18.38

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Am letzten Sonntag, am 1. Juli 2018, ist das Erwachsenenschutz-Gesetz in Kraft getre­ten – das ist ein historischer Schritt im rechtlichen Umgang mit sogenannten schutz­berechtigten Personen.

Die bisherige Sachwalterschaft wurde reformiert und in das sogenannte Erwach­senen­schutzrecht übergeführt. Dieses besteht aus insgesamt vier Säulen.

Die erste Säule ist die sogenannte Vorsorgevollmacht. Diese ist seit dem Jahr 2007 im ABGB festgeschrieben, de facto gibt es die Vorsorgevollmacht in der Praxis aber schon länger. Das war eine Entwicklung der Notariate, die weit umfassende Vollmach­ten zu dem Zweck, eine Sachwalterschaft zu verhindern, gestaltet haben.

Die zweite Säule – und die ist jetzt neu – ist die sogenannte gewählte Erwachsenen­ver­tretung.

Die dritte Säule ist die sogenannte gesetzliche Erwachsenenvertretung; das ist eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger.

Die vierte und letzte Säule ist eben die sogenannte gerichtliche Erwachsenen­ver­tretung. Das ist das, was früher in etwa unter dem Begriff Sachwalterschaft zu ver­stehen war. Das ist die letzte Stufe in dieser vierstufigen Hierarchie. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist sozusagen nur das allerletzte Mittel, wenn keine der drei anderen Säulen zur Anwendung gebracht werden kann.

Ziel und Zweck des Erwachsenenschutz-Gesetzes ist es, die Selbstbestimmung, die Autonomie entsprechend zu stärken und rechtliche Einschränkungen auf ein Mindest­maß zu reduzieren. Das ist natürlich ein schmaler Grat, auf der einen Seite den not­wendigen Schutz zu gewährleisten, auf der anderen Seite aber keine übertriebene Entrechtung zu vollziehen.

Der Gesetzgeber hat im Jahr 2017 beschlossen, das Pendel in die Richtung der Selbst­bestimmung ausschlagen zu lassen; das ist das leitende Prinzip des Erwachsenen­schutz-Gesetzes. Seitens der Betroffenen wird häufig der Wunsch geäußert, das Recht zu bekommen, auch Fehler machen zu dürfen, und nicht durch zu viel Schutz einge­schränkt zu werden.

Jetzt haben wir das Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz zu beschließen, das am 1. August in Kraft treten soll und mit dem in insgesamt 27 Bundesgesetzen Anpassun­gen vollzogen werden.

Es gibt ein paar Bedenken dagegen – zumindest im Ausschuss von Frau Dr. Griss von den NEOS geäußert –, nämlich dass die Schutzmechanismen zu sehr reduziert wer­den könnten. Das Beispiel, das Frau Dr. Griss im Ausschuss angesprochen hat, war, dass bei der gerichtlichen Erwachsenenvertretung, also der ehemaligen Sachwalter­schaft, es nicht mehr automatisch zu einer Anmerkung im Grundbuch und im Fir­menbuch kommt, was eben früher bei der Sachwalterschaft sehr wohl der Fall war. Jetzt gibt es nur mehr eine Anmerkung, wenn vom Pflegschaftsgericht ausdrücklich ein sogenannter Genehmigungsvorbehalt angeordnet wird.

Ich muss dazu sagen, dass diesbezüglich in meiner Brust zwei Herzen schlagen. Aus der Sicht des Vertragserrichters und Sachwalters, der ich selbst auch einer bin, wün­sche ich mir natürlich den bestmöglichen Schutz der betroffenen Personen. Insofern kann ich die Kritik der NEOS inhaltlich durchaus ein bisschen nachvollziehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass Sinn und Zweck des Gesetzes sind, die Auto­nomie zu stärken und so wenig wie möglich in die Rechte der Betroffenen einzugreifen. Gerade die NEOS sollten das so verstehen; sonst hängen sie ja auch einem sehr liberalen Gesellschaftsbild an, und das spiegelt sich darin gewissermaßen wider.

Ich glaube aber, dass die Justiz in der praktischen Handhabung sehr häufig von die­sem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt Gebrauch machen wird und dass es sehr oft zu Anmerkungen im Grundbuch und im Firmenbuch kommen wird. Insofern kann es sein, dass diese Debatte in Wahrheit eher eine akademische Debatte ist.

Ich denke aber ohnehin, dass man sich dieses Gesetz nach einem gewissen Beobach­tungszeitraum anschauen muss, das Erwachsenenschutz-Gesetz vielleicht evaluieren und dann an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch ein bisschen nachschärfen muss. Bis dahin freuen wir uns auf mehr Selbstbestimmung auf der einen Seite und weniger Bevormundung auf der anderen Seite – wahrlich ein freiheitlicher Grundsatz. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.