12.55

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Bei der Erklärung heute Früh hat Herr Bundeskanzler Kurz davon ge­sprochen, er wolle ein Europa, das eint. – Jetzt muss man aber ehrlich sagen, Herr Bundeskanzler: Passen Sie auf, dass Sie und Ihre Regierung, wenn Sie so weiterma­chen wie bisher, nicht ganz schnell zu den Spaltern Europas gehören! (Abg. Belako­witsch: Und Sie gehören zu den Spaltern der SPÖ!)

Ihre Politikansätze gehören nämlich zu jenen, die separieren und spalten. Wenn ich Herrn Minister Hofer höre, der sagt, besser weniger Europa, dann weiß ich nicht, ob das die Antwort auf die Fragen unserer Zeit ist – ich glaube, das ist auf jeden Fall die falsche Antwort! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir spüren es ja alle: Wir stehen vor großen Wei­chenstellungen. Wir leben inmitten einer unsicheren Welt, die zunehmend unsicher wird, weil auch die Weltpolitiker zunehmend, sagen wir es einmal höflich, uneinschätz­bar werden, wenn wir den amerikanischen Präsidenten, den russischen Präsidenten und all die Weltführer hernehmen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Die Antwort auf genau diese Situation muss doch ein starkes, geeintes Europa sein, ein Europa als ein Pol der Stabilität, von dem Sicherheit, Frieden und sozialer Wohlstand ausgehen – das ist doch das Ziel, nicht weniger Europa, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker.)

Um es anders zu formulieren: Gäbe es die Europäische Union nicht, dann müsste man sie gerade jetzt in dieser historischen Situation erfinden – und nicht daran arbeiten, dass sie schlechter wird! Es geht um die Zukunft dieses Einigungsprojekts, es geht um die Zukunft des Friedensprojekts Europa, und in dieser historischen Situation muss man auf der richtigen Seite stehen, Herr Bundeskanzler: Nicht Seehofer, sondern Mer­kel ist die richtige Seite! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Nicht Orbán, sondern Sánchez ist die richtige Seite. (Zwischenruf des Abg. Höbart.) Grundrechte, nicht Polen ist die richtige Seite! Und auch nicht Achsenmächte, sondern Europapolitik ist die richtige Seite, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Sie spalten gerade Europa!)

Es wird Zeit: Es wird Zeit, dass diese Bundesregierung endlich das Große im Auge hat. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) Wir brauchen starke, gemeinsame europäische Institutionen. Wir brauchen ein Europa, das schützt, sagt die Bundesregierung. – Ja, aber wir brauchen ein Europa, das die Menschen auch vor Arbeitslosigkeit schützt, wir brauchen ein Europa, das die Jugend vor Jugendarbeitslosigkeit schützt! (Abg. Bela­kowitsch: Könnten Sie den Satz mit der Merkel noch einmal wiederholen?) Wir brau­chen ein Europa, das die soziale Sicherheit, die öffentlichen Dienstleistungen in unse­rem Europa schützt! Das ist das, was wir brauchen, und das sollte unsere Bundesre­gierung während der Präsidentschaft auch einbringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hö­bart: Sie hetzen gegen die Visegrád-Staaten!)

Vielleicht haben Sie auch schon vergessen, was doch im Nachkriegseuropa so wahr ist, nämlich dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Sicherheit zusammengehören. Ein Bundeskanzler, der sich hier ans Rednerpult stellt und sagt, eigentlich pfeift er auch auf die Sozialpartnerschaft, hat vielleicht nicht verstanden, dass wirtschaftlicher Erfolg, In­novation, Fortschritt und Reichtum genau nur dann entstehen können, wenn es soziale Sicherheit in unserer Gesellschaft gibt, und auch nur dann, wenn alle ihren fairen Bei­trag leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe daher auch einen Antrag ein, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ge­rechter Beitrag von Konzernen – Digitalsteuer und Finanztransaktionssteuer beschlie­ßen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert,

- sicherzustellen, dass es europaweit zu einer gerechten Besteuerung von Konzernen kommt und daher insbesondere die Vorschläge zur Digitalsteuer sowie die Finanz­transaktionssteuer beschlossen werden;

- sicherzustellen, dass verbindliche, europaweite Mindeststeuersätze für Unterneh­menssteuern von zumindest 15% oder darüber gelten.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, das wäre einmal eine Agenda für eine österrei­chische EU-Präsidentschaft! Nehmen Sie das noch auf, wenn Sie während der Prä­sidentschaft etwas Gescheites tun wollen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Weil ich gerade Finanzminister Löger sehe: 900 Millionen Euro, sagt der Wirtschafts­forscher und Professor Zucman, entgehen alleine Österreich durch diese Schlupflö­cher – machen wir diese zu, dann können wir beginnen, Lösungen für alle Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben, zu finanzieren! (Präsidentin Kitzmüller über­nimmt den Vorsitz.)

Warum lassen Sie diese Lücken offen? Ich verstehe es einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, als großer Fan des Mark Rutte, wie ich heute gelernt habe: Re­den Sie einmal mit ihm! Der ist nämlich der Oberlückenaufmacher bei der Besteue­rung. Sagen Sie ihm einmal, er soll gemeinsam mit den restlichen Europäern für ein faires Steuerrecht kämpfen und nicht der Oberfreund der Steueroasen sein! Das wäre dringend nötig. (Beifall bei der SPÖ.)

In nächster Zukunft, das ist auch mein Schlusssatz (Abg. Hafenecker: Wie war das mit den SPÖ-Stiftungen?), in nächster Zukunft, in den nächsten Jahren werden wir alle die Frage beantworten müssen: Haben wir daran mitgearbeitet, dass sich Europa positiv weiterentwickelt hat? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Haben wir mitgearbeitet, dass Euro­pa, das glühende Beispiel, auch Bestand hatte? Oder haben wir dabei mitgemacht, dass Europa sich selbst geschwächt hat? (Abg. Belakowitsch: Sie haben es 2015 zer­stört!) Ich hoffe, dass wir nicht Zweiteres tun. – Sie tun es leider, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

13.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 31. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Erklärung des Bundes­kanzlers gem. § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR betreffend österreichischer Ratsvorsitz (TOP1)

betreffend Gerechter Beitrag von Konzernen – Digitalsteuer und Finanztransaktions­steuer beschließen

Begründung

In den vergangenen Jahren hat die Europäische Kommission, der Rat und das Par­lament nachhaltige Maßnahmen gesetzt, um Besteuerungslücken durch unerwünschte Gewinnverschiebungen bzw. Steuervermeidungsmodelle im Anwendungsbereich des internationalen Steuerrechts zu schließen. Die traditionellen Steuersysteme knüpfen an die physische Präsenz eines Unternehmens für die Erhebung der Gewinnsteuern an. Durch die digitalen Geschäftsmodelle entsteht eine große Gerechtigkeitslücke, nicht nur innerhalb der Unternehmensbesteuerung, sondern auch im Vergleich zu der Be­steuerung von Arbeitseinkommen, die abgabenrechtlich jedenfalls immer bis auf den letzten Cent erfasst werden.

Ein anderer Aspekt der Steuergerechtigkeit betrifft den finanziellen Beitrag des Finanz­sektors zur Behebung der Kosten der zurückliegenden Finanzkrise. Die Kommission hat mit Vorschlägen zur Finanztransaktionssteuer und Besteuerung der digitalen Wirt­schaft Maßnahmen erarbeitet, die durch die steuerliche Erfassung der Gewinne von Unternehmen der digitalen Wirtschaft und Transaktionen von Finanzmarktakteuren den Steuerbeitrag dieser Branchen auf ein faireres Niveau anheben würden und die Gelegenheit bieten, die Besteuerung von Arbeitsaufkommen zu senken. Sowohl bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft als auch bei der Finanztransaktionssteuer (FTT) muss der Ort der Besteuerung in internationalem Konnex definiert werden. Bei der FTT wird dies durch das Ansässigkeitsprinzip gelöst, der Vorschlag für die Be­steuerung der digitalen Wirtschaft enthält als Anknüpfungspunkt die digitale Betriebs­stätte, damit die Erträge in dem Mitgliedstaat, in dem die Wertschöpfung entsteht, be­steuert werden.

Die zwischenzeitigen Verhandlungsergebnisse des Rates zu diesen beiden Vorhaben sind moderat oder machen skeptisch was die notwendige Steuergerechtigkeit inner­halb der EU betrifft. Bei der FTT ist in den letzten Monaten kein Fortschritt erkennbar und auch bei der digitalen Betriebsstätte ist, aufgrund des medial berichteten Verhand­lungsverlaufes im Frühjahr 2018, keine schnelle Einigung zu erwarten.

Das Konzept der digitalen Betriebsstätte soll in den rechtlichen Rahmen der gemein­samen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage eingearbeitet werden. Diese ist ein Herzstück der Steuergerechtigkeit in Europa, denn eine harmonisierte Bemessungs­grundlage und ein Verteilungsschlüssel zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen die Besteuerung der Gewinne am Ort ihrer Entstehung. Bei einer einheitlich ermittelten Steuerbemessungsgrundlage aber fehlenden Vorgaben für die Höhe des darauf an­zuwendenden Steuersatzes, ist ein für die Mitgliedstaaten schädlicher Steuerwettbe­werb nach unten zu erwarten, der zu einer Erosion des Steueraufkommens im Unter­nehmensbereich und damit verbundenen Einnahmenausfällen führen wird. Die Finan­zierbarkeit wichtiger staatlicher Leistungen wie soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung usw. wird in Frage gestellt. Es ist daher notwendig, dass gemeinsam mit der einheitli­chen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage auch unionsweit verbindliche Mindest­steuersätze vorgegeben werden.

Die Bundesregierung hat im Programm des österreichischen Ratsvorsitzes festge­schrieben, dass die öffentlichen Haushalte vor schädlichem Steuerwettbewerb und Steuervermeidung geschützt werden müssen, und die begonnenen Arbeiten der EU zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft unter österreichischem Ratsvorsitz vorange­trieben werden sollen, um Gewinne dort zu besteuern, wo sie anfallen. Um sicherzu­stellen, dass es sich dabei nicht nur um leere Ankündigungen handelt, sondern tat­sächlich Taten folgen, stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert,

- sicherzustellen, dass es europaweit zu einer gerechten Besteuerung von Konzernen kommt und daher insbesondere die Vorschläge zur Digitalsteuer sowie die Finanz­transaktionssteuer beschlossen werden;

- sicherzustellen, dass verbindliche, europaweite Mindeststeuersätze für Unterneh­menssteuern von zumindest 15% oder darüber gelten.“

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wur­de ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Die Steueroasen braucht nur der Gusenbauer! Ruf bei der FPÖ: Den haben wir noch gebraucht! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)