16.25

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Arbeitszeitflexibilisierung – eigentlich mehr oder weniger alle wollen sie: Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen sie, weil sie sich die Zeit freier und besser einteilen können, weil sie ihre Familien- und Freizeit­aufgaben besser mit dem Beruf abstimmen können und weil sie vielleicht auch mehr Freizeit am Stück konsumieren können. Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wollen sie, weil man Auftragsspitzen leichter abarbeiten kann, weil die Arbeit dann erbracht wird, wenn diese im Betrieb auch zu erledigen ist, und weil im Idealfall eben das Ergeb­nis mehr zählt als abgesessene Minuten.

Und auch alle ernst zu nehmenden Parteien wollen sie: Die SPÖ will die Arbeitszeit­flexibilisierung im Plan A, wir von den NEOS haben unseren Antrag im Sozialaus­schuss eingebracht, und wir haben einen Antrag von ÖVP und FPÖ vorliegen.

Warum läuft jetzt die Debatte über dieses gemeinsame Anliegen dermaßen aus dem Ruder und warum gehen die Emotionen so hoch, obwohl eigentlich alle ein gemeinsa­mes Ziel haben, nur sich das in den Details anders vorstellen? Die Polemik, nämlich wirklich auf beiden Seiten, ist der Sache nicht dienlich. Ich möchte schon festhalten: Es darf nicht so getan werden, als ob in Zukunft jeder jeden Tag 12 Stunden arbeitet, jeder jede Woche 60 Stunden arbeitet. Und der Sachlichkeit ist es auch nicht dienlich, wenn in der Dringlichen Anfrage steht: „Lohnraub“, „Freizeitraub“, „Gesundheitsraub“. Das ist kein Beitrag zur Versachlichung der Debatte. Da wird der Teufel an die Wand gemalt, und das ist in dieser Form nicht richtig. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und FPÖ.)

Flexibilisierung bedeutet eine andere Verteilung der Arbeitszeit, das bedeutet nicht mehr Arbeit. Das sieht man auch an den europäischen Ländern, die flexiblere Modelle haben: Die Menschen dort arbeiten im Schnitt nicht notwendigerweise mehr und länger als die Österreicherinnen und Österreicher.

Allerdings wird aufseiten von ÖVP und FPÖ auch der Himmel auf Erden verheißen, und auch das ist so nicht wahr. Wenn der Chef in der Produktionsfirma sagt, wir müs­sen nächste Woche 12 Stunden arbeiten, damit wir die Aufträge abarbeiten können, dann ist die Freiwilligkeit nicht vorhanden. Jeder Arbeitnehmer, der im Schichtdienst arbeitet, weiß, wenn der Chef sagt, nächste Woche müssen wir länger arbeiten, dann gibt es diese Freiwilligkeit nicht; und auch wenn Sie das ins Gesetz hineinschreiben, es findet im wirklichen Leben so nicht statt. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Lindner: Das sagen sogar die NEOS!)

Man sollte den Bürgerinnen und Bürgern von beiden Seiten reinen Wein einschenken. Leider wird auf beiden Seiten aber ein Märchen erzählt, das mit der Wahrheit so viel zu tun hat wie die Geschichte von Rotkäppchen und dem Wolf. Das hätte nicht sein müs­sen.

Die Mehrheitsfraktionen hätten einen Gesetzentwurf einreichen und diesen der Begut­achtung unterziehen können – dann hätten nämlich Fachexperten, dann hätten Unter­nehmer, Arbeitnehmer und deren Organisationen sich zu Wort melden können und ihre Einwände vorbringen können. Der Nationalratspräsident hätte, wenn er über den Par­teien gestanden wäre, den Antrag dem richtigen Ausschuss zuweisen können, und dann wäre dort eine sachliche Debatte möglich gewesen.

Dass Sie jetzt Dinge mit Ihrem Abänderungsantrag nachjustieren, nämlich den An­spruch auf Zeitausgleich in ganzen Tagen oder die Stärkung der Betriebsvereinba­rung – das hat Kollege Gudenus offensichtlich noch nicht gelesen, was Sie da in Ihren Abänderungsantrag hineingeschrieben haben –, einen Wegfall des von Ihnen ur­sprünglich verlangten überwiegenden persönlichen Interesses, und die Diskussion über die Frage, ob jetzt Überstundenzuschläge anfallen oder nicht, all das hätte nicht sein müssen, wenn Sie dieses Gesetz einer vernünftigen Diskussion in einem vernünf­tigen Prozess unterzogen hätten. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Mit Ihrer Dampfwalzenpolitik haben Sie Aufregung provoziert, haben Sie Demonstra­tionen provoziert – und natürlich haben Sie (in Richtung SPÖ) sich gerne provozieren lassen, das muss man auch sagen.

Zum Gesetzesvorschlag selbst: Ein ganz wesentlicher Punkt daraus ist meines Erach­tens zu wenig beleuchtet worden, nämlich dass die Vollausnahmen vom Arbeitszeitge­setz wesentlich ausgedehnt werden. Sie selbst sagen in Ihren Erläuterungen, dass Sie bis zur dritten Führungsebene eines Unternehmens hinunter die Mitarbeiter vom Ar­beitszeitgesetz ausnehmen wollen – da diskutieren wir dann nicht über 10 oder 12 Stunden, sondern da gilt dann gar keine Grenze mehr. Da gibt es bis in die dritte Führungsebene auch keine Wochenendruhe und keine Nachtruhe, die vorgeschrieben ist. Das betrifft auch die Führungskraft Andrea, die Minister Blümel zitiert hat, denn die­se hätte eine Vollausnahme vom Arbeitszeitgesetz ohne irgendeine Grenze. Sie würde die Flexibilisierung dann gar nicht mehr betreffen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Abgesehen davon ist im Gesetz die Neufassung des Textes, wer denn jetzt vom AZG überhaupt ausgenommen ist und wer nicht, so unscharf, dass Sie damit jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen provozieren und wir wieder sehr viel Judikatur ha­ben werden, bis die Unternehmen und die Arbeitnehmer wissen, wer vom Arbeitszeit­gesetz erfasst und wer davon ausgenommen ist. (Abg. Jarolim: Genau so ist es!) Das macht eine Regierung, die sich auf die Fahnen geheftet hat, die Entbürokratisierung zu wollen. In Wirklichkeit sorgen Sie damit für Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen und bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. – Das hätte nicht sein müssen.

So kann man die Arbeitszeitflexibilisierung, ein gemeinsames Anliegen aller Parteien, auch kaputtschießen. Sie schaffen es mit Ihrer Dampfwalzenpolitik, dieses gemeinsa­me Anliegen kaputtzuschießen und diesem Anliegen die Unterstützung der Bevölke­rung zu entziehen, und Sie merken es nicht einmal. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

16.32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Daniela Hol­zinger-Vogtenhuber. – Bitte.