11.47

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe dem Herrn Bundeskanzler, der jetzt leider die Regierungsbank verlassen hat, sehr aufmerksam zugehört. Ich muss sagen, es war nicht viel Neues unter dem, was gekommen ist. Er hat das gesagt, was er immer sagt, und es passt auch ins Bild. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können, wir hatten hier einmal eine Fragestunde mit dem Herrn Bun­deskanzler. Die Menschen, die dabei zugehört haben, haben dann auf Twitter einen Hashtag produziert: #AnswerLikeKurz. Das hat mich heute wieder ein bisschen daran erinnert, dass dieser Hashtag noch nicht ganz vergessen wird, sondern vielleicht noch notwendig ist.

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum der Vizekanzler heute gar nicht ge­kommen ist. Ich frage mich, wo er ist. Hier erfolgt die EU-Erklärung der Regierung, die die Ratspräsidentschaft angeht. Ich habe in der Zeitung gelesen, der Herr Vizekanzler schaut sich lieber ein Fußball-WM-Match an – als Fan von Russland oder Saudi-Ara­bien, das weiß ich nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja dann sagen Sie mir, wo er ist, was er Besseres zu tun hat! Ich sage Ihnen schon, es macht einen schlechten Eindruck, wenn der Vizekanzler bei der EU-Erklärung nicht da ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Zanger: Du schaust dir auch Kapfenberg gegen ... an!) – Ja wo ist er? Wo ist er? Sag mir, wo er ist! (Abg. Martin Graf: Wo ist der Herr Katzian? Wo ist der Herr Muchitsch? – Abg. Rosenkranz: Wo sind die Ge­werkschafter?)

Aber, geschätzte Damen und Herren, ich habe mich schon gefragt: Wieso bekommen wir so wenige Informationen über die Ratspräsidentschaft? Was hat die Regierung wirklich vor? – Ich habe mir das Dokument über die Ratspräsidentschaft durchgelesen. Sehr interessant: Das Wort Sicherheit wird 77 Mal genannt, das Wort Schutz 47 Mal. Also das könnte ja meines Erachtens so eine Art Schwerpunkt sein.

Selbstverständlich ist es so, dass die Sicherheit, der Schutz vor Verbrechen, die Ter­rorabwehr, die Prävention von Verbrechen, die Prävention von Terror, die internatio­nale Zusammenarbeit ein wesentlicher Teil dieser Arbeit sind. Aber da würde es mich schon interessieren – und ich hätte jetzt dem Herrn Bundeskanzler diese Frage gerne gestellt, aber das ist ihm anscheinend nicht so wichtig, jetzt stelle ich sie halt Ihnen allen –, was Sie dazu sagen, was Ihr Koalitionspartner, die FPÖ so treibt. Ich darf den Herrn Landesrat Podgorschek (das zweite o betonend) zitieren (Rufe bei der FPÖ: Podgorschek!) – jetzt nicht das Zitat: „Traue keinem Schwarzen.“, das ist jetzt nicht so das Thema; er hat auch ein anderes Zitat gebracht, nämlich –: Der Verfassungsschutz, der ist eine eigene politische Zelle innerhalb der Partei. Und das wird ausgetrocknet. – Das hat dieser Herr Landesrat gesagt. Wie, geschätzte Damen und Herren, können Sie Ihre Forderung nach mehr Sicherheit glaubhaft aufrechterhalten, wenn Sie zulas­sen, dass Ihr Koalitionspartner das wirksamste Schwert gegen Terror, gegen Verbre­chen, das wirksamste Schwert für Prävention aus parteipolitischen Gründen zer­schlägt? Das ist unglaubwürdig, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Mölzer.)

Aber Sicherheit ist viel mehr: Sicherheit ist nicht nur Terrorabwehr, Sicherheit ist auch, dafür zu sorgen, dass es den Menschen gut geht. Das ist Bekämpfung der Arbeitslo­sigkeit, Bekämpfung des Steuerbetrugs, Bekämpfung des Sozialbetrugs, geschätzte Damen und Herren. Das erwähnen Sie in Ihrem Papier überhaupt nicht. Sie wollen ein Nachtwächtereuropa, ein kaltes Europa, ein neoliberales Europa. (Abg. Belakowitsch: Was haben Sie gemacht die letzten Jahre?) Und da ist Ihnen Herr Rutte ein wichtiger Verbündeter. Ja, aber das ist nicht unser Europa. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zan­ger: ..., das muss man schon sagen!)

Herr Bundesminister Hofer! Ich gebe Ihnen recht: Diese Ratspräsidentschaft sollte eine gemeinsame nationale Anstrengung sein. Ich sehe das ganz wie Sie. Was ich nicht ganz teile, ist der Vergleich mit der Ehe, denn in Europa sind Sie zu siebenundzwan­zigst, und das wäre für eine Ehe unter Umständen ein bisschen übertrieben. (Abg. Be­lakowitsch: Aber nur unter Umständen!)

Aber es gibt für uns zwei Bedingungen, wo wir sagen: Ja, wir arbeiten mit, wir unter­stützen diese Bundesregierung, wir wollen eine gute Ratspräsidentschaft. Das Erste ist die soziale Dimension, die uns so wichtig ist. Dazu bringen wir auch zwei Anträge ein.

Der erste Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Euro­paweite Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Um Lohn- und Sozialdumping europaweit zu bekämpfen, sollen die zuständigen Re­gierungsmitglieder sicherstellen, dass die Gründung der Europäische Arbeitsschutzbe­hörde bereits während der österreichischen Ratspräsidentschaft erfolgt. Sitz der Ar­beitsschutzbehörde soll Österreich sein.“

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Konzernklagerechte in EU-Abkommen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Verhandlungen bzw. dem Abschluss von Abkommen auf EU-Ebene nur dann zuzustimmen, wenn diese keine Sonderklagerech­te für Konzerne enthalten.“

*****

Das ist das Erste, was uns wichtig ist.

Und das Zweite ist, dass wir uns selbst auch etwas ernster nehmen, geschätzte Da­men und Herren.

Zum Ernster-Nehmen gehört auch Folgendes – schauen Sie einmal! (einen Abakus aus dem grünen Sack nehmend und diesen auf das Rednerpult stellend – Abg. Bela­kowitsch: Der Leo hat auch immer was mitgebracht!) –: Das ist jetzt nicht so digital, Herr Bundesminister Hofer, wie Sie das gerne hätten. (Abg. Zanger: Hast du das die­nen Enkerln weggenommen?) Aber verzichten Sie, geschätzte Damen und Herren von der österreichischen Bundesregierung, in Zukunft auf diese Fantasiezahlen! Es war beim EU-Budget so, als Sie zuerst gesagt haben: Kein Cent mehr. – Inzwischen ist es schon mehr. Es war bei den Kosten für die Ratspräsidentschaft so, als der Bundes­kanzler gesagt hat: 43 Millionen Euro. – Wenn man alle Ministerien abfragt, sind es 120 Millionen Euro. (Abg. Hafenecker: Können Sie nicht kopfrechnen?) Entweder war es so gewollt oder es war ein Rechenfehler. Falls es ein Rechenfehler war, habe ich dem Herrn Bundeskanzler etwas mitzugeben – in seiner Abwesenheit bekommt es halt der Herr Finanzminister und der Herr Infrastrukturminister. (Der Redner überreicht Bun­desminister Löger den Abakus.) – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger – auf den grünen Sack zeigend –: Ist das eh ein Steiermark-Sackerl?)

11.53

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 31. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Erklärung des Bundes­kanzlers gem. § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR betreffend österreichischer Ratsvorsitz (TOP1)

betreffend Europaweite Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping

Begründung

Lohn- und Sozialdumping steht in Europa noch immer an der Tagesordnung. Öster­reich ist davon besonders stark betroffen. Auf EU-Ebene wurde nun endlich die Über­arbeitung der Entsenderichtlinie finalisiert. Zusätzlich zu strengeren Regeln braucht es eine funktionierende grenzüberschreitende Kontrolle bei Arbeits- und Sozialvorschrif­ten, um Ausbeutung von Beschäftigten zu verhindern.

Österreich ist Zielland von Entsendungen, gleichzeitig steigt Lohn- und Sozialbetrug bei Entsendefirmen. Im Vorjahr kamen im 300.000 EU-Arbeitskräfte per Entsendung nach Österreich. Parallel dazu ist der Sozialbetrug durch neue betrügerische Praktiken gestiegen. Umso wichtiger ist es, das Prinzip "gleiches Entgelt am gleichen Ort für glei­che Arbeit" in allen EU-Staaten umzusetzen.

Kontrollen der österreichischen Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) belegen die Problematik: Bei Kontrollen im ersten Halbjahr 2017 gab es bei 0,9 Pro­zent der ArbeitnehmerInnen von österreichischen Betrieben Verdachtsfälle auf Unter­bezahlung, bei Entsendebetrieben mit einem Firmensitz in anderen EU-Staaten, die ih­re Beschäftigten nach Österreich entsenden, hingegen in 44 Prozent der Fälle.

Aber damit nicht genug: Das Problem der Scheinentsendungen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird immer wieder in Österreichs Grenzregionen deutlich. Im Burgenland wurden im Vorjahr Strafen in Höhe von einer Million Euro von ungarischen Unternehmen eingefordert, davon konn­ten aber nur 2.000 Euro tatsächlich eingetrieben werden. Genau aus diesem Grund muss die grenzüberschreitende Kontrolle sowie der grenzüberschreitende Vollzug von Verwaltungs- und Strafverfahren lückenlos sichergestellt werden, indem die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit verpflichtet werden.

Bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ist noch einiges zu tun. Konkrete Maßnahmen wie die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsnummer, oder die Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde müssen in naher Zukunft dringend gesetzt werden, um Lohn- und Sozialdumping effektiv zu bekämpfen.

Die Europäische Kommission stellte nun am 13. März 2018 entsprechend der Ankündi­gung von Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 2017 und im Rahmen des Paketes für soziale Gerechtigkeit, die Europäische Arbeitsschutzbehörde vor. Die Europäische Arbeitsschutzbehörde soll den Bürgerinnen und Bürgern, den Unterneh­men und den nationalen Regierungen helfen, eine faire Arbeitskräftemobilität zu ge­währleisten.

Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um den massiven Problemen im Zusammenhang mit Entsendungen wirksam zu begegnen. Denn die Mitgliedstaaten allein treffen wie oben dargestellt an administrative Grenzen, die auch die vorbildlichste rechtliche Rege­lung (vgl. das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz) ins Leere laufen lassen.

Umso bizarrer und empörender ist, dass die schwarz-blaue Bundesregierung diesen sinnvollen Vorschlag der EU-Kommission zu verzögern versucht bzw. ihn gleich kom­plett ablehnt, während für Konzerne günstige Regelungen im Schnelldurchgang be­schlossen werden sollen. Den Preis zahlen die österreichischen ArbeitnehmerInnen. Dies muss sich ändern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Um Lohn- und Sozialdumping europaweit zu bekämpfen, sollen die zuständigen Re­gierungsmitglieder sicherstellen, dass die Gründung der Europäische Arbeitsschutzbe­hörde bereits während der österreichischen Ratspräsidentschaft erfolgt. Sitz der Ar­beitsschutzbehörde soll Österreich sein.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 31. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Erklärung des Bundes­kanzlers gem. § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR betreffend österreichischer Ratsvorsitz (TOP1)

betreffend Keine Konzernklagerechte in EU-Abkommen!

Begründung

Laut Programm des österreichischen Ratsvorsitzes setzt sich dieser zum Ziel, Kon­zernklagerechte zum Standard in der EU-Handelspolitik zu machen. So enthält das Programm folgenden Satz: „Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusam­menhang auch ausgewogenen, die legitimen staatlichen Regulierungsinteressen be­rücksichtigende Investitionsbestimmungen in den EU-Abkommen“.

Die im Rahmen der Sonderklagerechte gegebene Möglichkeit für Konzerne, Staaten auf Grund von Verletzungen des Abkommens direkt und unter Umgehung der österrei­chischen Gerichte vor einem internationalen Tribunal zu klagen, darf keinesfalls weiter­hin Teil der EU-Handelspolitik sein, da sie niemals „ausgewogen“ sein können und per Definition die staatlichen Regulierungsinteressen unterwandern.

Die bisherige Klagetätigkeit auf Grund solcher Konzernklagerechte zeigt, welche nega­tiven Folgen die bloße Möglichkeit solcher Konzernklagen hat. Vor allem verletzen sol­che Konzernklagerechte einen fundamentalen Grundsatz unseres Rechtsstaates: die Gleichheit vor dem Recht.

Während es sich die Konzerne richten können und ihr „Recht“ vor ihnen günstig ge­wogenen Tribunalen durchsetzen können, sind Bürgerinnen und Bürger auf normale Gerichte verwiesen. Ihnen steht etwa bei Verletzung von ArbeitnehmerInnenrechten oder Verstößen gegen Umweltschutzpflichten nicht die Möglichkeit offen, vor Sondertri­bunalen Klage zu erheben.

Auch aus europarechtlicher Sicht gibt es massive Bedenken gegen das System der Konzerngerichte. Im Achmea-Urteil hat der EuGH eindeutig ausgesprochen, dass Son­derklagerechte für Konzerne dazu führen, dass das Europarecht ausgehöhlt wird und diese daher für unzulässig erklärt.

Nichtsdestotrotz stimmen ÖVP und FPÖ bedingungslos solchen Konzernprivilegien zu. In die Abkommen mit Singapur und Mexiko sollen solche Bestimmungen aufgenom­men werden, mit Japan gehen die Verhandlungen dazu weiter und auch in Abkommen mit anderen Staaten sollen diese Konzernklagerechte aufgenommen werden. Nicht einmal die Überführung der Konzernklagerechte in eigene Abkommen nur der Mitglied­staaten statt der EU hält ÖVP und FPÖ davon ab, solche Regelungen zu beschließen. Das Wirtschaftsministerium hat sogar den Vorschlag gemacht, innerhalb der EU ein eigenes, privilegiertes Konzerntribunal zu gründen.

Die Bundesregierung sollte sich auf die Seite der ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und der Umwelt stellen anstatt Konzerne mit Sonderrechten zu versorgen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Verhandlungen bzw. dem Abschluss von Abkommen auf EU-Ebene nur dann zuzustimmen, wenn diese keine Sonderklagerech­te für Konzerne enthalten.“

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Präsidentin Doris Bures: Die beiden Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen daher auch mit in Verhandlung.

Eine tatsächliche Berichtigung gibt es von Herrn Abgeordnetem Mag. Roman Hai­der. – Bitte, Herr Abgeordneter.