11.14

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Es zeigt schon, wie weit es mit diesem Gesetz her ist, wenn von ÖVP-Seite jetzt schon bis zum Vatikan interveniert werden muss und wahrscheinlich Ablass geleistet werden muss, damit es doch dazu kommt, dass eine Ausweitung auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden pro Woche möglich sein wird. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie sitzen hier und halten Taferl mit „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Wo­che“ in die Luft – ich komme mir wirklich vor, als ob wir über die Einführung des 8-Stun­den-Arbeitstages diskutieren müssten und als ob Sie die Vorkämpfer dafür wären! Da­bei sind Sie es, die hier und heute die Einführung von 12 Stunden pro Tag möglich ma­chen wollen (Abg. Belakowitsch: Stimmt ja nicht!) – 12 Stunden pro Tag! (Abg. Haub­ner: Keine Ahnung! – Abg. Steinacker: Lesen!) –, und das nicht für ausgenommene Bereiche, das nicht für abgegrenzte Zeitblöcke, das nicht mit arbeitsmedizinischer Ge­nehmigung, nein, einfach 12 Stunden ermöglichen, über alle Branchen drüber, egal, ob körperliche Tätigkeit, egal, ob Büroarbeit. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das ist Ihre Politik, das bedeutet null Rücksicht auf Gesundheit und das bedeutet null Rück­sicht auf Familien und Kinder in diesem Land. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Sobotka: Sagen Sie das den Polizisten und den Kranken­schwestern, Frau Kollegin!)

Das ist ein Punkt, zu dem ich auch kommen möchte: Wer A wie Arbeitszeit sagt, muss auch B wie Betreuung sagen, und genau an diesem Punkt stehen wir. Sie sagen A wie Arbeitszeit und meinen damit, Arbeitszeit 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchent­lich möglich zu machen. Auf der anderen Seite sagen Sie aber nicht B wie Betreuung, denn von Ihrer Seite wird nicht in die Kinderbetreuung, in den weiteren Ausbau der Kin­derbetreuung investiert. Nein, die drohende Flexibilisierung, die Sie hier anschneiden und die Sie einführen wollen, bedeutet auf der anderen Seite eine Kürzung der Mittel für den Kindergartenausbau. Es waren bisher 140 Millionen Euro vorgesehen, das wird um 50 Millionen Euro gekürzt, wir stehen beim Kindergartenausbau und weiteren In­vestitionen bei lediglich 90 Millionen Euro.

Sie sind säumig, was die Ausfinanzierung betrifft, und Sie streichen die Mittel. Ich frage mich, ob Sie mit dieser Politik, die Sie machen, wirklich in der Realität leben. Ich weiß, was das Wort realitätsfern bedeutet, aber Sie treten mit diesem Gesetz den Beweis an, dass es von realitätsfern anscheinend noch eine Steigerungsform gibt.

Wer auf der einen Seite Arbeitszeit ausdehnt, wer auf der anderen Seite Menschen zur Flexibilisierung zwingt – und von Ihrer Seite ist gekommen, es wird alles freiwillig blei­ben –, dem möchte ich eines sagen: Freiwilligkeit wird es zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nie geben können (Ruf bei der ÖVP: Warum nicht? – Zwischenruf des Abg. Jenewein – weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), es wird nie eine Augenhö­he geben können, es wird nie eine freiwillige Ablehnung von Überstunden geben kön­nen! Dies aus einem simplen Grund, nämlich weil da draußen über 340 000 Menschen sind, die einen Job suchen und bereit sind, ihren Job zu machen, weil da draußen Menschen sind, die sich nicht hinstellen und sagen: Okay, alle meine Arbeitskollegen sollen jetzt 12 Stunden arbeiten, aber ich werde es nicht machen. – Nein, denn es gibt Zusammengehörigkeit und es gibt ein Gruppengefühl und dementsprechend werden Menschen sich dazu hinreißen lassen, ihre Freiwilligkeit aufzugeben, aus Schutz für den eigenen Job, aus Schutz für die Arbeitskollegen und natürlich aus Angst, den Job zu verlieren und die Familie nicht mehr erhalten zu können. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Zarits: Wenig Applaus! – Abg. Rosenkranz: Sie ist noch nicht wieder bei der SPÖ! – Abg. Martin Graf: Alle fünf Mitglieder der Liste Pilz haben geklatscht!)

Sie dehnen die Arbeitszeit aus, Sie zwingen die Menschen zur Flexibilisierung und Sie schränken die Planbarkeit der persönlichen Freizeit und des Familienlebens der Betrof­fenen immens ein. Sie stellen diese Menschen vor die Entscheidung, sich am Ende des Tages, nach 12 Stunden Arbeitszeit und – durch Sie auch ausgeweitet – nach 2,5 Stun­den An- und Abreisezeit, zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen. (Abg. Deimek: Erzählen Sie uns lieber mal, wo Sie in einem Privatbetrieb gearbeitet haben! Wie viele Sekunden waren das? Aber Sie wissen alles!) Es sind meistens Frauen, die diese Entscheidung vor sich haben werden und sich eben für die Familie entscheiden werden, wie es jetzt schon der Fall ist. Es ist eine unzureichende Zahl an Kinderbetreu­ungsplätzen in den Bundesländern vorhanden. (Abg. Deimek: Über Kinder reden Sie auch noch! Wie viele haben Sie? Eine Familie haben Sie auch?) Viele Frauen machen jetzt schon Teilzeitarbeit oder es ist ihnen aufgrund von Pflege et cetera nicht möglich, Vollzeit arbeiten zu gehen.

Wenn Sie sich so sicher sind, dass die 3 774 000 Menschen in unserem Land Ihr Mo­dell wollen, dann trauen Sie sich doch, diese zu befragen! Gehen Sie hinaus und er­möglichen Sie diesen Menschen eine Volksabstimmung!

Wir sind der Meinung, dass die Produktivitätsgewinne, die in den letzten Jahren durch die ArbeitnehmerInnen erwirtschaftet worden sind, diesen Menschen auch zugutekom­men sollen, und das heißt: Arbeitszeitverkürzung. Diesbezüglich werden wir auch noch einen Antrag einbringen. Das bedeutet, mehr Zeit für die Familie zu haben, das bedeu­tet, mehr Zeit für die Freizeit und für die Gesundheit zu haben.

Wenn Sie wirklich meinen, dass Ihr Modell von der Bevölkerung unterstützt wird, dann trauen Sie sich doch, die Bevölkerung zu befragen! Und kommen Sie mir am Ende des Tages nicht wieder mit dem Schmäh, dass es durch mehr Wochenende und Freizeit­blöcke eh mehr Zeit für die Familie geben wird! (Ruf bei der FPÖ: Gehen Sie einmal selber was hackeln, dann reden Sie weiter!) Das ist nicht der Fall!

Dieses angebliche Recht, das Sie hier festschreiben wollen, das wird es am Ende des Tages nicht geben, das ist nämlich am Ende des Tages rein aufgemalt auf einem Pa­pierl! Das ist alles, denn 12 Stunden sind mehr als 8 Stunden, und dieses Recht auf Freizeitblöcke und zu entscheiden, wann ich mir diese Freizeitblöcke nehme oder nicht, wird es in der Realität nicht spielen. (Abg. Belakowitsch: Woher wissen Sie das?) Auf­träge sind immer da und Aufträge müssen, wie Sie schon sagten, abgearbeitet werden, damit für die Unternehmen kein Schaden entsteht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ob aber Schaden für die Familie und ob Schaden für Kinder oder die Gesundheit der Betroffenen entsteht, das ist Ihnen bei diesem Modell völlig egal! – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.19

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desminister Hartinger-Klein. – Bitte, Frau Minister.