Abg. Rosenkranz: Das kann man auch laut sagen!) – muss sich an die Staatsanwaltschaft wenden und sagen, dass sie von Dienstgeberseite bedroht wird. Die Dienstgeberseite, das sind letzten Endes Sie, Herr Minister, Sie sind der Dienstgeber all dieser Personen. Sie sagt, der Dienstgeber be­droht sie: Entweder sie geht in Pension oder man wird ihr etwas anhängen – weil Sie nämlich dagegen sind, dass gegen Rechtsextreme in der FPÖ und auch gegen Rechts­extreme in Ihrem Büro ermittelt wird.

Das muss man sich einmal vorstellen: Jedes Jahr schließt die FPÖ Mitglieder, Funktio­näre und Mandatare aus. Wieso tut sie das? – Weil sie antisemitisch posten, weil sie Hakenkreuzfahnen im Keller sammeln und weil sie durch rechtsextreme Rülpsereien auffallen (Abg. Zanger: ... SPÖ-Funktionär!) – kurz: weil sie rechtsextrem sind! Es gibt nun einmal Rechtsextreme in der FPÖ, sonst würden Sie ja nicht jedes Jahr welche aus­schließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt werden jene Personen, die diese Ermittlungen durchgeführt haben, die jeden Tag nur ihren Job gemacht haben, bedroht, dass ihnen etwas angehängt wird, oder sie ge­hen ganz schnell in Pension. – Das ist der Grund, wieso Sie das machen. (Abg. Bela­kowitsch: Was Sie alles wissen!) Das Verwerfliche, sage ich Ihnen, daran ist, dass Sie für diese parteipolitischen Gründe die Sicherheit aller Österreicherinnen und Österrei­cher gefährden, weil unsere Polizisten bei der Terrorismusabwehr jetzt keine Informa­tionen aus dem Ausland mehr bekommen und es wesentlich schwieriger wird, Informa­tionen von Spitzeln und Maulwürfen zu bekommen. (Abg. Belakowitsch: Das haben Sie schon gesagt! Sie wiederholen sich!)

Sie riskieren die Sicherheit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn die sind mit Na­men, teilweise mit Adressen, mit den Grundrissen ihrer Wohnungen im Akt. Das riskie­ren Sie dabei, und Sie blamieren Österreich am Vorabend der EU-Präsidentschaft. (Abg. Belakowitsch: Das haben Sie jetzt das vierte Mal gesagt!)

Ich sage Ihnen eines, Herr Bundesminister: Sie sind kein Sicherheitsminister, Sie sind ein Unsicherheitsminister! Treten Sie zurück, am besten noch heute! – Vielen Dank. (Bei­fall bei SPÖ und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

12.16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.