13.49

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesre­gierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Was sich vor unseren Augen abspielt, ist ein Skandal. (Abg. Martin Graf: Der Pilz! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist ein sicherheitspolitisches Desaster. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Das gesamte Ausmaß des Skandals wird mit jeder Enthüllung schwerwiegender, und wir müssen uns zu Recht Sorgen machen. Dass das ein Skandal ist, sagt nicht nur die gesamte Opposition, das sagt sogar Herr Pilnacek und der ist Generalsekretär im Jus­tizministerium. (Neuerlicher Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Neubauer: Da ist nichts!) Genau deswegen sind wir heute hier, genau deswegen haben wir heute diese Sondersitzung einberufen, um Fragen beantwortet zu bekommen. Es scheint aber so, als würden sich mehr Fragen auftun, als wir beantwortet bekommen haben. (Abg. Gu­denus: Noch eine Sondersitzung vielleicht! – Abg. Zanger: Alma!)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist die zentrale Sicherheitsbehörde dieses Landes. Das BVT ist für Spionageabwehr ebenso zuständig wie für die Überwachung von Rechtsextremen, von Linksradikalen oder von Verfas­sungsfeinden. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das ist die Behörde, die uns vor terroristi­schen und extremistischen Netzwerken schützen soll, und Sie, Herr Innenminister, ha­ben sie blitzartig auseinandergenommen.

Die Menschen in Österreich haben Angst (Abg. Neubauer: Aber nur Sie!), weil Sie von Ihnen, Herr Innenminister, nicht mehr vor terroristischen Angriffen geschützt werden können, weil Sie diese Menschen nicht vor rechtsextremen oder linksextremen Über­griffen schützen können.

Herr Innenminister, Sie haben einen Überfall auf das BVT initiiert, bei dem unzählige hochsensible Daten mitgenommen wurden. (Ruf: Warum sind Sie nach Österreich ...! – Abg. Neubauer: Das ist ja unfassbar, was Sie hier sagen!) Diese Daten hatten nichts mit dem Hausdurchsuchungsbefehl zu tun, rein gar nichts. Sie haben der Staatsan­waltschaft Zeugen präsentiert, die sagen: Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin, Herr Dr. Lett hat mir gesagt, ich soll hierherkommen! Ja die Staatsanwaltschaft spricht sogar davon, dass die Zeugin offensichtlich in einer Drucksituation war. (Abg. Jarolim: Un­glaublich! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Man muss sich hier schon die Frage stellen, ob die Zeugen denn von sich aus zur Staatsanwaltschaft gegangen sind oder diese Zeugen nicht doch parteipolitischen Interessen gefolgt sind.

Was dann aber bei der Hausdurchsuchung abgelaufen ist, hat meine schlimmsten Be­fürchtungen wahr werden lassen. Erstens besteht akute Gefahr für die Informantinnen und Informanten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. (Abg. Kitzmüller: Wegen dem „Falter“, weil die alles schreiben!) Ich habe Sie schon in der letzten Sondersitzung im März gefragt, wie Sie denn gewährleisten wollen, dass die Informanten des BVT geschützt bleiben. Ich habe in einer eigenen Anfrage noch einmal die Frage gestellt, welche Maßnahmen Sie denn setzen möchten, um diese In­formantInnen vor Racheakten zu schützen. Ich habe Sie auch gefragt, wie Sie die Glaubwürdigkeit der Sicherheitsbehörde wiederherstellen wollen, damit diese Behörde in Zukunft auch weiterhin Informationen von Informanten bekommt. Auf all diese Fra­gen haben wir keine Antwort oder zumindest eine sehr unzureichende Antwort bekom­men. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wir haben diese Fragen heute noch einmal gestellt und wieder kaum Antworten be­kommen. (Abg. Rosenkranz: Da müssen Sie die Fragen besser formulieren!) Ich kann Ihnen aber versichern: Wir werden diese Fragen wieder stellen und wieder stellen. (Abg. Rosenkranz: Eine nächste Sondersitzung! – Abg. Neubauer: Bis Sie es auch verstehen!) Wir werden sie so lange stellen, bis Sie den Schutz dieser Menschen ga­rantieren können, die ihr Leben in Gefahr gebracht haben, um Österreich sicherer zu machen. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Rädler: Sie sind nicht in Bosnien! Ver­wechseln Sie das nicht!) – Herr Abgeordneter, meine Herkunft hat mit dem BVT nichts zu tun. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Zanger: Alma, bei mir bist du sicher!)

Zweitens: Die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher ist in Gefahr, und wir müssen in der Zeitung lesen, dass die Polizeieinheit bei der Hausdurchsuchung wie befürchtet weitaus mehr mitgenommen hat, als im Hausdurchsuchungsbefehl gestan­den ist. (Abg. Höbart: Das stimmt doch nicht!) Der Inhalt des Kommunikationsnetz­werks des BVT mit anderen befreundeten Sicherheitsbehörden, die gesamte Kommu­nikation mit anderen befreundeten Sicherheitsbehörden, die gespeichert war, wurde mit­genommen, das sogenannte Netzwerk Neptun. Dieses Netzwerk enthält unter ande­rem Daten des deutschen Bundesnachrichtendienstes. Das bedeutet erstens, dass es sich die deutschen Nachrichtendienste zweimal überlegen werden, ob sie mit Öster­reich zusammenarbeiten, denn Österreich kann dem deutschen Bundesnachrichten­dienst offensichtlich nicht garantieren, dass die Kommunikation geheim gehalten wird. (Abg. Rosenkranz: Das haben sie Ihnen schon gesagt? Wer hat Ihnen das gesagt beim BND? Wer denn? – Abg. Schieder: Ruhe! – Abg. Rosenkranz: Wer sagt das beim BND?)

Drittens: Herr Innenminister, das BVT ist eine Behörde, die Ihnen unterstellt ist. Ist es da nicht Ihre Aufgabe, das BVT zu schützen? (Zwischenruf des Abg. Herbert.) Wäre es nicht Ihre Aufgabe, zu verhindern, dass hochsensible Informationen von BVT-Mitar­beiterinnen und -Mitarbeitern, persönliche Daten von verdeckten Informanten, ja sogar private Adressen in staatsanwaltliche Hand gelangen und in einen staatsanwaltlichen Akt gelangen, in den im Rahmen der Akteneinsicht Einsicht genommen werden kann. (Abg. Rosenkranz: Genau! Diese Verbrecher in der Staatsanwaltschaft! Diese Daten leiden dort!)

Ist es nicht Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Ihre Mitarbeiter geschützt werden? Ei-ne der wichtigsten ErmittlerInnen gegen Neonazis und gegen das rechtsextreme Milieu sieht sich mittlerweile nicht nur von FPÖ-Leuten im Innenministerium, also von ihrem Dienstgeber, unter Druck gesetzt, ihr wird sogar nahegelegt, in Pension zu gehen. (Abg. Martin Graf: Das ist eine Verleumdung, die Sie machen! Sie sind eine Verleumderin im Schutze der Immunität!) Welche Maßnahmen setzen Sie denn, um diese wichtige Mit­arbeiterin zu schützen? (Abg. Rosenkranz: Das hat sie vom Pilz gelernt! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Herr Innenminister, Sie haben zugelassen, dass sensibelste Daten aus dem BVT mit­genommen wurden, sensibelste Ermittlungsdaten über Rechtsextreme, über Burschen­schaften, über terroristische Netzwerke. (Abg. Neubauer: Das ist unfassbar! – Abg. Ro­senkranz: Schämen Sie sich, Frau Pilz! – Abg. Neubauer: Schämen Sie sich!) Diese und viele andere Sachverhalte lassen den begründeten Verdacht zu, dass es hier um eine systematische parteipolitische Einflussnahme auf unseren Verfassungsschutz geht. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Diese Einflussnahme hat möglicherweise dafür gesorgt, dass Ermittlungen nicht auf­grund sicherheitspolitischer Überlegungen, sondern aufgrund parteipolitischer Interes­sen erfolgten. (Abg. Rosenkranz: Und Strafrecht ist eine Kategorie, die Sie ablehnen, oder so?) Die wichtigste Behörde unseres Landes, Herr Rosenkranz, ist geschwächt und damit letztlich die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher. Das BVT, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, muss ordentlich arbeiten können. (Abg. Rosenkranz: Das tut es! Das tut es!) Das muss sich ändern, und das wird sich ändern, und unser Verfassungsschutz wird weder ein schwarzer Ver­fassungsschutz sein, noch wird es ein blauer Verfassungsschutz sein, es wird ein rot-weiß-roter Verfassungsschutz sein (Abg. Gudenus: Ein pilziger! – Abg. Herbert: Ein roter ist er schon!), dafür werden wir sorgen. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist unser Ziel, den österreichischen Verfassungsschutz von parteipolitischen Inter­essen zu befreien, damit die wichtigste Sicherheitsbehörde des Landes auch wieder arbeiten kann. (Abg. Martin Graf: Jetzt weiß ich, was man unter Grapschen versteht! Ressort grapschen! – Abg. Rädler: Grapscherpartei!) Das sollte für mehr Sicherheit in unserem Land sorgen als die zahlreichen Überwachungsmaßnahmen, die vor Kurzem beschlossen wurden. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Herr Innenminister, Sie sind für die Sicherheit in unserem Land verantwortlich, aber of­fensichtlich haben Sie ein größeres Interesse an Pferden als daran, die Sicherheitsbe­hörde ordentlich arbeiten zu lassen. Herr Innenminister, Sie werden verstehen, warum wir Ihnen unser Misstrauen aussprechen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Rosenkranz: So etwas hätte ich von Ihnen nicht erwartet! Solche Letztklassigkeit! – Abg. Gudenus: Der hat der Peter Pilz die Rede geschrieben! – Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Jetzt hört einmal auf!)

13.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.