11.58

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mi­nisterinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum wollen wir NEOS eine flexiblere Arbeitszeitlösung? – Das ist leicht beantwortet: weil wir sinnvolle Lösungen für das echte Leben wollen, aber diese aufgeheizte Debatte wird dem echten Leben natürlich nicht gerecht. Ich finde, beide Seiten werden dem echten Leben nicht gerecht, und ich möchte nur zwei Beispiele bringen.

Ich kenne einen Industrieofenbauer in Oberösterreich, und ein Arbeiter dieses Betrie­bes hat mir gesagt: Schau, die schicken mich auf Montage für diesen Ofen, und ich fahre 300 bis 400 Kilometer von meinem Heimatort weg. Ich bekomme dann um 18 Uhr eine E-Mail mit dem Inhalt: Jetzt bitte Schraubenzieher fallen lassen, denn ab jetzt bist du, wenn du weiterarbeitest, im Kriminal! – Was soll ich dort machen? Ich bin dort allein! Ich habe zwei kleine Kinder und meine Frau zu Hause, kann aber am Abend nicht nach Hause zurückfahren. Ich möchte zumindest bis 20 Uhr weiterarbei­ten, denn wenn ich das zweimal nacheinander mache, dann kann ich am Freitag nach Hause fahren und bin zu Hause bei den Kindern. – Der will einfach diese Lösung (Abg. Rosenkranz: Genau! – Abg. Muchitsch: ... ja schon!), und er versteht nicht, dass wir das gesetzlich bisher nicht zustande gebracht haben. (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Abg. Deimek: Da ist der Muchitsch schon zu lange weg!)

Anderes Beispiel: Ich war selber zwölf Jahre lang Unternehmer, und es ist natürlich so, dass in vielen Dienstleistungsunternehmen – ob das Webdesigner sind oder Berater oder sonst irgendetwas, ob das 20, 30 oder fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitunter einmal bis 20 Uhr oder bis 21 Uhr sitzen bleiben und ein Projekt fertig machen.

Das ist das normale Leben, liebe SPÖ, das ist so! (Abg. Heinisch-Hosek: Das geht ja jetzt auch!) Das ist das normale Leben, das war aber nicht möglich! Faktum ist, dass in dieser Republik wöchentlich, monatlich Zehntausende Menschen, ich behaupte: Hun­derttausende Menschen, zum Fälschen ihrer Stundenlisten gezwungen werden, und das ist oft zum Nachteil der Mitarbeiter. Das ist zum Nachteil der Mitarbeiter! (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es ist aber auch zum Nachteil der Unternehmerinnen und Unternehmer, denn die wer­den dann geprüft, und dann muss man irgendetwas fälschen. Das ist unwürdig! Das ist ein Auftrag an den Gesetzgeber – und der sind wir –, da lebensnahe Lösungen zu schaffen. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Das weiß auch die SPÖ: Im Plan A steht es ja auch so drin, Christian Kern! Das weiß auch die SPÖ, und deswegen: Bitte keine Panikmache!

Und jetzt komme ich (in Richtung ÖVP) zu euch: So, wie ihr das angegangen seid, das ist in einer Art und Weise letztklassig, dass mir die Spucke wegbleibt! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich fasse zusammen: Kurz und Strache beschließen, sie bringen hier ein Gesetz via Initiativantrag ein und verunmöglichen eine ordentliche Begutachtung durch Expertin­nen und Experten. Auch die Oppositionsfraktion soll ausgebootet werden, weil nicht nur die Begutachtung gestrichen wird, sondern Sie weisen es dann auch mutwillig dem falschen, eigentlich nicht zuständigen Ausschuss zu, damit Sie selbst den Ausschuss­vorsitz haben.

Wir als NEOS, als eine vernünftige Stimme der Mitte, organisieren einen Gipfel der Wirtschafts- und Sozialsprecher, und Sie als FPÖ und ÖVP boykottieren diesen! Sie sagen: Nein, das interessiert uns nicht! Gerald Loacker – ich behaupte, von den, egal ob Mann oder Frau, 183 Abgeordneten jene Person mit den mit Abstand meisten Fach­kenntnissen in dieser Materie (Zwischenruf des Abg. Stöger) – hat mehrfach Anläufe genommen – mehrfach Anläufe genommen –, um Ihnen Verbesserungen mit auf den Weg zu geben. Er hat sich medial nicht hinausgehängt, er hat das hinter den Kulissen gemacht, aber auch vor den Kulissen, aber Sie steigen nicht darauf ein. Sie sind mit einer Ignoranz unterwegs, mit einer Überheblichkeit, dass es nicht auszuhalten ist! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Das Problem ist, dass die Menschen draußen, die Bürgerinnen und Bürger, den Preis zahlen, zum Beispiel beim Miteinbeziehen der dritten Führungsebene. Auch ich finde, dass die Wirtschaftskammer und die IV da keine gute Rolle gespielt haben. Sie haben mit denen im Doppelpass über Monate ein Gesetz vorbereitet und haben uns mit ei­nem Husch-Pfusch über Nacht überrascht. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Das ist eines Parlaments unwürdig, zu sagen: Ich binde außerparlamentarische Kräfte ein und ignoriere gewählte Volksvertreterinnen und –vertreter!, und zwar mit dem Er­gebnis, dass die Qualität nicht passt. Sie beziehen die dritte Führungsebene ein. Es macht natürlich – und Gerald Loacker hat es gesagt – für Industriebetriebe Sinn, zu sa­gen, wir entbinden diese aller Arbeitszeitgesetze, und zwar völlig, aber es macht für ei­nen Mittelständler keinen Sinn. Der oder die fällt aus allen Arbeitszeitregelungen hi­naus, da ist nichts mehr da.

Da muss ein Gerald Loacker aufstehen, um zu sagen, dass das unsozial ist? (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte! Keine Ahnung!) – Das ist nicht okay. Es ist nicht okay, dass ihr auch hier einfach nicht auf diese Stimme hört. Das ist, finde ich, auch einem Mitarbei­ten und Zusammenarbeiten im Hohen Haus nicht angemessen. (Abg. Noll: Das inter­essiert die doch nicht! – Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja alles nicht!)

Es wird natürlich auch bezüglich des Themas Freiwilligkeit und der Frage, wie Sie es gelöst haben, damit zu rechnen sein, dass eine Klagsflut kommt, dass über Jahre pro­zessiert wird betreffend die Frage: Wie ist das jetzt mit dieser Freiwilligkeit? Ist das eine Motivkündigung, wenn jemand eine zusätzliche Überstunde verweigert und sechs Monate später gekündigt wird? – Solche Menschen werden zu Hunderten, zu Tausen­den vor die Arbeitsgerichte ziehen, und die Arbeiterkammer wird sie dabei unterstüt­zen – das ist doch alles aufgelegt –, und sie werden sagen, es war eine Motivkündi­gung.

Wollen wir das, da mutwillig eine Klagswelle auslösen? – Das alles hätten wir verhin­dern können, wenn Sie einfach mit aufrechtem Gang eine Zusammenarbeit eingegan­gen wären, die diesem Hause auch angemessen und würdig wäre. Das haben Sie ver­weigert und das ist ein großer Schmerz. Ich sage Ihnen auch, das werden Sie ohne immensen Schaden für die Menschen in diesem Land die nächsten vier Jahre nicht durchhalten können. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Wenn Sie mit dieser Ignoranz, wenn Sie mit dieser Überheblichkeit weitermachen, dann werden wir dieser Regierung über Jahrzehnte hinterherräumen müssen, weil die Menschen immensen Schaden davontragen werden – so wie wir heute in Gerichten noch die Prozesse von Schwarz-Blau I oder Blau-Schwarz I haben. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Dort hat es geheißen: Speed kills!, und bei euch kommt zum Geschwin­digkeitsthema noch Ignoranz und Überheblichkeit dazu, und das ist nichts Gutes für dieses Land. Reißen Sie sich zusammen für die nächsten Baustellen! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

12.05

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Riemer. – Bitte, Herr Abgeordneter.