10.52

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Danke, Herr Präsident. (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der Heinz-Christian Strache zu sehen und der Text „Weil es um Österreich geht: Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP – Jetzt“ zu lesen ist. – Ruf bei der FPÖ: Ein Taferl aus der Arbeiterkammer? – Abg. Zanger: Hat Ihnen das der Leichtfried gegeben? – Ruf bei der FPÖ: Eine Teil­organisation der SPÖ! – Abg. Zanger – seine Arme vor der Brust überkreuzend –: Seid ihr zwei so?) Ich möchte an meinen Vorredner anknüpfen. Herr Kollege Haubner, Sie haben im Zusammenhang mit Ceta von einem Handelsabkommen gesprochen. – Ceta ist mehr als ein Handelsabkommen, das wissen Sie ganz genau. Also ich werde es ein bissel präzisieren und dann auch begründen, warum ich gegen Ceta bin und warum ich der Meinung bin, dass wir zu Ceta eine Volksabstimmung abhalten müssen. Den Antrag hat ja bereits Herr Kollege Leichtfried eingebracht.

Österreich, das ist schon richtig, ist ein kleines offenes Land, eine kleine offene Volks­wirtschaft und auf offene Handelsbeziehungen angewiesen. Daher sind Handelsab­kommen für Österreich und die österreichische Exportwirtschaft von großer Bedeutung. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich bin auch nicht grundsätzlich gegen Handels­abkommen, aber ich bin nur dann für Handelsabkommen, wenn sie auch fair aus­gestaltet sind. (Abg. Winzig: Das ist fair!) Ceta, Herr Kollege Haubner und Frau Kollegin Winzig, ist aber kein faires Abkommen. (Abg. Rosenkranz: Aber das behaup­ten nur Sie!)

Ceta ist mehr als ein Handelsabkommen, Ceta kommt nämlich einem Knebelvertrag gleich. Und warum? – Weil es eben den Investorenschutz enthält. Man kann und darf nicht alles in ein Handelsabkommen hineinverhandeln. Wenn wir den Investorenschutz draußen gelassen hätten, hätten wir kein Problem, dann müssten wir auch heute nicht darüber befinden, ob wir diesen Investorenschutz haben wollen oder nicht, denn mit dem Investorenschutz gehen Sonderklagsrechte für Großkonzerne, für ausländische Kon­zerne einher. Ganz im Gegensatz dazu erfahren heimische Klein- und Mittel­be­triebe eine Benachteiligung, und zwar deshalb, weil sie diesen Investorenschutz nicht in dem Ausmaß in Anspruch nehmen können wie große Unternehmungen, gleichzeitig stehen aber genau diese Klein- und Mittelbetriebe in internationaler Konkurrenz – ver­gessen Sie das bitte nicht, Herr Kollege Haubner!

Wenn ich mir diesen Vertrag anschaue, so muss ich sagen, er hat sich seit der Ratifizierung zwischen der EU und Kanada in Brüssel im Oktober 2016 überhaupt nicht verändert. Es können ihm daher auch, Herr Kollege Rosenkranz, keine Giftzähne gezogen worden sein. (Abg. Kassegger: Was ist mit der Gemeinsamen Auslegungs­erklärung? Abg. Rosenkranz: Geh, lass den g’scheiterln da vorne! Das zahlt sich überhaupt nicht aus!) Die Auslegungserklärungen sind politische Absichtserklärungen. Das wissen Sie ganz genau. Der Text des EU-Vertrages ist seit 2016 unverändert. Aus­legungserklärungen sind nicht dazu geeignet, diesem Vertrag die Giftzähne zu ziehen.

Kehren wir aber zurück zu den Änderungen bei der Schiedsgerichtsbarkeit. Es ist ja nach wie vor so, dass nicht unabhängige Gerichte entscheiden, und es ist ja auch nach wie vor so, dass private Juristinnen und Juristen herangezogen werden, die fallbe­zogen entscheiden – und das ist ein Problem, denn dadurch entsteht eine Parallel­justiz. Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, haben Sie kein Vertrauen in die heimische Justiz? (Abg. Rosenkranz: In Ihre Lynchjustiz haben wir es nicht!) Warum, Herr Kollege Rosenkranz und meine Damen und Herren von der ÖVP, warten Sie nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ab? Sie wissen ja, Belgien hat einen Antrag beim Europäischen Gerichtshof eingebracht und will prüfen lassen, ob die Sonderklagsrechte und die Schiedsgerichte mit dem EU-Recht übereinstimmen oder nicht. Warum diese Eile? Ich verstehe es nicht.

Deutschland wartet ab, Deutschland ist vernünftig. Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, sind nicht vernünftig. Sie wollen diesen Vertrag heute durch dieses Haus peitschen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So, und nun kommen wir zur FPÖ: Die FPÖ hat ja sehr, sehr lange eine Volksab­stim­mung zu Ceta gefordert. Ich kann und werde Ihnen jetzt einige Zitate dazu bringen. Am 20.9.2017 hat Herr Strache hier in diesem Plenum gemeint, dass wir „nach dem 15. Oktober selbstverständlich vehement für diese verbindliche Volksabstimmung zu CETA, TTIP, aber auch zu künftigen anderen Freihandelsabkommen [...] eintreten werden“.

Wenige Wochen später war derselbe H.-C. Strache nicht mehr Oppositionschef, son­dern da war er in der Regierung Vizekanzler. Selbst als Vizekanzler – und das hat mich eigentlich schon erstaunt – hat er aber im Zuge der Raucherschutzdebatte in einem Interview mit dem „Kurier“ am 23.2.2018 gemeint  da war er schon Vizekanzler! –: „Geht es nach mir, könnten wir sofort abstimmen“. Gemeint hat er, über die Raucher­geschichte. Er weitet diese Aussage auch auf ORF-Gebühren und – hören Sie gut zu, meine Damen und Herren von der FPÖ! – Ceta aus! Ja! (Abg. Rosenkranz: Ja, wir wissen das! Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum machen Sie jetzt diesen Bauch­fleck? Warum sind Sie jetzt plötzlich gegen diese Volksabstimmung? Warum wollen Sie diesen Vertrag jetzt unter Missachtung auch jener 562 000 Menschen, die ein Volksbegehren unterzeichnet haben, in aller Eile durch das Parlament peitschen? Ich kann das nicht nachvollziehen.

Nur zur Erinnerung: Herr Strache war ja auch einer von jenen, die das Volksbegehren damals unterzeichnet haben. Er hat also alles dafür getan, um dafür Sorge zu tragen, dass zu diesem Abkommen eine Volksbefragung durchgeführt wird. Was hat er aber gemacht, samt Ihnen, meine Damen und Herren, wenn Sie heute diesem Vertrag zustimmen werden? – Einen Bauchfleck! Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, haben Wählerverrat betrieben. Ich aber trete aus einigen Gründen – manche davon werde ich noch formulieren – für eine Volksabstimmung ein.

Ich habe hier dieses Taferl – ich weiß schon, das hat Herr Kollege Leichtfried auch gehabt. (Der Redner dreht die Tafel um, und auf der Rückseite wird ein Foto sichtbar, auf dem ein Haus, eine Straße, einige Straßenschilder, darunter „Kirchbichl Bad Häring“ sowie ein Plakatständer mit dem vorher gezeigten Plakat mit der Aufschrift „Weil es um Österreich geht: Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP. – Jetzt.“ sowie einem Bild von Heinz-Christian Strache zu sehen sind.) Wenn ich dieses Taferl jetzt umdrehe, dann sehen Sie Folgendes: Wenn Sie in Richtung Kirchbichl – Bad Häring in Tirol fahren, dann werden Sie feststellen, dass dieses Plakat tatsächlich noch immer dort hängt. Hat die FPÖ also vergessen, dieses Plakat abzumontieren? (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.) Oder gibt es in der FPÖ doch noch viele Menschen, die für eine Volksabstimmung eintreten, die sich von Ihnen, meine Damen und Herren von der FPÖ, verraten fühlen? (Abg. Rosenkranz: Da lacht er aber, der Herr Rossmann! Ha, ha!)  Ja, da lache ich; natürlich lache ich da, denn offenbar gibt es in Ihrer Partei eine Reihe von Menschen (Zwischenruf bei der SPÖ), die nach wie vor für eine Volksabstimmung eintreten. (Abg. Winzig: Weil die Liste Pilz keine Schaukästen hat!)

Sie ignorieren ja nicht nur die Unterzeichner dieses Volksbegehrens, Sie kommen immer wieder mit dem Argument, dass die Giftzähne gezogen wurden, aber das ist schlicht und einfach falsch. Ich habe es eh schon gesagt, aber ich kann es nicht oft genug sagen: Es hat sich an diesem Vertrag nichts geändert, es entscheiden nach wie vor nicht unabhängige Gerichte, es entscheiden private Juristinnen und Juristen im Zuge von Sonderklagsrechten, und das ist, finde ich, etwas, das man nicht tolerieren darf. (Abg. Jarolim: Kollege Rossmann, gibt es eine Erklärung, warum man so oft um­fallen kann? – Ruf bei der ÖVP: Die Frage müssten wir an euch richten!)

Ja, das ist eine gute Frage, Herr Kollege Jarolim (Abg. Zanger: Das wäre Ihnen jetzt nicht eingefallen!), es ist ja nicht das erste Mal. Ich erinnere mich daran, wir hatten früher eine Debatte über das Thema neuer Stil, alte Politik. Die FPÖ war ja eigentlich immer die Partei der kleinen Leute, im Zuge dieser Debatte hat sich aber heraus­ge­stellt (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Abg. Rosenkranz), und ich hoffe, ich konnte das nachweisen, dass die FPÖ die kleinen Leute verraten hat (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ), im Rahmen der Budgetpolitik, mit der Senkung der Arbeitslosen­ver­siche­rungsbeiträge, beim Familienbonus, bei der Mindestsicherung, mit der Streichung der Aktion 20 000 – und man könnte diese Liste fortsetzen, ein Bauchfleck folgt dem anderen. (Abg. Rosenkranz: ... bei den Pensionsprivilegien in der Arbeiterkammer, da sollte man auch noch nachschauen!)

Es gibt aber auch andere Dinge in diesem Vertrag, die mich stören, andere Klauseln zur Liberalisierung üben starken Druck auf die öffentlichen Dienstleistungen und damit auf die Leistungen der Daseinsvorsorge aus. Da nützt die Auslegungserklärung über­haupt nichts, da Sie das hier angeführt haben, Herr Kollege Kassegger. Das ist ein politisches Bekenntnis, aber nicht mehr. Es ist keineswegs garantiert, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von der Liberalisierung nicht betroffen sein können. Dieses Ab­kom­men mitsamt seiner Auslegungserklärung schließt das definitiv nicht aus, das haben uns im Übrigen auch die Expertinnen und Experten im Hearing im Wirtschafts­ausschuss vergangene Woche ziemlich deutlich vor Augen geführt. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Dasselbe gilt auch für die sogenannte regulatorische Kooperation, die in diesem Ab­kommen enthalten ist. Diese regulatorische Kooperation wird und kann dazu führen, dass Standards nicht nur nicht gehalten werden können, sondern unterlaufen werden können. Denken wir etwa an Standards im Bereich des Umweltschutzes, denken wir an den Bereich des Arbeitnehmerschutzes – auch eine Frage, die die kleinen Leute sehr stark betrifft –, denken wir aber auch an den Bereich des Konsumentenschutzes! Es gibt also eine Reihe von Gründen, warum dieses Abkommen nicht unterzeichnet werden darf und warum die österreichische Bevölkerung über dieses Abkommen entscheiden muss.

Ich fordere Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und der FPÖ, noch einmal auf, in sich zu gehen und zu überlegen, ob Sie dieses Abkommen hier und heute ratifizie­ren wollen. An Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, gerichtet: Ich weiß nicht, ob Sie es heute schaffen, nach so vielen Umfallern und Bauchflecken noch einmal die Kraft aufzubringen, sich vom Boden zu erheben und heute gegen dieses Abkommen zu stimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.03

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte.