11.20

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Was macht Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer zufrieden? (Die Abgeordneten der SPÖ halten runde, rot um­randete Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 und 60 in die Höhe. – Die Abge­ordneten Heinisch-Hosek und Kuntzl – in Richtung der sich auf der rechten Seite der Regierungsbank befindenden Bundesministerin –: Warum sitzen Sie nicht da herü­ben?) Es gibt viele Studien, es gibt viele Befragungen dazu. Es ist nicht das Gehalt, es ist der Sinn der Arbeit, es ist das Betriebsklima, es ist die Wertschätzung und es ist die Arbeitszeitflexibilisierung.

Die Arbeitszeitflexibilisierung ist natürlich eine Selbstbestimmung, die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer durch unseren Gesetzes- und Initiativantrag haben werden. Die praxisgerechte Gestaltung der Arbeitszeit ist eines der wichtigsten Vorhaben dieser Bundesregierung, einerseits zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und andererseits auch für die Selbstbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, unser Arbeitszeitrecht ermöglicht im Bereich der Normalar­beitszeit, also der regelmäßigen Arbeitszeit ohne Überstunden, durchaus flexible Ar­beitszeitmodelle. Bei der Höchstarbeitszeit fehlt bisher jedoch die Möglichkeit, ausrei­chend auf Arbeitsspitzen reagieren zu können. Die derzeitige gesetzliche Regelung ist auch deutlich restriktiver als die Arbeitszeitrichtlinie der EU. Hier besteht also Hand­lungsbedarf. Ich halte die Möglichkeit einer Höchstarbeitszeit von 12 beziehungsweise 60 Stunden für wichtig, um möglichst rasch und unbürokratisch Arbeitsspitzen abde­cken zu können. Dass dabei die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verletzt werden, weise ich aufs Schärfste zurück. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Schieder.)

Ein Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten der EU zeigt, dass eine höhere Grenze der Tagesarbeitszeit keineswegs automatisch zu einer längeren Gesamtarbeitszeit führt. Ich gehe davon aus, dass auch die anderen EU-Mitgliedstaaten verantwortungsvoll mit der Gesundheit der Menschen umgehen, und gerade dieser Vergleich zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, selbst in skandinavischen Ländern sind flexible Arbeitszeit­modelle, insbesondere für Angestellte mit Familie, bereits weit verbreitet. (Abg. Stöger: Die arbeiten alle weniger!) Gerade in Großbritannien haben Eltern von Kindern unter 16 Jahren – meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, hören Sie zu! – seit letztem Jahr sogar Anspruch auf eine Vereinbarung von flexiblen Arbeitszeiten. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Verkürzung!)

Im Jahrbuch von Eurofound wird der Trend zu mehr Flexibilisierung der Arbeitszeit be­stätigt. Auch eine von Eurofound beauftragte Studie zeigt die Flexibilisierung in der Ar­beitswelt auf. Das Wichtigste ist die Anpassung der Arbeitszeit an die Familien und die sozialen Anforderungen des Alltags. Dies wird mit der Arbeitszeitflexibilisierung des vor­liegenden Initiativantrages erreicht.

Das Wesentliche ist ja, dass längere Arbeitszeiten zeitnah durch Freizeiträume ausge­glichen werden und so die Entlohnung der Beschäftigten gewährleistet ist und die Ge­sundheitsgefährdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht steigt.

Man muss es immer und immer wieder sagen: An der durchschnittlichen Arbeitszeit wird sich in Österreich nichts ändern. Es wird stattdessen eine höhere Flexibilität er­möglicht. Die Zahl der jährlich zulässigen Arbeitsstunden bleibt gleich. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Es liegt auch im Interesse der Belegschaften, bei entsprechender Auftragslage die Ar­beitszeit auszudehnen und dafür zu anderen Zeiten von mehr Freizeit zu profitieren. Der eingebrachte Abänderungsantrag beinhaltet auch eine – das ist mir besonders wich­tig – Freiwilligkeitsgarantie und stellt somit sicher, dass Arbeitnehmer nicht – nicht! – gegen ihren Willen zu mehr als 10 Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche he­rangezogen werden können. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Sie können also Ihre Taferln alle umschreiben!

Abgesichert ist diese Regelung durch ein Benachteiligungsverbot und einen starken Kündigungsschutz: Anders als bei der 9. und 10. Überstunde müsste der Arbeitgeber sich freibeweisen, dass er gerade nicht wegen der Ablehnung der 11. und 12. Über­stunde gekündigt hat.

Darüber hinaus können Arbeitnehmer selbst bestimmen, ob sie eine Bezahlung der Überstunde oder einen Zeitausgleich wollen. Ich bin davon überzeugt, dass selbst im Schichtbetrieb Verständnis dafür herrschen wird, dass einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus familiären Gründen oder welchem Grund auch immer keine Zusatz­schichten leisten können.

Vergessen Sie nicht, dass für die 9. bis 12. Stunde Überstundenzuschläge anfallen, egal, ob in Geld oder in Freizeit! Ein betriebswirtschaftlich denkender Geschäftsführer oder Unternehmer hat die hohen Kosten einer 60-Stunden-Woche viel präsenter vor Augen als der gesamte ÖGB. Eine 60-Stunden-Woche kommt einen Arbeitgeber sehr, sehr teuer, und genau aus diesem Grund wird er nicht aus Jux und Tollerei davon Ge­brauch machen, sondern genau berechnen. Die Kosten einer 60-Stunden-Woche sind tatsächlich eine Bremse, auch für den Arbeitgeber. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Bacher und Klaus Uwe Feichtinger.)

Ich kann auch dem Argument der Opposition nicht folgen, dass mit diesem Initiativan­trag der Vier-Tage-Woche die Grundlage entzogen wird. Die Vier-Tage-Woche ist näm­lich ein dauerhaftes Arbeitszeitmodell und dient nicht der Reaktion auf kurzfristige Auf­tragsschwankungen. Sie wird zum Beispiel deshalb gewählt, weil zahlreiche Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer weit entfernt vom Betrieb wohnen. Im Übrigen wird es nun­mehr auch bei Gleitzeit erleichtert, eine Vier-Tage-Woche zu erreichen.

Weiters soll beim Arbeitszeitmodell Gleitzeit eine Normalarbeitszeit von 12 Stunden nur möglich sein, wenn ein ganztägiger Zeitausgleich möglich ist, und zwar auch im Zu­sammenhang mit dem Wochenende. Damit ist sichergestellt, dass die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer als Ausgleich längere Freizeiträume haben können. Somit wird die Vier-Tage-Woche künftig auch innerhalb einer Gleitzeitvereinbarung möglich, was eine Weiterentwicklung des Gleitzeitmodells insgesamt bedeutet.

Meine Damen und Herren, jetzt zur Gesundheit: Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie alle kennen, oder du besonders, das Cochrane Journal, eines der renommiertesten Journa­le oder das medizinische Journal. Ich habe da eine erst vor Kurzem gemachte Studie über die Auswirkungen der Arbeitszeitflexibilität auf den Gesundheitszustand gefun­den, und da ist eines ganz klar beschrieben, dass nämlich die Möglichkeit flexibler Ar­beitszeit für die Arbeitnehmer positive Auswirkungen auf den Gesundheitszustand hat. (Ruf: Hört! Hört! – Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Meine Damen und Herren, die Wissenschafter untersuchten in zehn Studien mit insge­samt 16 603 Teilnehmern – ich nenne nur zwei Parameter, die sich dabei verbessern – einerseits die Pulsfrequenz und andererseits das Schlafverhalten. Betont wird vor al­lem die Kontrollmöglichkeit der Arbeitnehmer, die eigene Arbeitszeit zu gestalten. Die Studienautorin Clare Bambra von der Durham University in Großbritannien berichtet, dass diese Ergebnisse nahelegen, dass es gesundheitliche Vorteile bringt, wenn Men­schen ihre Arbeitszeit selbst gestalten können, anstatt sie vom Arbeitgeber vorgegeben zu bekommen.

In einer Studie zeigten beispielsweise Polizeibeamte, die ihren Arbeitsbeginn verän­dern konnten, im Vergleich zu Kollegen, die zu einer festgelegten Arbeitszeit anfangen mussten, eine deutliche Verbesserung der psychischen Verfassung. Diese Faktoren sind Motivationsfaktoren. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Noch einmal: Ein Cochrane Journal, Frau Kollegin, ist nicht nichts. Ich meine, das wirst du mir bestätigen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mir ist aber durchaus bewusst, dass in vielen Berufsbildern und Organisationsformen die Gleitzeit schwer umzusetzen ist. Trotzdem freue ich mich über die erzielte Verbes­serung der Vier-Tage-Woche, weil diese explizit auch bei Gleitzeit möglich wird. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Gleitzeit, also für den Großteil der Arbeits­kräfte, verschlechtert sich andererseits im Bereich der Normalarbeitszeit nichts. Es bleibt beim 8-Stunden-Tag und es bleibt bei der 40-Stunden-Woche.

Also bitte, noch einmal: Ihre Taferln alle umschreiben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Schließlich ist es gesichert, dass bestehende Kollektivverträge und Betriebsvereinba­rungen aufrechtbleiben. Noch einmal: Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträge blei­ben aufrecht! Für jeden Experten, der das nicht so sieht, findet sich ein Arbeitsrechts­experte, der dies so sieht, dass Betriebsvereinbarungen bestehen bleiben. Ich bin da­von überzeugt, dass mit diesen Änderungen eine für die Arbeitnehmerseite verträgliche Lösung erreicht wird.

Jetzt zum Thema Betriebsräte: Zur Zahl der Betriebsräte gibt es keine exakten Anga­ben – finde ich auch spannend, ja. Insgesamt dürften nur in 14 bis 20 Prozent der Be­triebe Betriebsräte eingerichtet sein, und nur knapp die Hälfte der unselbständig Be­schäftigten wird von Betriebsräten vertreten. – Was ist mit der anderen Hälfte?

Das heißt also, die Einbindung der Betriebsräte bleibt natürlich im Arbeitszeitgesetz un­verändert, aber unsere Regelung schützt erstmals den einzelnen Arbeitnehmer und die einzelne Arbeitnehmerin. Das ist erstmals der Fall. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wo war denn die Sozialdemokratie, die ständig die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer verteidigen möchte? – Sie haben das nur in diesen Unternehmen gemacht, in de­nen es Betriebsräte gibt. Den Rest, 50 Prozent der Arbeitnehmer, haben Sie einfach vergessen.

Unser Gesetz bietet also die Möglichkeit, den einzelnen Arbeitnehmer wirklich zu schüt­zen. Der neue Schutz bedenkt nämlich die Tatsache, dass deutlich weniger als 20 Pro­zent der Betriebe in Österreich einen Betriebsrat haben, und bedenkt die Tatsache, dass 50 Prozent der Arbeitnehmer nicht durch einen eigenen Betriebsrat vertreten wer­den.

Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, dieses hohe Schutzniveau für den Einzel­nen vorzusehen, obwohl er die ländlichen Klein- und Mittelbetriebe vor Augen hat, auf die sich die österreichische Nationalökonomie maßgeblich stützt. Ich rede von den vie­len Betrieben, in denen Arbeitnehmer bisher nicht auf die Idee kamen, einen Be­triebsrat zu gründen, weil sie sich fair und gut behandelt fühlen und weil die Chefin und der Chef auch ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben. Ich rede von den Gegenden, in denen die Kinder der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gemeinsam in die Schule, zur Feuerwehrjugend gehen und man sich regelmäßig im Supermarkt, beim Wirt oder beim Marktfest trifft.

Dieses gelebte Miteinander in flachen Hierarchien kennzeichnet die österreichischen KMUs und ist der Grund dafür, dass so viele Arbeitnehmer bisher ganz ohne Betriebs­rat auskamen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und jetzt kommt eben durch unser Gesetz ein verstärkter Schutz für den Einzelnen hinzu. Da und dort wird dieser Schutz sicher notwendig sein. Aber es kann bitte wirk­lich keine Rede davon sein, dass nun alles schlechter wird. Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade die funktionierenden ländlichen Konstellationen sind so zahlreich, dass die SPÖ sie nicht ignorieren kann.

Eifrig hat die Opposition vor Kurzem eine Demo mit ihren Anhängern in der Bundes­hauptstadt organisiert, aber die große Mehrheit der Arbeitnehmer, die weder einen Be­triebsrat haben noch einen wünschen, hat nicht an der Demonstration teilgenommen. (Ruf bei der SPÖ: Das wissen Sie?) Warum? – Weil sie wissen, dass man unserer Re­gierung vertrauen kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die überzogenen Vorwürfe der katholischen Bischofskonferenz und der Katholischen Jugend kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Warum soll ein Arbeitszeitmodell, das bei gleichbleibender jährlicher Arbeitszeit einerseits längere Arbeitszeiten und anderer­seits als Ausgleich längere Freizeit ermöglicht, dem Familienleben abträglich sein? – Genau das Gegenteil ist der Fall. Es wird auch hier ein Schreckensszenario gezeich­net, das an der Realität dieses Gesetzes vorbeigeht. Man versucht, Bilder in den Köp­fen der Menschen zu erzeugen, als wären 12 Stunden Arbeit täglich die Regel. Statt­dessen ist es die große Chance für die Arbeitnehmer, freiwillig und selbstbestimmt ent­scheiden zu können. Für etliche Menschen könnte das ein Segen sein.

Im Übrigen erinnere ich auch daran, dass auch für die viermalige Sonn- und Feiertags­arbeit das absolute Ablehnungsrecht garantiert ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Novelle bringt den stärksten Schutz für den einzelnen Arbeitnehmer, der nicht durch einen Betriebsrat vertreten ist, zweitens eine Veranke­rung der Politik der Betriebsräte im Gesetz, drittens eine Auftragssicherung durch fle­xible Abdeckung von Spitzenzeiten, viertens ein unverändertes Arbeitszeitvolumen, fünftens die Möglichkeit zum verlängerten Wochenende und sechstens die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Für mich steht im Vordergrund, dass wir bald ein modernes Arbeitszeitgesetz haben, das an die heutigen Lebensverhältnisse und Lebenswelten angepasst ist und den Wirt­schaftsstandort Österreich stärkt. Damit gehen wir mit dem gesellschaftlichen Wandel der Arbeitswelt, anstatt ihn zu bekämpfen.

Abschließend, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Es war ein sehr berühmter Mann, der einmal Folgendes gesagt hat: „Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann.“ – Wissen Sie, wer das war? Sie sollten es eigentlich wissen. Es war Karl Marx. Und ich sage: Mit dieser Arbeitszeitflexibilisierung ab 1. Sep­tember ist diese Freiheit für jeden Mann und jede Frau möglich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.35

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter! Ich gehe davon aus, dass Sie die einschlägigen Bestimmungen kennen und einhalten werden. – Bitte. (Abg. Haider: Ich gehe nicht davon aus!)