11.54

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler! Herr Abgeordneter Leichtfried! Wo sitzt er? (Abg. Leichtfried – die Hand hebend –: Da!) Dass Herr Bundeskanzler Kurz immer das Gleiche sagt: Ja, natürlich, er hat eine klare Linie. Das gilt für alle Mitglieder dieser Bundesregierung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Wo ist der Herr Vizekanzler?)

Sie haben im Wahlkampf hundert Mal dasselbe gesagt, und jetzt sagen sie wieder das­selbe und setzen es jetzt um. Das sind Sie nicht gewohnt, das ist mir klar. (Abg. Witt­mann: Wo ist der Herr Vizekanzler? Sie müssen das doch wissen!) Ex-Bundeskanzler Kern hat es anders gehandhabt. Aber die Wähler schätzen es so, wie es jetzt ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Helmut Kohl hatte eine ganz klare Vision von der in seiner Regierungszeit entstehen­den Europäischen Gemeinschaft. Er hat des Öfteren auf die Geschichtsvergessenheit in der Politik hingewiesen. Daher möchte ich ihn jetzt kurz der Geschichte entreißen. Seine Vorstellung - - (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann. – Abg. Rosen­kranz: Er ist beim ÖGB-Tag! – Abg. Belakowitsch – in Richtung Präsidium –: Bitte könnten Sie die Zwischenrufe ...?! – Ruf: Das ist ... der Vorsitzführung!) – Darf ich sprechen, Herr Abgeordneter Wittmann? Sonst - - (Ruf: Selbstverständlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Seine Vorstellung von einem starken Europa war ein Europa der Stabilität und des Rechts, der Solidarität und der Subsidiarität. Dies war seine Vorgabe aus den Achtzi­ger- und Neunzigerjahren, als die EU sich zu entwickeln und zu wachsen begann und er an der Gestaltung maßgeblichen Anteil hatte. Für diese Idee einer Europäischen Gemeinschaft konnten sich die Menschen begeistern, und sie stimmten mit großen Mehrheiten zu.

Interessant ist, dass diese Leitlinien, die circa 30 Jahre alt sind, praktisch ident mit den Zielen sind, welche sich unsere Bundesregierung als Schwerpunkte für die kommende Ratspräsidentschaft gesetzt hat. Sicherheit und Stabilität durch entschiedenen Kampf gegen die illegale Migration, Solidarität der EU mit ihren Bürgern, mit dem Rest der Welt bestmögliche Kooperation. Auch da wandeln wir auf den Spuren von Helmut Kohl, der sich so verdienstvoll an der Aussöhnung mit vielen Ländern beteiligt hat – ob das jetzt Frankreich, Tschechien oder Israel waren. Auch in Russland hat er immer die Mei­nung vertreten, dass man auch mit schwierigen Partnern auf Augenhöhe reden und verhandeln muss, und leistete so einen konstruktiven Beitrag für die Umgestaltung der UdSSR. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weitere Schwerpunkte sind die Sicherung des Wohlstands und der Wettbewerbsfähig­keit, der Stabilität in der Nachbarschaft, die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit und die Besinnung darauf, was besser national oder regional besorgt werden kann.

Warum müssen diese Prinzipien nun zum Schwerpunkt dieser EU-Ratspräsidentschaft erklärt werden, wo sie doch offensichtlich schon vor 30 Jahren realisiert werden hätten sollen? Der Grund liegt darin, dass die EU, beginnend mit der Jahrtausendwende, den von Kohl vorgegebenen und vorgezeichneten Weg in einem Ausmaß verlassen hat, wie er sich das sicher nicht vorstellen konnte. Brüssel entwickelte die Idee und die Tendenz zu einem EU-Einheitsstaat mit mehr Zentralismus, Bürokratie, Umverteilung, Zwangsumverteilung – sowohl von Schulden als auch von illegalen Migranten –, einem Staat, der ohne demokratische Legitimation entstehen soll, denn zu diesem Staat ha­ben die Bürger ihre Zustimmung nicht gegeben.

Auf diesem Weg wurden auch geltendes Recht und vereinbarte Verträge missachtet. Wer erinnert sich noch an die Konvergenzkriterien im Euro-Stabilitätspakt von Maas­tricht, an Schengen, die Dublinregelung, die No-Bailout-Klausel und natürlich die siche­re Außengrenze? Das war eine Garantie und für sehr viele Bürger eine Bedingung für ihre Zustimmung zur EU. Darauf haben sie vertraut, diesbezüglich sind sie enttäuscht worden.

Diese Vorgänge – da hat auch der EuGH durchaus assistiert – haben nicht nur zu ei­ner Krise des Rechts und der Rechtsstaatlichkeit geführt, sondern zu einem Vertrau­ensverlust und Autoritätsverlust der EU mit dem Höhepunkt natürlich im August 2015, als die Grenzen praktisch geöffnet wurden. Vor allem der Umgang der deutschen Bun­deskanzlerin und von Vertretern dieser Linie mit den Kritikern, die verteufelt wurden, obwohl sie sich an das Recht halten wollten, und die lächerlich gemacht wurden, war nicht förderlich. Auch die deutsche Bundeskanzlerin hat behauptet, man könne doch Grenzen gar nicht schützen. Das hat für die Bürger dazu geführt, dass man den Boden unter den Füßen verloren hat. Offensichtlich waren kein Schutz und keine Sicherheit mehr gewollt. Und das noch dazu von einer Frau, die in der DDR aufgewachsen ist, die doch eigentlich von Grenzschutz einiges verstanden hat.

Nach jahrelanger Entwicklung in die falsche Richtung ist es nun an der Zeit, der Brüsseler Tendenz zu mehr Zentralismus diese Wiener Version einer EU der Vaterlän­der entgegenzusetzen (Beifall bei der FPÖ), erreicht durch mehr Subsidiarität, Dezen­tralismus, Autonomie und Bürgernähe, Freiheit und Eigenverantwortung. Liebe und Treue zu unseren Heimatländern ist die Basis für die Entwicklung eines europäischen Geistes und für eine gemeinsame positive europäische Identität. Wir müssen uns an unsere unterschiedlichen Wurzeln und Traditionen erinnern – anstatt des falschen Uni­versalismus. Da kommt es dann zu dieser Liebesbeziehung, die OGM-Chef Bach­mayer im vergangenen „Report“ vermisst hatte; er wurde zur Einstellung der Österrei­cher zur EU befragt und meinte, sie seien mehrheitlich schon gerne dabei, aber es sei keine Liebesbeziehung. Man kann diese wieder herstellen.

Auch hier verweise ich noch einmal auf Helmut Kohl, der das auf den Punkt gebracht hat, als er in sehr hohem Alter – schon sehr müde, nachdem er stundenlang den sal­bungsvollen Worten anlässlich seiner Ehrung als großer Europäer gelauscht hatte – lediglich lapidar gesagt hat: „Es lebe Deutschland, unser Vaterland. Es lebe Europa.“ – In dieser Verbindung liegt die Lösung, dann sind auch die Menschen wieder dabei, und zwar mit Liebe.

Das muss man jetzt auf Österreich umlegen und umsetzen. Ich habe mir erlaubt, das Motto der EU-Ratspräsidentschaft etwas auszukleiden: Es lebe Österreich, unsere Heimat. Es lebe ein Europa der Vaterländer, ein Europa, das schützt und in dem wir in Vielfalt friedlich und in Respekt geeint sind. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.01

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.